Gedankensplitter zur Wahl in Österreich
Von Peter Haumer, Wien
Aus express 10/2024
Es ist nicht wirklich was Überraschendes bei dieser Wahl passiert: Die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne sind für ihre Performance abgestraft worden; Die SPÖ, zerrissen von Flügelk(r)ämpfen, konnte von dieser Situation nicht profitieren, stagniert und rutscht im Ranking immer weiter ab; die Wahlgewinner sind die FPÖ von Herbert Kickl, die zur stärksten Kraft im Lande wurde, und in viel geringerem Ausmaß die Liberalen (NEOS). Alle eint, dass sie in die Regierung wollen – auf Teufel komm raus!
Es gab auch Kleinparteien, die wieder einmal versuchten ins Parlament einzuziehen. Sie haben es allesamt nicht geschafft. Es ist nicht wert zumindest über dreien der vier ein Wort zu verlieren. Interessant ist lediglich, dass die KPÖ, Shooting Star bei einigen Regionalwahlen, weit hinter der vier Prozent Hürde blieb, deren Erreichen den Einzug in die heiligen Hallen der bürgerlichen Demokratie bedeutet hätte. Die Chancen wären nicht so schlecht gestanden: Stimmen aus dem Sozialdemokratischen-, Grünen- und Nichtwählerbereich wären für sie abholbereit gewesen. Die Hoffnung lebte, doch sie blieb unerfüllt. Die Attraktivität der KPÖ lebte von den jungen Grünen, die zur KP wechselten und diesen Untoten mit jugendlichem Elan und engagierter Sozialarbeit zu neuem Lebenselixier verhalfen. Es reichten diese Ingredienzen zu Erfolgen auf regionaler Ebene, auf nationaler Ebene genügte es nicht die äußerst negativ besetzten materiellen und idiologischen Verbindungsstränge, die diese Partei zum „real existierenden Sozialismus“ hatte und noch immer nicht kappen kann, vergessen zu machen. Jugendlicher Enthusiasmus und engagierte Sozialpolitik tut diesem Land sicherlich gut, es reicht aber bei weitem nicht aus in Richtungsentscheidungen eingreifen zu können. Doch die zu erwartenden Entwicklungen in Österreich könnten der KPÖ neue Möglichkeiten eröffnen, die da wären:
Es kommt zu einer Dreierkoalition mit ÖVP, SPÖ und einer kleinen dritten Partei. Ein wahrscheinlicher Mehrheitsflügel in SPÖ drängt konsequent in diese Richtung und entzieht dem „linken“ Vorsitzenden Babler für den Fall, dass er nicht mitspielt, zunehmend die Unterstützung. Babler, Keynesianist a la Bruno Kreisky, rückt zunehmend in Richtung Monetarismus, um so die versprochene Brandmauer gegen die FPÖ sein zu können und weil er nur so koalitionsfähig mit der ÖVP werden kann. Viele auch im linken Lager würden diese Entwicklung begrüßen nur um die FPÖ von den politischen Machthebeln fernzuhalten.
Die Meinung, dass mit der FPÖ an der Macht das politische Klima in diesem Lande unerträglich wird, ist im sogenannten fortschrittlichen Lager weit verbreitet, die Bereitschaft vieles zu tun um das zu verhindern auch. Das ist natürlich gut so. Dass die Alternativen nicht wirklich qualitativ besser sind wird dabei oft vergessen. Die zivile Gesellschaft wird daher zum Steigbügelhalter des jetzigen und nach ihren Wünschen auch zukünftigen Regimes. Schwer nicht zu begreifen, dass diese Situation den sogenannten Extremen zu Gute kommt. Was die Extreme betrifft, da gibt es gegenwärtig nur die FPÖ. Und die KPÖ sich hier als eine Partei des anderen, des entgegengesetzten Extremes – hier des Antikapitalismus und der sozialen Revolution – vorzustellen, das geht nicht mit der Realität zusammen.
Die Gewerkschaftsapparate stehen zur Konstellation ÖVP/SPÖ und eine dritte kleinere Partei. Die lohnabhängige Bevölkerung spielt hier als kollektive Kraft keine Rolle, ihr fehlt in weiten Teilen die Identität ArbeiterInnenklasse zu sein. Diese Zerrissenheit der ArbeiterInnenklasse in unzählige Identitäten hat ihre Kollektivität zerstört und es ermöglicht, dass die einzelnen Teile in ihrer Selbstwahrnehmung schwach und extrem gefährdet erscheinen. In so einer Situation Schutz zu suchen ist ein natürlicher Reflex, wenn in Ermangelung von Alternativen nichts Besseres da ist, als ein starker Mann, dann schreckt mensch auch davor nicht zurück. Dieser ernüchternde Befund heißt aber nicht jetzt in Passivität und Verzweiflung sich zu ergehen. Im Gegenteil: es gibt sehr vieles zu tun abseits des parlamentarischen Ränkespieles.
(Hervorhebungen im Text durch DW)