Eine Feierstunde der Sozialpartnerschaft wirft ihren Schatten voraus: Die Betriebsratswahlen 2026
Von Suitbert Cechura
Die anstehenden Betriebsratswahlen finden zwar erst im März bis Mai des nächsten Jahres statt, doch dafür laufen bereits jetzt die Vorbereitungen. Schliesslich sind diese Wahlen keine Selbstverständlichkeit.
https://www.untergrund-blättle.ch/wirtschaft/theorie/betriebsratswahlen-2026-betriebsrat-als-gegeninstitution-zur-gewerkschaft-009123.html
Anmerkungen zum Artikel von Suitbert Cechura:
Grundsatz: Man muß das Betriebsverfassungsgesetzt (BVG) als Realität anerkennen, als reduzierten Kampfboden für die Arbeiterklasse-aber sich ihm nicht unterordnen wie es seit Jahrzehnten von DGB-Seite praktiziert wird.
Der Genosse Cechura schließt seinen Text mit der Feststellung:
„Kritik an der Institution Betriebsrat heisst übrigens nicht, dass eine Beteiligung an Betriebsratswahlen unsinnig ist. Sie kann eine Gelegenheit sein, eine gewerkschaftskritische Position im Betrieb bekannt zu machen, die nicht auf Betriebsräte, sondern auf die Organisation von Betriebsgruppen setzt, die die Verbindung zu Kollegen in anderen Betrieben suchen.“
Diese Feststellung ist nach seiner umfassenden kritischen Analyse von Betriebsräten und Gewerkschaften auch notwendig – und nicht nur die Beteiligung an Betriebssratswahlen ist sinnvoll sondern die Arbeit im Betriebsrat. Wichtig ist dabei allerdings ein realistischer Blick auf Geschichte, Funktion und Möglichkeiten des Betriebsrates, der sich sehr unterscheidet von der Schönrednerei der derzeitigen Gewerkschaftsführungen.
Das BVG (Betriebsverfassungsgesetz), 1952 von der Adenauer-Regierung den Gewerkschaften aufgezwungen, ist nun mal da. Noch 1952 gab es eine starke Protestbewegung mit Streiks von Seiten der DGB-Gewerkschaften gegen das Gesetz. Es besteht bis heute. 1972 durch die Regierung Brandt wurde eine Novellierung vorgenommen. Die Neufassung führte jedoch nicht zu mehr Gegenmacht. Der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler kritisierte damals: „Das BVG läßt die unternehmerische Autonomie, die Kompetenz der Arbeitgebers zur Vornahme aller das Unternehmen betreffenden Maßnahmen unberührt“. Im Jahre 2021 gab es die letzte Modernisierung, das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“. Sogar der damalige DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann gestand ein: Wenngleich es „ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“ (*) sei, werde auch dieses Gesetz den mitbestimmungspolitischen Stillstand der letzten Jahrzehnte nicht überwinden können“. Das ist immerhin ein ehrliches resignatives Eingeständnis.
Während 1952 noch gegen das von Adenauer oktroyierte Gesetz gestreikt wurde, wird es heute von den DGB-Gewerkschaften nicht nur hingenommen sondern gefeiert (**), kein ehrlicher und selbstkritischer Rückblick in die eigene Vergangenheit. Der Grund: Während Teile der Gewerkschaftsführung, wie Hans Böckler und Viktor Agartz noch klassenkämpferisch eingestellt waren und eine kämpferische Basis hinter sich hatten, die Mitbestimmung im Sinne von Vergesellschaftung und gesamtgesellschaftlicher Planung wollte, sind die heutigen DGB-Gewerkschaftsführungen auf Sozialpartnerschaftskurs. Und gegen den Sozialpartner führt man keinen Klassenkampf.
Der Autor Cechura hat also eine realistische Einstellung zu Betriebsratswahlen und Betriebsräten (siehe oben). Denn sie sind ein kollektiver Ort für die Lohnabhängigen im Betrieb. Trotz aller Einschränkungen in der Realität, daß einige KollegInnen im Betriebsrat sich als Co-Manager aufführen oder sogar der gesamte Betriebsrat. Das sollte jedoch ein Anreiz sein, diese KollegInnen im nächsten Jahr abzuwählen!
Eine besondere Bedeutung kommt Betriebsräten dadurch zu, daß in den letzten Jahrzehnten die Zahl der VLK (Vertrauensleutekörper) stark abgenommen hat, ebenso die Zahl der Betriebsrgruppen! Es ist die Aufgabe für KollegInnen, die Widerstand organisieren gegen Betriebsschließungen, Personalreduzierungen, Verschlechterungen am Arbeitsplatz, sich zu organisieren, in Betriebsgruppen und als VLK! Eine wichtige Aufgabe für sie wäre es, die Betriebsratsarbeit kritisch zu begleiten und dem Sozialpartnerschaftskurs ihrer Gewerkschaft gegenzusteueren, der leider meistens vorhanden ist!
Und anfangen können sie damit, die Betriebsratswahlen im nächsten Jahr in der Weise vorzubereiten wie von Suitbert Cechura hier beschrieben.
Alwin Altenwald
(*) Volker Hermsdorf wendet allerdings ein: „…daß auch diese Novelle, – trotz einiger Verbesserungen – eher den Interessen der Wirtschaft bei der ökologischen Transformation nützt, als die Rechte der Beschäftigten effektiv zu stärken“. Ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, Kollege Hoffmann? Oder Schönfärberei? https://www.jungewelt.de/artikel/438631.arbeiterrechte-nicht-erk%C3%A4mpft.html
(**) Für die Böckler-Stiftung ist es „Eine Erfolgsgeschichte“. Der Kollege Böckler würde sich im Grabe umdrehen für das was mit seinem Namen verbreitet wird! https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-100-jahre-betriebsverfassung-eine-erfolgsgeschichte-23266.htm
Infos zum Thema:
„Nur eine starke und mächtige Gewerkschaftsbewegung kann eine neue Wirtschaftsordnung schaffen.“ – Der Kampf um das Betriebsverfassungsgesetz 1952
https://www.fes.de/feshistory/blog/betriebsverfassungsgesetz-1952
Arbeiterrechte: Nicht erkämpft
Vor 70 Jahren trat in der BRD das Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. Die Regierung Adenauer hatte es im Alleingang durchgesetzt
Von Volker Hermsdorf
https://www.jungewelt.de/artikel/438631.arbeiterrechte-nicht-erk%C3%A4mpft.html
100 Jahre Betriebsverfassung: Eine Erfolgsgeschichte
Die Mitbestimmung wurde hart erkämpft. Heute hat sie sich bewährt – und muss dennoch weiterhin verteidigt werden. Eine kurze Geschichte der Betriebsverfassung.
https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-100-jahre-betriebsverfassung-eine-erfolgsgeschichte-23266.htm
Anmerkung:
Ist das noch Geschichtsklitterung oder schon Lüge von der Hans-Böckler-Stiftung?: „Das BVG eine Erfolgsgeschichte? Die Mitbestimmung wurde hart erkämpft? Heute hat sie sich bewährt!“ Ja, allerdings, im Sinne von Klassenharmonie und Bewahrung des „sozialen Friedens“.