Unser Jour Fixe am 4.12.24 zum Thema: Als Teil der Energiewende – Energiewunder Wasserstoff?

Unser Jour Fixe am 4.12.24 zum Thema:
Als Teil der Energiewende – Energiewunder Wasserstoff? Referent Klaus Meier
ist Anlaß für eine Diskussion innerhalb vom Jour Fixe. Eine Beteiligung würde uns freuen!
https://gewerkschaftslinke.hamburg/event/jour-fixe-231/
Hier ein Text von Klaus Meier:
https://netzwerk-oekosozialismus.de/wasserstoff-moeglichkeiten-und-grenzen/

Kurzbericht vom 231. Jour Fixe am 4.12.2024 von R.Z.:
Vortrag von Klaus Meier zum Thema: Was kann Wasserstoff zur Energiewende beitragen?
Theoretisch kann Wasserstoff bei energieintensiven Industrien sinnvoll eingesetzt werden: Stahl-, Chemie-, Glas-, Papierindustrie usw. Möglich wäre ebenfalls, schwere LKW oder Flugzeuge zu betreiben. Allerdings sind die Ergebnisse bisher sehr bescheiden. Es ist unklar, wie die dafür benötigten Mengen beschafft werden können. Das hängt damit zusammen, dass Wasserstoff ein problematischer Stoff ist. Die Herstellung erfordert hohe Energiemengen (deshalb sind sonnenreiche Länder im Spiel) wobei aber häufig das benötigte Wasser fehlt. Das müsste aus den Meeren entnommen und aufwändig entsalzt werden. Das größte Problem stellt der Transport dar: die Verflüssigung von Wasserstoff geht erst ab -252 Grad. Andere Möglichkeiten sind die Umwandlung in Ammoniak oder Benzol. Die dafür erforderlichen Anlagen sind aufwändig und der Energieverlust ist beträchtlich und entsteht nochmals bei der Rückwandlung zu Wasserstoff. Diese Prozesse sind teuer.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass es noch überhaupt nicht ausreichenden Transportkapazitäten gibt.
Deshalb hat z.B. Thyssen-Krupp trotz der von Habeck zugesagten 1,2 Milliarden Euro das Projekt auf Eis gelegt. Für die Industrie (das Kapital) ist es lukrativer, die Produktion in Länder mit geringeren Energiekosten zu verlegen.
Klaus plädiert für die Reduzierung von Autos, Verpackung usw., da dadurch viel Energie gespart werden kann.
Eine Gegenposition von Fritz Vahrenholt füge ich hier an:
https://klimanachrichten.de/2024/08/06/fritz-vahrenholt-das-deindustrialisierungskonzept-des-robert-h/

Die anschließende Diskussion zu dem Thema:

Am 05.12.2024 um 11:47 schrieb H. L.:
Was ich von dem Gespräch mitnehme:
a)    Auf der einen Seite stehen die technokratischen Visionen eines grünen Bürgertums. Ich habe dabei nichts gegen Technik und gegen technologische Entwicklungen und Experimente. Die Holzbauweise z.B. gefällt mir, ein gut ausgebauter ÖPNV ebenfalls.
Wie ich gestern schon versucht habe, zu sagen: Aus meiner Sicht geht es in erster Linie um gesellschaftliche Probleme, nicht um technische. Wenn ich technische Lösungen für gesellschaftliche Probleme suche, löse ich nichts, sondern verschiebe oder verschärfe ich sie sogar.
Was heißt das? Warum hat bspw. der Verkehr so ausufernd zugenommen? Ein wesentlicher Teil davon hängt mit den Strukturen der Arbeit zusammen. Der Drang der Unternehmen, die Arbeitsprozesse zu zerlegen, auszulagern und Arbeiter und Arbeiterinnen in Konkurrenz zueinander zu bringen, erzeugt auf der einen Seite Güterverkehr. Auf der anderen Seite wird auch die Arbeit zwangsweise mobiler. Statt eines Gemeindepflegers, der im Stadtteil hilfsbedürftige Menschen mit dem Fahrrad besucht, fahren x Angestellte privater Pflegedienste mit dem Auto kreuz und quer durch die Stadt. Hausmeisterdienste, Handwerkerdienste, Garten- und Landschaftsbauer usw. usf. – die Stadt ist voll mit Firmenwagen.
Dann wird die staatliche Infrastruktur zentralisiert, teilweise privatisiert und die Privatanbieter in Konkurrenz gesetzt: z.B. KiTas, Schulen und Bildungseinrichtungen. Beides verlängert die Wege und erzeugt Verkehr.
Die Wege von Pendlern werden immer länger; auch die Managerklasse fährt und fliegt immer weiter, um ihre verteilten Arbeitsorte unter Kontrolle zu halten. Solange das so bleibt, ist die Frage, welchen Antrieb die Fahr- und Flugzeuge haben, nachrangig.
In der Gelbwestenbewegung, die sich ja an der Frage der Dieselbesteuerung entzündeten, haben sich Menschen über diese Struktur der Arbeitsgesellschaft auseinandergesetzt. Das ist mir wesentlich näher, als über die Art der Antriebe zu diskutieren.
Bleibe ich bei technologischen Fragen und suche nach neuen Formen des Antriebes, ändere ich gar nichts, sondern erzeuge neue Zerstörungen:
Um bei der „Klima-„ / „CO²- Problematik“ und der Energiefrage zu bleiben:
„Biomasse“ = massenhafter Anbau von Nahrungsmitteln in Monokultur und unter hohem Pestizid- und Düngereinsatz;
„Windenergie“ = massenhafter Einsatz unter hohem Ressourceneinsatz; gigantische Stahlbetonfundamente, die Grundwasserschichten durchbrechen; hoher Materialabrieb an den Rotoren (ca. 25% des Materials der Rotoren wird durch die enormen Geschwindigkeiten von bis zu 400 km/h an den Außenrändern abgerieben; Kohle- und Glasfaser (Wirkung wie Asbest); Zuwegung für Schwerlastkräne etc. müssen dauerhaft gebaut werden. Ungeklärte Entsorgung. Zwei Prozent der Landesfläche sollen für Windräder freigegeben werden!
„Sonnenenergie“ = hoher Energie- und Materialeinsatz bei der Herstellung und später beim Recycling. Je höher der Wirkungsgrad sein soll, desto mehr spezielle Materialien (die wiederum unter hohem Einsatz gewonnen werden müssen) werden benötigt und desto aufwändiger sind die Herstellungsverfahren. Ungeklärte Entsorgung / Recycling. Großflächige Versiegelung der Landschaft
„Wasserstoff“ = die Verfahren zur Wasseraufbereitung sind enorm energie- und ressourcenaufwändig. Für einen Liter Reinstwasser für die Elektrolyse hat man hunderte Liter Abwässer, vor allem Salzsole, aber auch verschiedenste Chemikalien, Desinfektionsmittel, konzentrierte Säuren und Laugen als Reinigungschemikalien usw. Wo gehen die Abwässer hin? In die Flüsse oder ins Meer. In den Golfstaaten und in Kalifornien ist die Verunreinigung der Meere aufgrund der vielen Meerwasserentsalzungsanlagen schon ein wahrgenommenes Umweltproblem.
Steuerungstechnik bei einer Stromversorgung mit sehr wechselhaften Energiequellen: Ein Stromnetz, das auf stark schwankenden Energiequellen beruht, muss notwendigerweise elektronisch kontrolliert und automatisch geregelt werden. Die „Kontrollgesellschaft“ ist mit der „Grünen Energiewende“ unlösbar verknüpft.
b)   Die ideologische Verknüpfung von Umweltproblemen und „Lebensweise“.
„Lebensweise“ = „Kultur“. Ja, die (Konsum-)Kultur dieser Gesellschaft ist nicht schön und zu kritisieren. Aber Kulturkritik ist nicht gleich Gesellschaftskritik. Der Grüne sagt demjenigen, der ein Jahr schuftet und sich auf Malle erholen will, „du machst den Planeten kaputt – zu hause ist es auch schön!“.
Wir hingegen sollten vertreten, „die Gesellschaft macht dich kaputt, so dass du genötigt wirst, den Planeten kaputt zu machen!“
Begrifflichkeiten wie „imperiale Lebensweise“ oder „versoffene Bürger“ hat in meinen Augen schon etwas stark Verachtendes…
c)    Daraus folgend gefällt mir die Argumentation für eine Arbeitszeitverkürzung im Tausch für eine Verdichtung der Arbeit nicht besonders gut. Das ist genau die Falle, in die Anfang der 80er viele Gewerkschafter bei der 35-Stundenwoche getappt sind. Ein bisschen weniger bezahlte Arbeitszeit, dafür den doppelten Stress. Wäre es nicht besser, die Arbeitsbedingungen zu kritisieren?
d)    Die Debatte um „Konversion“: Ich verstehe durchaus den Reiz, der darin liegt, sich für bessere und sinnvollere Produkte einzusetzen und damit „Arbeitsplätze“, sprich, Lohn zu sichern und dem Unternehmer Profite. Kann man machen, aber der Preis ist, dass man das Spiel mitmacht, dem Kapitalismus wieder neues Leben einzuhauchen, den Glauben einer Mittelschicht an eine neue grüne und nachhaltige Ausbeutung zu stärken.
e)    Die Thematisierung von Krieg und Rüstung fand ich gut.

DW an HL vom 6.12.:
Ich will nur zum Punkt d) dir antworten. du schreibst:   Die Debatte um „Konversion“: Ich verstehe durchaus den Reiz, der darin liegt, sich für bessere und sinnvollere Produkte einzusetzen und damit „Arbeitsplätze“, sprich, Lohn zu sichern und dem Unternehmer Profite. Kann man machen, aber der Preis ist, dass man das Spiel mitmacht, dem Kapitalismus wieder neues Leben einzuhauchen, den Glauben einer Mittelschicht an eine neue grüne und nachhaltige Ausbeutung zu stärken.
Ich sehe die Debatte um Konversion und dann die Realisierung der Konversion sehr positiv. ein Beispiel sind jetzt die geplanten Schließungen von drei VW-Werken. ein Lösungsweg für kämpferische GewerkschafterInnen und Gewerkschaften wäre es jetzt, diese bedrohten Werke zu besetzen und eine alternative Produktion zu fordern und umzusetzen! Diese kämpferischen KollegInnen geraten dann allerdings in Gegensatz a) zur Firmenleitung, b) zur IGM, c) zum Land Niedersachsen und zur Bundesregierung.
Aber sie hätten wohl einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich, nicht nur in den bedrohten Standorten.
Hirse (VW-Arbeiter in Braunschweig) hat ja schon in den letzten Jahren vorgearbeitet. Er schreibt, daß er ca ein drittel der KollegInnen hinter sich hat, die voll mit ihm übereinstimmen, sinnvolle Produkte für den öffentl. Verkehr herzustellen. die KollegInnen müßten dazu VW enteignen und beim gegnerischen Staat eine Anschubfinanzierung durchsetzen. Angebracht wäre die Genossenschaft als Realisierungform, in der nicht nur die ArbeiterInnen sich einbringen sondern auch Klimakämpfer, GewerkschafterInnen und andere Bürger sich einbringen könnten.
Diese Besetzung bei VW könnte die Initialzündung sein für Belegschaften aus tausenden Betrieben, die geschlossen wurden und noch werden, weil sie wegen zu hoher energiekosten (statt preiswertem Gas und Öl aus Rußland teures LNG aus den USA!) nach USA und China oder Osteuropa abwandern.
Durch Betriebsbesetzungen und Konversion könnten KollegInnen/GewerkschafterInnen sich als politisch-gewerkschaftliche Menschen neu schaffen, vom zahlenden, passiven Mitglied, das bei bedarf vom Gewerkschaftsvorstand zu Aktionen aufgefordert wird zur Unterstützung bei Tarifauseinandersetzungen zum aktiven, selbstbewußten, verantwortungsvollen Gewerkschafter!
Mit Betriebsbesetzungen und Konversion haucht man dem Kapitalismus eben nicht neues Leben ein – wie du, H. Befürchtest-, sondern in einigen Bereichen (Genossenschaften) das Leben aus. Es sind Schritte des Kampfes, die Vorbild sind für andere bedrohte Betriebe. Die Alternative dazu ist, daß die IGM mit viele Getöse Sozialpläne „erkämpft“. also die weitere Lähmung der Arbeiterklasse. Mit der Folge von Resignation und Selbstaufgabe.
DW

Literaturhinweis:
Rainer Thomann: Betriebsbesetzungen – als wirksame Waffe im gewerkschaftlichen Kampf. Eine Studie aktueller Beispiele (von 2010). 140 Seiten. 5 Euro.
Texte zu Officine in Bellinzona, Borregaard-Attisholz bei Solothurn, INNSE Mailand, IVECO Sussara, Holcim Torredonjimeno.
Mit Interviews und Texten von Rainer Thomann.
Zu beziehen über Jour Fixe: jourfixe.hh@t-online.de

Antwort von H.L an DW vom 7.12.:
Lieber D., eine kühne Prognose!? Steht der von mir wahrgenommenen Stimmung im Lande etwas entgegen, aber wer weiß, was noch kommt!
Wie seht ihr eigentlich die Möglichkeit, dass schon sehr bald hier der Notstand ausgerufen wird? Außenpolitisch wird weiter ekaliert; innerhalb der EU werden alle Kräfte, die der Politik der EU- Kommission zuwiderlaufen, um jeden Preis von der Macht ferngehalten (die offensichtliche Manipulation der Wahl in Moldawien; in Rumänien wurde die Wahl kurzerhand annulliert; in Georgien wird angesichts des ungewünschten Wahlausgangs ein Putsch betrieben; in Frankreich wird versucht, die prominenten Vertreter des FN als größte Partei unter fadenscheinigen Vorwänden aus dem Verkehr zu ziehen und Macron wird unter Entmachtung des Parlamentes weiterregieren; in Deutschland das Spiel, die AfD abseits zu stellen, notfalls zu verbieten usw.). Erwähnen könnte man noch das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Fico, von dem man hierzulande nicht mehr reden will. Weiter weg im Westen der Testballon in Südkorea, das Kriegsrecht auszurufen (mit Sicherheit nicht ohne Wissen der Biden- Regierung).
Das eine ist eine Politik, die Länder parlamentarisch unregierbar zu machen. Das andere sind der bevorstehende soziale Kahlschlag plus Massenentlassungen. Wenn es an der Stelle zu Unruhen kommen sollte – ob in der Art, wie du das vorhersagst, D., oder in anderer Form – dann ist der Punkt erreicht, wo die Karte Notstand gezogen werden wird. Befürchte ich zumindest so.
In Korea ist die Erinnerung an die Militärdiktatur noch präsent, deshalb hat es dort Massenwiderstand gegeben. Aber bei uns? Wie sieht es da aus? Sind wir in irgendeiner Weise darauf vorbereitet?
H. L.

Liebe TeilnehmerInnen des Jour Fixe mit Klaus Meier, liebe LeserInnen des Jour Fixe Info,
eine Teilnahme an dieser Diskussion ist sehr willkommen!

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