Von Alwin Altenwald
Wie reagiert die Gesamtlinke rund um den 1. Mai, angesichts der politischen Situation wie sie sich in der Arbeiterbewegung zeigt?
Angesichts dessen, daß verdi einen Tarifabschluß macht, mit Arbeitszeitverlängerung und daß Azubis nur bei „Verfassungstreue“ übernommen werden, die IG Metall Görlitz für Konversion pervers, für Umwandlung von Waggonbau auf Panzerbau ist? Unf der Lübecker DGB-Vorstand für die Beteiligung von Ständen auf dem Maifest eine Gesinnungsprüfung einführt, Bedingung: Der Regierungspolitik folgsam zu sein.
Machen wir weiter wie bisher?: Kritische Gewerkschaftsarbeit. Und ordnen das Verhalten von verdi, IGM Görlitz und DGB Lübeck als Ausrutscher ein nach dem Motto: Es gab ja schon immer ein paar Schwarze Schafe in den Gewerkschaften.
Oder erkennen die Zeichen der Zeit, daß es keine Ausrutscher sind sondern den Zustand der DGB-Gewerkschaften wieder geben?
Falls letzteres der Fall ist, müssen wir Alarm schlagen.
Alarm schlagen, um Konsequenzen für unsere Praxis zu ziehen.
Fangen wir bei der Betrachtung des Zustandes der Gewerkschafen beim Lübecker Beispiel an. Das bürgerliche Blättchen „Lübecker Nachrichten“ schrieb dazu:
Lübecker Maifest: DKP wegen Haltung zu Putin ausgeladen
https://www.ln-online.de/lokales/luebeck/luebeck-kommunisten-beim-mai-fest-des-dgb-nicht-willkommen-PYWENTGNCBDF5ICYL6EPLZPZKA.html
(Hinter Bezahlschranke)
Und die UZ (Unsere Zeit von der DKP) schrieb:
Friedenslosungen waren am 1. Mai nicht mehr zu übersehen – ein Streifzug: Runter mit der Rüstung!
Von Wera Richter
… Unglaubliches aus Lübeck
In Lübeck musste die DKP ihren Infostand beim Maifest des DGB in diesem Jahr gerichtlich durchsetzen. Der DGB hatte die Kommunisten ausgeladen – wegen „unüberbrückbarer Differenzen“. In einem Brief an zahlreiche Organisationen hatte der DGB darauf hingewiesen, dass Stände nur an diejenigen vergeben werden können, „die sich mit unseren Werten und Positionen identifizieren“. Der Katalog, der da präsentiert wurde, hatte allerdings mit Grundwerten von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern nichts gemein, sondern las sich eher wie eine Solidaritätserklärung mit der neuen Bundesregierung…
https://www.unsere-zeit.de/runter-mit-der-ruestung-4802953/
Nachdem die UZ allgemein über den Verlauf des DGB berichtet und auf etliche Orte eingeht, schreibt sie am Schluß: „Unglaubliches aus Lübeck“. Da kann man nur sagen: Unglaublich! Das politisch Wesentliche wird verschämt nebenbei erwähnt. Wohl, weil einige aus der DKB, wie seit Mai 1968, ihrer Gründung, immer noch auf Kuschelkurs mit den Vorständen der DGB-Gewerkschaften sind!
Während bürgerliche Medien wie die Lübecker Nachrichten den Ausschluß der DKP vom Maifest aufgreifen und etliche linke Medien das Verhalten des Lübecker DGB-Vorstandes als ein prägnantes Beispiel für das totale Einschwenken des DGB-Bundesvorstandes aufzeigen, faselt die UZ was von „Unglaubliches aus Lübeck“.
Weitere Beispiele, die Wera Richter von der UZ alle kennt, sind:
a)Verdi stimmte in einem Tarifvertrag der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mehr als 40 Stunden zu. 1918 wurde die 40 Stundenwoche erkämpft, jetzt geht es rückwärts.
b)Im selben Tarifvertrag stimmte Verdi einem Passus zu, der bei Auszubildenden und Studierenden »Verfassungstreue« zur Bedingung für eine Übernahme ins Arbeitsverhältnis macht! In den 70er und 80er Jahren mußte der Arbeit“geber“ noch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz machen. Das erspart er sich – dank Verdi!
c)Die IG Metall Görlitz unterstützt, daß der traditionsreiche Waggonbau zugunsten der Panzerproduktion eingestellt wird.
Dabei war DKP dasselbe schon mal vor neun Jahren am 1. Mai durch den DGB-Vorstand in Lübeck passiert: https://www.rf-news.de/2016/kw18/luebeck-breite-proteste-gegen-den-ausschluss-von-mlpd-und-dkp-vom-maifest-des-dgb
Aber die DKP, zumindest bei einigen Artikelschreibern, ist im Harmonie-Kurs zum DGB und „bloß nicht anecken-Kurs“. Es ist zu hoffen, daß jüngere Genossen, die zur SDAJ stoßen, lernfähiger und kritischer sind.
Ich habe wenig Anzeichen für Alarmschlagen entdeckt in linken Medien, auf linken Veranstaltungen, höchstens Enttäuschung und Empörung über die DGB-Vorstände.
Am Wochenende fand in Berlin eine Streikkonferenz statt, mit 2.000 Gewerkschaftsaktiven, das größe Treffen dieser Art. In Berichten darüber habe ich von Alarm- oder Aufbruchstimmung nichts bemerkt!
Gewerkschafter auf der Streikkonferenz: „Der Gegner wird aggressiver und cleverer“
Interview: Raul Zelik mit Anja Voigt (ver.di) und Michael Ehrhardt (IG Metall)
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/gewerkschafter-der-gegner-wird-aggressiver-und-cleverer/
Den Angriffen trotzen
https://www.jungewelt.de/artikel/499858.streikkonferenz-den-angriffen-trotzen.html
Noch eine Nachbemerkung zur Streikkonferenz. Es gibt sie seit 12 Jahren und es ist die Sechste. Es ist ihr Anspruch, für kämpferische Streiks zu plädieren, nicht nur für Ritualstreiks oder für derartige, um Mitglieder zu werben. Dieser Anspruch ist zu unterstützen! Aber wenn der Anspruch ist, die Gewerkschaften zu erneuern, wie kann auf diesen Streikkonferenzen dann darauf verzichtet werden, die Gewerkschaftsführungen und Teile des Apparates anzugreifen, weil sie auf die Seite des Klassengegners, Kapital und Regierung, gewechselt sind?! Nur gedämpfte Kritik und das Unterlassen des Alarmschlagens sind unverzeihbare Fehler.
Und wenn über 2.000 gewerkschaftliche AktivistInnen zusammen gekommen sind, warum gründet sich kein Netzwerk oppositioneller GewerkschafterInnen?! Mit dem Ziel der Konfrontatition zu den Gewerkschaftsspitzen und der Organisierung von KollegInnen in den Betrieben und Gründung von Betriebsgruppen.
Falls solche Gelegenheiten wie die Streikkonferenz nicht genutzt werden für Organisierung und Kampf unterscheidet diese nichts vom evangelischen Kirchentag: Den richtigen Glauben haben, eine gerechtere Welt wollen und auf der richtigen Seite, der Guten, zu stehen.
Aber Alarmschlagen ist die Bedingung für das Entstehen einer Bewegung gegen Aufrüstung und Kriegsgefahr, weit über die heutige kleine traditionelle Friedens- und Ostermarschbewegung hinaus.
Und es täte not, wenn die bundesrepublikanische Gesamtlinke den Marsch in den nächsten Weltkrieg, unter maßgeblichem Mitmachen der DGB-Vorstände, verhindern will, sich vereinigen würde im Kampf gegen diese Vorstände und DGB-Gremien. Im Sinne von Karl Liebknecht, der heute wohl sagen würde: Der Hauptfeind steht im eigenen Land … und Lager.
Während die Nazis 1933 noch die Gewerkschaften zerschlagen mußten, um dann freie Hand zu haben, den Weltkrieg (sechs Jahre später gegen Polen, acht Jahre später gegen die Sowjetunion) vorzubereiten, laufen heute die Gewerkschaftsvorstände aus freien Stücken auf die Seite der Kriegsvorbereiter über. Mit Minister Pistorius (SPD), der uns in fünf Jahren kriegstüchtig machen will für den Krieg gegen Rußland.
Nein, diese Gewerkschaften brauchen nicht zerschlagen zu werden, sie stellen keine Gegenmacht dar. Zumal die Mehrzahl der Mitglieder AfD-Wähler sind, noch vor der CDU und SPD. Aber es sind auch viele Normalos Mitglieder und linke GewerskchaftsaktivistInnen!
Dies sind die Ausgangsbedingungen für uns, dafür zu kämpfen, den 3. und letzten Weltkrieg zu verhindern:
Wir haben dabei einige Pluspunkte:
a)Es gibt einige gewerkschaftliche Ortsvereine und Gremien, die auf unserer Seite stehen
b)Es beteiligten sich an diesem 1. Mai überwiegend junge Leute, so beobachtet in Hamburg. In die Linkspartei traten ca. 60.000 Jüngere ein. „Alles weiße Blätter, wie ein älterer Genosse konstatierte“, ihre Motivation: Angst vor Krieg, Klimakatastrophe, Zukunft.
c)Wir können aus der Geschichte lernen! Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung – aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, als Sozialdemokraten für die Kriegskredite stimmten und die Gewerkschaftsführungen Burgfrieden mit dem Kapital schlossen. Und aus den Fehlern der Weimarer Zeit, die damals von SPD-, KPD- und ADGB-Führungen gemacht wurden und den Mitgliedern, die nicht kritisch genug ihnen gegenüber eingestellt waren!
Die BelgierInnen haben es gut. Wenn sie mit revolutionärem Optimismus in die Kämpfe gegen Aufrüstung und Kriegsgefahr reingehen, verdanken sie das der PTB/PvdA als kommunistischer Massenpartei, zu der sich diese in den letzten Jahren gewandelt hat. Und als solche auch wirksam an den Generalstreiks gegen Sozialkürzungen teilnimmt.
In Deutschland stehen wir erst am Anfang, eine derartige kommunistische Massenpartei zu schaffen. Die ersten Schritte dazu sind, eine qualitative Vernetzung gewerkschaftlicher und politischer AktivistInnen zu schaffen. Damit dann ein abwählbares Vorschlags- und Entscheidungsorgan gebildet wird. Ein Ziel ist, eine Gewerkschaftsopposition zu formieren, die innerhalb und außerhalb der DGB-Gewerkschaften dagegenhält gegen den sozialarbeiternaftlichen und regierungtreuen Kurs der Gewerkschaftsspitzen.
Hier ein Beitrag von Alwin Altenwald: „Nach dem Willen des DGB-Vorstandes: Diese Gewerkschaften sind keine mehr“, der sich umfassend mit dem Thema befaßt und bisher bei Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg und beim Gewerkschaftsforum Dortmund erschienen ist:
https://gewerkschaftsforum.de/nach-dem-willen-des-dgb-vorstandes-diese-gewerkschaften-sind-keine-mehr/
Info zum Thema:
Am 1. Mai sah man in Deutschland: Rüstungskonversion war gestern
Aufrüstung & Krieg als Sicherung von Arbeitsplätzen?
Auf den DGB-Demos konnte man sich mit einer langen Liste von »Werten des DGB« identifizieren.
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/heute-am-1-mai-sah-man-in-deutschland-ruestungskonversion-war-gestern-009026.html