Der Appell des palästinensischen Hafenarbeiters Mohammed Alattar an seine Kollegen im Hamburger Hafen

Liebe Kollegen!
Wie soll ich in zehn Jahren meinem Sohn die Frage beantworten, ob mein Leid gesehen wurde. Wurde es ignoriert und nicht gesehen? Ich hätte keine Antwort außer, daß ich ein Jahr mit meinem Schmerz allein war.
Mein Bruder wurde im Alter von 33 Jahren in Gaza ermordet. Ich habe 80 Personen meiner Familie verloren und 180 Freunde und Bekannte.
Unser Haus liegt in Trümmern, meine Familienmitglieder leben in Zelten, eingesperrt in Gaza und abgeschnitten von allem was Leben ausmacht.

Ihr seht jeden Tag das Leid in meinen Augen, denn auch ich habe 90 Prozent meines Lebens verloren.
Seit ich 2019 meine Ausbildung im Hafen anfing, ist der Hafen für mich ein Symbol, eine Ader zum Leben. Hafenarbeit hat für mich also eine symbolische Bedeutung.

Aber wie wird das Thema Palästina im Hafen diskutiert? Es wird gar nicht diskutiert.
Viele wollen es einfach nicht sehen.
Oft war ich krank davon und extrem belastet bei der Arbeit.
Habe auch ich Waffen verladen, mit denen meine Familie angegriffen worden ist oder noch wird?
Ich vermute: Ja. Denn wir als Hafenarbeiter dürfen es nicht wissen und werden deshalb unwissentlich zu Mittätern gemacht.
Ohne uns gäbe es keine Waffenlieferungen aus dem Hafen nach Israel.

Die böse Ignoranz der Medien verursacht eine Erstarrung in meinem Herzen. Wie böse kann man sein, so falsch zu berichten?
In Gaza wäre ich vielleicht einer der 50.000 Toten.
Wie viele Kinderleichen in meinem Leben habe ich selbst getragen, bevor ich mein Leben hier weiterlebte?

Wir als Palästinenser werden als Volk nicht sterben und wir werden nicht vergessen.
Tut es euch und der nächsten Generation nicht an!
Noch könnt ihr euch richtig dazu verhalten und auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Nie wieder ist jetzt und das gilt für alle!
Wir wissen doch was Faschismus ist. Wollen wir das was Israel macht unterstützen? Möglicherweise das größte Verbrechen unserer Zeit.

Wenn alle schweigen, wie können wir das Töten stoppen? Wann wacht ihr auf?
Wie viele müssen noch sterben, bevor die Gewerkschaft sich dagegen ausspricht?
Warum sind wir hier? Wir sind hier, um füreinander da zu sein, Empathie zu empfinden.
Das macht uns zu Menschen, nicht nur die Arbeit.
Euer Mo

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