Von S.N.
Fast drei Stunden. So lange dauerte es, bis die Bürger mit ihren Wortbeiträgen in der Anhörung durch waren.
Die Beiträge zeichneten sich durchweg durch eine hohe Qualität und Konkretheit aus, abgesehen von den üblichen nichtsagenden Worthülsen einer Spartakistin, einem flammenden Appell für grünen Stahl, sowie einem schwer verständlichen Beitrag der ansonsten sehr geschätzten Initiative Ziviler Hafen.
Diese Qualität war es dann auch, die einen der beisitzenden Experten zu dem bitteren Fazit führte, dass die Anhörung nicht geeignet gewesen wäre, Fragen bezüglich des SPD – MSC Deals auszuräumen.
Doch der Reihe nach. Wortbeiträge wurden von einem großen Spektrum Betroffener geleistet, darunter Anwohner, Umweltaktivisten und natürlich Hafenarbeiter. Insbesondere die Hafenarbeiter waren schockiert von der Weigerung der Abgeordneten sich argumentativ in der Sache auseinanderzusetzen, reflektierten allerdings und sprachen aus, dass die Ursache dafür im derzeitigen Parteiensystem zu finden ist, mit ihrem Regime aus Angst, Unterwerfung, Postengeschacher und Seilschaften. Dieses Verstehen durch Erfahren ist mehr wert als zwanzig Semester Soziologie.
Als ein Hafenarbeiter das ungehörige Verhalten einiger Abgeordneter ansprach, während der Beiträge sich gelangweilt mit ihrem Smartphone zu beschäftigen, schreckte einer der Sozis hoch, setzte zum Bellen an wie ein getroffener Hund und biss sich noch rechtzeitig auf die Zunge. Besser war es. Die Arroganz der Gewählten fiel auch einem weiteren beisitzenden Experten auf, der feststellte, dass ein Gutachten, welches die Position des Senats stützen soll, zwar der Bild Zeitung zugespielt worden war, jedoch bislang nicht dem Expertengremium zur Verfügung gestellt wurde. Und so könnte sich der Sieg in der Abstimmung für den MSC Deal als Pyrrhus Sieg für den Senat entpuppen.
Zum einen besteht noch die Möglichkeit, dass die CDU mit dem Vorwurf der Beihilfe durchkommt.
Dann müsste der Deal aufgrund eines zu niedrig angesetzten Verkaufspreises rückabgewickelt werden (EU Kommission prüft das ja gerade). Zum anderen verbuchen die Hafenarbeiter auf der Habenseite laut Aussage einer Betriebsrätin (wegen des „wilden” Streiks) ca. 200 (!) abgemahnte Kollegen mit mächtig Wut im Bauch und dem Wissen im Kopf, dass für eine Arbeitsniederlegung keine Gewerkschaft von Nöten ist.
Beim Redebeitrag der mit Kündigung bedrohten Betriebsrätin bebte ihre Stimme noch vor gerechtem Zorn.
Ebenso auf der Habenseite ist die Unterstützung der Partei Die Linke, die nach dem EU Wahl Debakel um das Überleben känpft und die Kontroverse um den MSC Deal in den Wahlkampf tragen muss. Auszugehen ist ausserdem davon, dass die Bürgerlichen, denen es um die Verhinderung des Neubaus der MSC Zentrale geht, sich weiterhin gegen diesen engagieren werden. Über die Hoffnung dieser Gruppe, zumindest dieses Zugeständnis zu erhalten, hat sich der Senat mit bekannter Arroganz und Geringschätzung der Wähler, hinweggesetzt.
Angesichts der Erfahrung in der Stadt mit bürgerlich getragenen Protesten (Schulreform, Unterbringung von Geflüchteten), könnte sich diese Arroganz als Bumerrang erweisen. Und auch der Einwand eines Sozis, dass die Arbeitsniederlegung innerhalb der Gewerkschaft stark umstritten war (also auf Funktionärsebene), kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Funktionärsriege eine Niederlage gegen ihre eigenen Mitglieder hinnehmen musste und ihr bereits gegebenes Einverständnis für den MSC Deal wieder zurücknehmen musste.
Als Vor – und nicht als Nachteil entpuppt sich auch, dass verdi mehrere Listen hat. Durch diese innerbetriebsratliche Konkurrenzsituation mit mehreren Führungspersönlichkeiten, kann sich keine von diesen erlauben, als käuflich in der Betriebsöffentlichkeit dazustehen. Im besten Fall werden wir Zeuge eines Solidarnosc Moments in Hamburg. So wie der Ostblock damals stehen auch die westlichen Regierungen unter Druck. Solidarnosc hat damals 9 Jahre gebraucht und entwickelte sich von einem spontanen Streik gegen Lebensmittelverteuerung zu einer breit getragenen Widerstandsbewegung gegen eine Elite, die als korrupt und nicht dem Allgemeinwohl verpflichtet empfunden wurde.
Es bleibt zu hoffen, dass auch in Hamburg diese Transformation gelingt und als erster Schritt Warburg – Tschentscher aus dem Rathaus abgewählt wird.
„Stoppt den Hafendeal!“
Diesen eindeutigen Kommentar leistet sich „DIE ZEIT“, laut Selbstdarstellung: „Mit einer Auflage von über 600.000 verkauften Exemplaren und einer Reichweite von mehr als zwei Millionen Leserinnen und Lesern ist die Wochenzeitung Deutschlands führende Qualitätszeitung“.
Die Bürgerschaft solle den Deal ablehnen, lesen wir am 28.06.2024. Und: „Noch vor der Sommerpause Mitte Juli soll die Bürgerschaft einen Hafendeal befürworten. Die Abstimmung ist brisant, denn was als Rettung verkauft wird, könnte Hafen und Stadt sogar schaden.“
Der Artikel referiert die verschiedenen Argumente der Kritiker und Skeptiker. Er ist leider hinter einer Bezahlschranke. Doch gibt es einen sehr informativen Podcast von „DIE ZEIT“ zum Thema. Titel „Geheimgeschäft: Was der MSC-Deal dem Hamburger Hafen wirklich bringt“:
https://www.zeit.de/hamburg/2024-05/hamburger-hafen-investoren-msc-deal-hamburg-podcast-elbvertiefung
Für ausführliche Argumente und Hintergründe verweise ich hier auf das Bündnis HHLA-Verkauf stoppen:
http://rettetdenhafen.de/