Nach dem Willen des Lübecker DGB-Vorstandes: Diese Gewerkschaften sind keine mehr
Wir kämpfen für Gewerkschaften als Klassenkampforgane!
Von Alwin Altenwald
Die Kollegin Susanne Knütter brachte in der Jungen Welt den Artikel:
DGB für »Verteidigungsfähigkeit«
https://www.jungewelt.de/artikel/498674.ostermarscherkl%C3%A4rung-mit-folgen.html
Sie nennt die Punkte des DGB-Vorstandes Lübeck „Gesinnungsliste“ die dieser den Bewerbern für Infostände des Maifestes zur Auflage macht. Hier die vollständige Liste:
„Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass wir nur Infostände auf unserem Maifest begrüßen, die sich mit unseren Werten und Positionen identifizieren.
Genannt seien hier insbesondere die Stichpunkte:
a)Uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine – wir erkennen W. Putin als alleinigen Aggressor
b)Bekenntnis zu Europa und zur NATO-Mitgliedschaft
c)Bekenntnis zur Richtigkeit des Sondervermögens, um in die Zukunft zu investieren
d)Existenzrecht Israels und Solidarität mit den zivilen Opfern der kriegerischen Auseinandersetzung im Gaza-Streifen (*)
e)Hände weg vom Recht auf Asyl
f)Bekenntnis zu den aktuellen, gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen
g)Gleichbehandlung aller Menschen, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität
Wir freuen uns auf eure Rückmeldung und stehen für weitere Rücksprache sehr gern zur Verfügung!
Für die Lübecker Gewerkschaften im DGB
Melanie Meyer“
(*) Es ist kein Zufall, daß der Völkermord der Israelischen Regierung mit keinem Wort erwähnt wird!
Die Punkte a) bis c) sind konträr zu unseren Auffassungen. Diese Auffassungen des Lübecker DGB-Vorstandes entsprechen denen des Kapitals, der Nato und Kriegshetzer und dürften sich mit denen vieler anderer Vorstände von DGB-Gewerkschaften decken.
Erstaunlich ist aber: Im zentralen 1. Mai-Aufruf des DGB kommen die Punkte aus der Lübecker Gesinnungsliste nicht vor: https://www.dgb.de/mitmachen/erster-mai/
Auch nicht im Hamburger 1. Mai-Aufruf: https://hamburg.dgb.de/veranstaltungen/++co++ebae5f04-ff34-11ef-a8a0-ab17febb76ca
Aber der Lübecker DGB-Vorstand tanzt politisch mit seinen Aussagen nur scheinbar aus der Reihe, sagt nur aus, was andere DGB-Vorstände denken. War er als Testballon gedacht? Und die anderen warten ab, was in Lübeck passiert? Sie bringen dieses Jahr (noch) kurze, übliche Aufrufe, mit denen sie nicht anecken können.
Sie übernehmen die Parole der SPD. (Ex-)Kanzler Scholz hatte sie schon im Bundestagswahlkampf ausprobiert:
Butter UND Kanonen!
Viele GewerkschaftskollegInnen mögen wenig Klassenbewußtsein haben. Aber ihr gesunder Menschenverstand und ihre Lebenserfahrung sagen ihnen: Beides geht nicht! Sie wissen, daß das Geld für Kanonen von ihnen aufgebracht werden wird und nicht von den Reichen!
Die DGB-Gewerkschaften haben die Gewerkschaften schon vor langem zu Sozialpartnern des Kapitals erklärt. Mit diesem Anspruch agieren sie. Aber beides geht nicht: Man kann nur Partner der Mitglieder oder Partner des Kapitals sein. Die Masse der Mitglieder hat gegen die Ideologie „ihrer“ Vorstände nicht aufbegehrt – hatten sie doch Jahrzehnte auch davon profitiert.
Damit ist es nun vorbei. Die Billionensumme für die Aufrüstung wird von den Lohnabhängigen, ihren Kindern und Enkeln abzuzahlen sein.
Das Jahr 2025 wird als Besonderes in die Geschichte der Arbeiterbewegung eingehen. Als Jahr der Lastenabwälzung auf das Proletariat und der Desillusionierung. Eine Desillusionierung über die DGB-Gewerkschaftsführungen und die SPD. Und 2025 ist ein Jahr der Zuspitzungen der Sozialpartnerschaft, vier Beispiele dazu:
a)Verdi stimmte in einem Tarifvertrag der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mehr als 40 Stunden zu. 1918 wurde die 40 Stundenwoche erkämpft, jetzt geht es rückwärts.
b)Im selben Tarifvertrag stimmte Verdi einem Passus zu, der bei Auszubildenden und Studierenden »Verfassungstreue« zur Bedingung für eine Übernahme ins Arbeitsverhältnis macht! In den 70er und 80er Jahren mußte der Arbeit“geber“ noch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz machen. Das erspart er sich – dank Verdi!
c)Der DGB-Vorstand Lübeck stellt eine Gesinnungsliste auf, bevor er die Erlaubnis zu einem Stand auf „seiner“ 1. Mai-Feier erteilt.
d)Die IG Metall Görlitz unterstützt, daß der traditionsreiche Waggonbau zugunsten der Panzerproduktion eingestellt wird.
Der Lübecker Aufruf ist ein Angriff auf den Gewerkschaftsursprung, den Zweck von Gewerkschaften. Falls sich diese Haltung des DGB-Vorstandes und des Lübecker DGB-Vorstandes durchsetzen würde, sind diese Gewerkschaften keine mehr. Sie haben sich demaskiert als Organisation voll auf Kriegskurs, für den Völkermord in Gaza, für die aggressive Nato-Politik, für eine Kriegswirtschaft mit Kriegskrediten gegen die Beschäftigten.
Karl Liebknecht sagte vor genau 110 Jahren: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Vielleicht würde er heute hinzufügen: … und im eigenen Lager!
Man werfe einen Blick zurück ins Jahr 1949, auf den Gründungskongreß des DGB. Zum Punkt „Gesellschafts- und Wirtschaftsmacht“ beschloß der Kongreß vier Grundsatzforderungen:
1.)Eine Wirtschaftspolitik, die unter Wahrung der Würde freier Menschen die volle Beschäftigung aller Arbeitswilligen, den zweckmäßigen Einsatz aller volkswirtschaftlichen Produktivitätskräfte und die Deckung des volkswirtschaftlich wichtigsten Bedarfs sichert.
2.)Mitbestimmung der organisierten Arbeitnehmer in allen personellen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Wirtschaftsführung und Wirtschaftsgestaltung.
3)Überführung der Schlüsselindustrien in Gemeineigentum, insbesondere des Bergbaus, der Eisen- und Stahlindustrie, der Großchemie, der Energiewirtschaft, der wichtigen Verkehrseinrichtungen und der Kreditinstitute.
4)Soziale Gerechtigkeit durch angemessene Beteiligung aller Werktätigen am volkswirtschaftlichen Gesamtertrag und Gewährung eines ausreichenden Lebensunterhaltes für die infolge Alter, Invalidität oder Krankheit nicht mehr Arbeitsfähigen.
Da blickt einem noch eine andere, selbstbewußte Gewerkschaftswelt entgegen. Einer der Hauptakteure damals war Viktor Agartz, der beliebteste und einflußreichste Gewerkschaftsführer. Er trat ein für eine „Neue Wirtschaftsordnung“, gegen Sozialpartnerschaft, für ein neutrales Deutschland, gegen Westbindung. Er wurde durch Adenauer politisch tot gemacht, indem er gegen Agartz einen Hoch- und Landesverratsprozeß inszenierte. Agartz gewann zwar das Verfahren, verteidigt durch Gustav Heinemann (späterer Bundespräsident) und Diether Posser, war danach aber weitgehend politisch wirkungslos. Er war in den Vorständen des DGB und der SPD, diese schlossen ihn aus ihren Organisationen aus!
Durch die Ausschaltung von Agartz war für den DGB der Weg der Sozialpartnerschaft und der Westbindung frei. Die Endstation dieses Weges sehen wir heute. Von den Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften wählen die meisten AfD. Die AfD als Arbeiterpartei! Da die Arbeiter keine linke Kraft sehen, an der sie andocken könnten, begeben sie sich auf den Irrweg zur AfD. Um ihren dumpfen Protest gegen das System loszuwerden.
Und wir?
Nein, wir „bekennen uns nicht zu Europa und zur NATO-Mitgliedschaft“ (Pkt. b), wie es der DGB-Vorstand Lübeck fordert, wir sind für ein „Raus aus der Nato!“, gegen die Westbindung, für Neutralität und Blockfreiheit Deutschlands und Europas, für eine ökononomische, soziale und kulturelle Annäherung an Eurasien.
Aber für die Offenheit muß man der DGB-Führung und allen Apologeten dankbar sein. Diese DGB-Führungen sind unsere politischen Gegner. Und wenn wir mit KollegInnen reden, können wir unsere Kritik schwarz auf weiß belegen!
Dieser Aufruf ist undemokratisch und unverschämt. Wir kennen Lübecker KollegInnen. Ihnen wird ein Sermon übergestülpt, der ihnen in keiner Weise entspricht!
Was können wir tun?
Frau Melanie Meyer schreibt: „Wir freuen uns auf eure Rückmeldung und stehen für weitere Rücksprache sehr gern zur Verfügung!“
Diesen Gefallen sollten wir ihr tun und sie als sofortige Reaktion anschreiben.
Ihre Adressse:
melanie.meyer@dgb.de
https://sh-suedost.dgb.de/uber-uns/organisation-struktur/mitarbeiterinnen
Aber als dauerhafte Reaktion sollten wir über unsere bisherige Vernetzung hinauskommen!
Wir müssen uns zu einer wirksamen Gewerkschaftsopposition formieren! Streiten gegen die Kriegsertüchtiger und Aufrüster in den eigenen Reihen, die KollegInnen einbeziehend. Eine klassenkämpferische Opposition, die nicht wie die Gewerkschaftsführungen kapituliert vor den „Sachzwängen“ des Kapitals sondern vertraut auf den Widerstandswillen und Kampfkraft der Belegschaften. Die das Ziel hat, die Ursache des Übels, den Kapitalismus zu überwinden.
Weitere Infos:
Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden: DGB auf Kriegskurs: WIR WIDERSPRECHEN!
https://www.change.org/p/sagt-nein-gewerkschafter-innen-gegen-krieg-militarismus-und-burgfrieden/u/33443270
Erklärung des DGB zu den Ostermärschen 2025
https://duesseldorf-bergisch-land.dgb.de/++co++d508cd4e-16b7-11f0-8ef2-e32598536ce3