Chris Smalls speaks out – Why I joined the Handala boat

Interview mit Chris Smalls, Mitbegründer Gewerkschaft Labour Union bei Amazon (USA) und Teilnehmer der Flotilla nach Gaza

Das Interview: 54 Minuten, auf englisch und deutsch

https://palestinechronicle.substack.com/p/chris-smalls-speaks-out

Am 20. September 2025
Christian (Chris) Smalls, der afro-amerikanische Organisator, Mitbegründer und
ehemalige Präsident der Amazon Labor Union, USA, ist zu Gast bei FloodGate
in einem Interview mit Bouna Mbappe, um darüber zu sprechen, warum er sich
an der Handala-Bootsfahrt nach Gaza beteiligt hat.

Chris Smalls
Chris Smalls

Anmoderation:
Willkommen zum FloodGate-Podcast, einem wichtigen Teil des „Palestine Chronicle”
Hier beschäftigen wir uns mit den wichtigen Themen von heute und vermitteln Ihnen
gegen den Lärm der Mainstream-Berichterstattung ein tieferes Verständnis der Ereignisse
in Gaza und in ganz Palästina.
Ich bin Ramzi Baroud.
Für diese Sonderfolge übergebe ich das Mikrofon an meinen Co-Moderator Buna Imbey
der das heutige Gespräch führen wird.

Buna ist panafrikanischer Aktivist, Mitglied der Panafrikanischen Liga Amuja und der
Panafrikanischen Brigade für Palästina.
Heute haben wir die Ehre, einen ganz besonderen Gast im Podcast begrüßen zu dürfen:
Chris Smalls.
Chris Smalls ist Gewerkschaftsorganisator und politischer Aktivist.

Im Jahr 2020 war Chris im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie Mitbegründer des
Congress of Essential Workers, eines landesweiten Zusammenschlusses von
systemrelevanten Arbeitern und Verbündeten, die für bessere Arbeitsbedingungen,
bessere Löhne und eine bessere Welt kämpfen.
Chris ist außerdem Mitbegründer und ehemaliger Präsident der Amazon Labor Union, der
ersten unabhängigen demokratischen, arbeitnehmergeführten Gewerkschaft in der
amerikanischen Geschichte bei Amazon.

Als politischer Aktivist engagiert sich Chris auch in der Solidaritätsbewegung mit dem
palästinensischen Volk und prangert den Völkermord Israels an den Menschen in Gaza
gnadenlos an.

Am 13. Juli dieses Jahres stach Chris an Bord des Schiffes Handala von Syrakusa, auf
Sizilien, in See, um die israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen.
Vielen Dank, dass Sie heute bei uns sind, und willkommen zum Frontgate-Podcast.
Chris Smalls (Chris):
Vielen Dank für die Einladung.
Buna Imbey (Buna):
Bevor wir über deine Erfahrungen mit der Handala sprechen, möchten wir dir eine
allgemeine Frage zu deinem Engagement in der Solidaritätsbewegung in Palästina stellen.
Wann und wie hat es angefangen?
Gab es bestimmte Ereignisse, wie zum Beispiel den Start der Völkermordkampagne?
Ich denke da an die Leute, die sich seit Jahrzehnten in der schwarzen Palästina
Solidaritätsbewegung engagieren, zum Beispiel Malcolm X, Xvami Tu, die Black
Panthers, Nelson Mandela, Samura Meshele, Thomas Ananka und viele andere.
Gibt es Menschen, Bewegungen oder Ereignisse, die dich veranlasst haben, dich klar
gegen den Völkermord an den Menschen in Gaza durch den zionistischen Staat Israel
auszusprechen?
Chris:
Ja, auf jeden Fall.
In meiner persönlichen Entwicklung war ich immer sehr offen dafür, mich in verschiedene
Kämpfe einzubringen, die ich als Arbeiterbewegung in Amerika ansehe.
Und weist du, ich setze mich für die Bewegungen gegen soziale Ungerechtigkeit und für
das Klima ein und trete auch beim Women’s March auf.
Ich setze mich auch für unterschiedliche Initiativen in New York City und natürlich auch für
Palästina ein.

Vor dem 7. Oktober hatte ich das Glück, an einer Podiumsdiskussion mit Dr. Mustafa
Barghuthi an der Concordia Universität in Montreal teilzunehmen, einer prominenten
Persönlichkeit der palästinensischen Bewegung. (palästinensischer Politiker, Arzt und Bürgerrechtler, der 2005 bei den Wahlen für das Amt des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde der den zweiten Platz nach Mahmoud Abbas erhielt. Anm. clf)
Er erzählte mir die Geschichte Palästinas von Anfang an bis zum Ende der ersten Nakba.
Nach der Diskussion gab er mir seine Visitenkarte und lud mich ein, mit ihm humanitäre
Arbeit zu leisten.
Ich wollte auf jeden Fall hingehen (nach Palästina / Anm. clf). Ich wollte schon vor dem 7.
Oktober hingehen.
In der Woche vom 7. Oktober war ich in Berlin. Ich war in einer der größten
palästinensischen Demonstrationen und habe mit eigenen Augen gesehen, wie die
Palästinenser da behandelt wurden.
Sie wurden von ihren Kindern getrennt, verhaftet, in Lastwagen geworfen, und die Polizei
hat die gesamte Gruppe eingekesselt, palästinensische Flaggen heruntergerissen und
Menschen unterdrückt und verhaftet, weil sie „Free Palestine“ oder sowas Ähnliches
gerufen hatten.
Als ich in die USA zurückkehrte, habe ich sofort über meine Erfahrungen in Deutschland
berichtet.
Und von da an bin ich einfach aktiv geblieben, obwohl ich über Nacht zehntausende
Follower auf meiner Social-Media-Plattform verloren hatte und gleichzeitig so viele
Nachteile hatte, nur weil ich so früh meine Meinung geäußert hatte.
Ich kannte dieses Gefühl schon, es kam mir sehr bekannt vor.
Genauso war es schon gewesen, als ich gegen Amazon vorgegangen war, wo viele Leute
an uns zweifelten und nicht an uns glaubten.
Wo viele Leute dachten, ich sollte einfach aufgeben.
Und ich sagte ihnen, nein, das kann ich nicht.
Weißt du, es war das gleiche Gefühl, das ich bei Amazon hatte, als ich anfing, über
Palästina zu sprechen.
Also beschloss ich einfach, mich noch mehr zu engagieren und meine Plattform weiterhin
auf jede erdenkliche Weise zu nutzen und an vielen Demonstrationen im ganzen Land
teilzunehmen, insbesondere hier in New York City und insbesondere mit den Studenten
der Columbia University, die eine so starke Welle von Protestcamps ins Leben gerufen
haben.
Ich hatte das Glück, sie schon am ersten Tag und in der ersten Woche auf ihre
Protestcamps begleiten zu dürfen.

Buna:
Ja, danke, Chris.
Ich hätte eine Art Anschlussfrage zu dem, was du über die Auswirkungen deines
Engagements in der Palästina-Solidaritätsbewegung erzählt hast.
Die Tatsache, dass du zehntausende von Followern verloren hast, bedeutet aber zum
Beispiel nicht, dass die Leute nicht mehr bereit waren, dir zu folgen, wenn du nicht über
Palästina gesprochen hast. Oder?
Es gibt ein Buch. Ich glaube, der Autor ist unser Genosse Bruder Lamont Hill. Es hat zwei
Autoren. Ich habe den anderen vergessen. Ich glaube, das Buch heißt „Except for
Palestine: The Limits of Progressive Politics.” Richtig? Wir haben also ein paar Leute, die
fortschrittlich sind, stimmt’s? Ich glaube, sie sind bei der Amazon-Gewerkschaft, die du
mitbegründet hast, zu Dauergästen geworden.
(Marc Lamont Hill und Mitchell Plitnick, deutscher Titel „Außer für Palästina: Die Grenzen
der progressiven Politik”, hrsg. NEW PR, ISBN 9781620975923 / Anm. clf)
Aber meinst du, dass einige Leute dich wieder tolerieren würden, wenn du dich mehr nicht
für Palästina einsetzen würdest ?
Ich meine, Palästina wäre dann die Ausnahme.
Chris:
Ja, genau, so einfach ist das.
Es war wirklich schockierend und enttäuschend zu sehen, dass Leute den Mut hatten, mir
unverhohlen zu sagen: „Ich habe Sie unterstützt, als Sie Amazon angegriffen hatten, aber
jetzt ist es nicht mehr so … oder zu sagen hier ist für mich die Grenze.
Ich war immer für die Sache dieser Menschen eingetreten, aber hierbei habe ich ihnen
ganz direkt gesagt „Scheiß auf euch. Wenn ihr die Probleme und Zusammenhänge dieses
Kampfes nicht verstanden habt, dann seid ihr offensichtlich nicht auf der Seite der
Menschen und ihr seid nicht die, mit denen ich zusammen gehen möchte.”
Für die, die leider das sinkende Schiff verlassen haben, habe ich meine Liebe nicht
verloren und habe keine harten Gefühle. Vielleicht haben viele dieser Leute, die mir nicht
mehr folgen wollen, einfach ihre Meinung geändert, weil die öffentliche Meinung zu
Palästina und Amerika sie im Moment stark beeinflusst.
Und selbst diejenigen, die von Anfang an nichts gesagt haben, von Politikern bis zu den
Gewerkschaften, haben schließlich Druck genügend ausgeübt, um diese Leute und ganze
Einrichtungen dazu zu bringen, sich so sehr abzugrenzen, wie man es sich nie hätte
vorstellen können.
Aber vielleicht schwenken sie ja ein und fangen an, ihre Wahrnehmung wieder zu ändern.
Ich weiß ja, wenn man es mit mächtigen Instanzen zu tun hat, egal ob es sich um die
Regierung, Unternehmen oder den militärisch-industriellen Komplex handelt, dass die am
meisten profitieren, wenn sie die Menschen spalten, wenn wir uns gegenseitig bekämpfen
und uns von Palästina abwenden.
Deshalb möchte ich mich jetzt noch einmal darauf konzentrieren, den Leuten klar zu
machen, dass dies auch ein Thema der Arbeiterklasse ist.
Buna:
Danke.
Dein Engagement für die Palästina-Solidaritätsbewegung beschränkt sich natürlich nicht
nur auf die sozialen Medien oder auf die Straßen der USA und New Jersey, wo du lebst.
Du bist noch einen Schritt weiter gegangen und warst sogar einer der 20, 21 oder 22
Aktivisten, richtig?
20, 21 Freiwillige, 19 Aktivisten und 2 Journalisten. Wer ist denn an Bord der Handala
gegangen? Sie gehörte zu der Flotte, die von Italien nach Gaza fahren sollte.
Sie wollte nicht nur humanitäre Hilfe leisten, wie es in den Medien dargestellt wurde,
sondern auch die Belagerung und Blockade des Gazastreifens durchbrechen.
Kannst du uns erzählen, wann du dich entschieden hast an Bord der Handala zu gehen?
Und wie haben die Menschen um dich herum, deine Familie, Freunde und Kollegen, auf
deine Entscheidung reagiert?
Chris:
Ich habe meinen Leuten nicht viel Zeit gegeben, zu reagieren. Ich habe es ihnen nämlich
gar nicht gesagt.
Ehrlich gesagt, wie ich auf die Handala gekommen bin, das kam ganz plötzlich.
Wie viele andere auch, wurde ich von der „Madleen” inspiriert, von Greta Thunberg, Diago,
Jasmin und anderen Aktivisten. (Die Madleen wurde am 11. Juni 2025 vom isralischen
Militär aus internationalen Gewässern verschleppt / Anm. clf)
Ich hatte sogar ihre Vorbereitung verfolgt, aber ich hatte keine Antwort bekommen.
Ich hatte immer wieder versucht, sie zu erreichen, aber ich wusste auch, dass sie
beschäftigt waren. Und natürlich wussten sie auch, dass sie eine Gefängnisstrafe
bekommen.
Also ging ich das Risiko ein, mich an einen dieser Journalisten zu wenden, den ich in
einem Interview gesehen hatte, Thiago, mit dem ich letztes Jahr in einem anderen Land
ein Interview geführt hatte, und ich konnte eine Mitbegründerin der Freedom Flotilla
Coalition erreichen.
Als ich sie erreichte, schickte ich ihr die Nachricht „Hey, ich bin ein amerikanischer
Gewerkschaftsführer und möchte an der nächsten Mission teilnehmen”, ohne zu wissen,
dass die nächste Mission schon in ein paar Tagen stattfinden würde.
Sie rief mich am nächsten Tag an und sagte: „Hör mal, wenn du auf der Handala dabei
sein willst, wir fliegen morgen nach Italien.”
Und ohne zu zögern sagte ich: „Lass es uns machen. Ich bin dabei“. Und ich hatte nicht
viel Zeit, es den Menschen in meinem Umfeld und meiner Gewerkschaft zu erzählen. Ich
hatte es auch meiner Mutter nicht erzählt. Ich habe es meiner Familie nicht erzählt. Ich
habe nur ein einziges Gespräch mit meinen Kindern geführt.
Als alleinerziehender Vater habe ich mich mit meinen Kindern hingesetzt, ich wollte ihnen
schließlich keine Angst machen und ich habe ihnen gesagt, wie sehr ich sie liebe und wie
sehr ich sie in meinem Herzen habe und wie sehr alles, was ich tue, für sie ist, auch wenn
sie es nicht verstehen. Dass es für ihre Zukunft gut ist, für den Planeten, für die
Menschheit – aber auch dass ich vielleicht in eine gefährliche Situation komme. Ich wollte
ihnen nicht schon Angst machen, dass ich vielleicht nicht nach Hause komme. Und das
war’s.
24 Stunden später saß ich in einem Flugzeug nach Italien und musste wie alle anderen
auch die Trainings durchlaufen.
Ich hatte Glück, einer der Freiwilligen zu sein, die es in die letzte Besatzung geschafft
haben.
Und ja, weist du, der Grund dafür war, dass es mir als amerikanischer
Gewerkschaftsführer, wichtig war, das Bewusstsein zu schärfen, aber auch Druck auf die
Gewerkschaften auszuüben, die in den letzten 22 Monaten an Waffenlieferungen nach
Israel beteiligt waren, aber auch als amerikanischer Steuerzahler, in meiner Funktion als
Schwarzer, das Bewusstsein zu schärfen, damit die schwarze Community versteht, dass
dies auch unser Kampf ist.
Es gibt eine Menge Gründe, die Belagerung zu durchbrechen, aber auch, um die
Verbindungen zwischen unseren Communities und Amazon herzustellen, das 7,2
Milliarden Dollar in das Nimbus-Projekt investiert hat, Israels militärisch-industrieller
Geheimdienst, der unschuldige Zivilisten überwacht, sie unter Radar nimmt und dabei hilft,
sie zu töten. (Das Projekt Nimbus ist der Isrealische Kampfeinsatz von KI, von Amazon
und Google finanziert https://senderfreiespalaestina.de/pdfs/nimbus-google-amazon-
protest.pdf / Anm. clf).
Es gibt also viele Gründe, warum ich mich dieser Mission auf der Handala angeschlossen
hatte.
Buna:
Und in vielen deiner Interviews hast du immer darauf bestanden, dass du nicht nach Gaza
gereist bist, um humanitäre Hilfe zu leisten, sondern du betonst unmissverständlich, dass
du, genau wie du es auch eben getan hast, die Belagerung beenden willst, richtig?
Chris:
Warum ist diese Unterscheidung wichtig:
Die Menschen, von israelischer Seite natürlich, wollen Propaganda gegen uns machen,
um die Gründe unserer Missionen zu verschleiern.
Sie bezeichnen es als eine „Selfie-Werbung”.
Sie haben Propagandabilder von Greta mit Sandwiches und Wasser in den Händen
veröffentlicht.
Sie behaupten, dass sie nur eine kleine Menge an Lebensmitteln an Bord hatten, von
denen niemand satt wird. Diese Art von Propaganda funktioniert ziemlich bei Menschen,
die sich nur oberflächlich informieren.
Viele Menschen, sogar auf der Handala, dachten, dass es nur diese eine Initiative der
Flottille war, weil sie die Vorgeschichte nicht kannten.
Um den Zusammenhang zu verdeutlichen: Die Flottilien-Initiativen haben schon vor 17
Jahren begonnen.
Diese Handala Mission war schon das 37. Boot.
Von den 37 Versuchen seit 2007 erreichten nur fünf der Flotillen den Gaza-Streifen.
Und 2010 sprangen israelische IDF-Soldaten an Bord und töteten 10 Aktivisten. (IDF =
Israel Defence Forces / Israelische „Verteidigungskräfte” / Anm. clf)
Über die Geschichte der Flottillen ist nicht viel bekannt geworden. Die Mainstream-Medien
haben sie gezielt ignoriert.
Wer es nicht besser wusste, hatte gedacht, dass die Madeleine das erste Boot war. Und
die Leute dachten, dass wir „nur” humanitäre Hilfe leisten würden, weil wir humanitäre
Hilfe auch angekündigt hatten.
Aber ich habe ja schon gesagt, dass es vor allem darum geht, die illegale Belagerung zu
durchbrechen, die Israel seit über zwei Jahrzehnten aufrechterhält. Es ist ja bekannt, dass
Israel schon immer kontrolliert hat, was ins Land hinein- und hinausgeht – nach Palästina
und von und nach Gaza.
Es war immer schon das Versprechen der Flotilla, so lange ein Boot nach dem anderen zu
schicken, bis wir die Belagerung durchbrochen haben und so der Notwendigkeit
humanitärer Hilfe ein Ende zu setzen.
Natürlich sollten wir nicht unser Leben riskieren müssen, um ein bisschen Lebensmittel zu
liefern, die überhaupt nicht ausreichen, um jemanden zu ernähren. Wir betonen selber
auch immer wieder, dass wir nicht genug Hilfsgüter haben, um auch nur einen Bruchteil
der Menschen dort zu ernähren.
Aber die Mission will Bewusstsein dafür schaffen, dass die Belagerung jetzt durchbrochen
werden muss.
Aber auch wenn wir die Belagerung durchbrochen haben, wird es weiter sehr viele
Probleme geben, mit denen wir uns befassen müssen. Denn selbst wenn wir morgen die
Seeblockade durchbrechen und alle unsere Lebensmittel nach Gaza durchbringen,
werden sie das Leben dieser Menschen nicht retten.
Auch wenn sie etwas zu essen haben, werden ihre Körper weiter so unterernährt sein,
dass sie eine lange Umstellung brauchen, um sich von den Folgen des Hungers zu
erholen.
Wir müssen im Blick haben, dass humanitäre Hilfe über die Lieferung von Lebensmitteln
weit hinausgehen muss.
Buna:
Danke, Chris.
Als die Handala auf dem Weg nach Gaza war, wurde sie von der israelischen Armee
gekapert, angegriffen und entführt.
Chris:
Ich war der einzige Schwarze auf der Handala. Es ist kein Zufall, dass ich einer der letzten
war, die freigelassen wurden.
Buna:
Kannst du bitte es genauer erklären was du damit meinst „Ich war einer der letzten, die
freigelassen wurden.“ Warum wurdest du als Schwarzer von den israelischen
Besatzungstruppen anders behandelt?
Warum war das anders als bei den anderen?
Chris:
Für diejenigen, die wirklich ein Gefühl dafür bekommen wollen, was ich nach meinen 37
Jahren in Amerika (in Israel) durchgemacht habe: Ich habe noch nie so viel Hass,
Rassismus und Extremismus erlebt wie in meiner Zeit im Gefängnis dort in Israel.
Von dem Moment, als die IDF an Bord kamen und vom Anfang bis Ende meiner Haft, bis
zu meiner Freilassung, haben alle, denen ich begegnet bin, eine solche Ablehnung und
solchen Hass in sich getragen, wie ich es noch nie erlebt hatte.
Das ist einfach mit nichts zu vergleichen. Als ich angegriffen wurde, zeigte sich klar, dass
meine Hautfarbe etwas damit zu tun hatte, wie sie in der Situation mit mir umgegangen
sind.
Also, für die, die es nicht wissen: die IDF war mit einem Kamerateam an Bord gekommen,
um Propaganda zu machen. Aber sie konnten es nicht, weil wir in Hungerstreik gegangen
waren. Damit hatten wir ihnen ihre Propaganda verdorben.
Als wir zur Einwanderungsbehörde gebracht werden sollten, wartete morgens schon ein
weiteres Kamerateam am Dock auf uns.
Nach weiteren zwölf Stunden Fahrt auf der Flotilla brachten sie uns zum Hafen von
Ashdod.
Und als wir an Land gebracht wurden, haben wir das Handala-Lied gesungen, das ich
geschrieben habe. Und weist du, ich habe ihnen natürlich noch ein paar Sachen gesagt,
zum Beispiel, dass es die IDF ohne unsere Steuergelder gar nicht geben würde.
Ich habe mein Gesicht vor den Kameras verdeckt und meine Zustimmung zu den Fotos
verweigert.
Daraufhin haben sie sieben Beamte gegen mich eingesetzt, die mich zu Boden zu warfen,
mir ihre Knie in den Rücken drückten, mir die Arme auf den Rücken drehten, mich in einen
separaten Raum brachten, mich da zu Boden warfen und mit meinen Ketten gegen die
Wand schleuderten.
Und weist du, dabei überlegte ich, dass das nur ein Bruchteil dessen ist, was
Palästinenser jeden Tag durchmachen müssen, und es hat mir wieder bestätigt, wie sehr
sie Menschen mit anderer Hautfarbe verachten.
Das war das eine, aber dann begann sofort der psychologische Teil.
Als wir ins Gefängnis gebracht wurden, belogen sie uns jeden Tag, besonders mich.
Sie zwangen mich mich anzuziehen, sagten „Heimreise”, obwohl sie es anders wussten.
Sie benutzten Essen als Waffe und stellten es vor uns hin.
Sie schickten sogar diese Razzia-Einheit, um uns zu überfallen, ließen uns ohne Grund
nackt ausziehen, obwohl sie wussten, dass wir gar nichts nichts versteckt haben konnten.
Und dann war es, wie sie uns selber sagten, kein Zufall, dass alle anderen – alle die 12
Weißen von den 14 Gefangenen, die sie hatten, zum Flughafen Tel Aviv gebracht und in
ihre Länder abgeschoben wurden.
Ich und mein arabischer Bruder aus Tunis, waren die einzigen Menschen mit dunkler
Hautfarbe.
Wir wurden nicht nur als Letzte freigelassen, sondern auch über der Grenze nach
Jordanien abgeschoben.
Und die Flüge, die sie uns gaben, sollten uns erstmal in zwei pro-israelische Länder
bringen, bevor ich nach Hause konnte. Das eine war Dubai und das zweite war
Deutschland.
Sie gestalteten also die gesamte Erfahrung die ich machte, von Anfang bis Ende so
schlimm wie möglich.
Und deshalb erkläre ich heute, dass ich noch nie so viel Hass, Rassismus und
Extremismus erlebt habe wie in den wenigen Tagen, in denen ich in israelischer Haft war.
Das kann mir keiner ausreden.
Und meine Erfahrungen mit diesen Tatsachen beweisen, dass sie systematisch
Rassismus gegen Palästinenser und alle Menschen mit dunkler Hautfarbe betreiben.
Und im Gefängnis gab es besonders viele Äthiopier.
Buna:
Ja, vielen Dank dafür, Chris.
Ich denke, das ist vielen Menschen leider immer noch nicht bewusst ist, und es erinnert
mich an die Kampagne gegen die sogenannte Bürgerrechtsbewegung.
Ich denke dabei zum Beispiel an die ADL
(Anti-Defamation League – US-Wachhund gegen Israelkritik über Jahrzehnte Spionage
betrieben hat. Spionagenetzwerk, das politische Gruppen infiltriert, um Daten an Israel zu
geben. https://www.telepolis.de/features/ADL-Wie-US-Wachhund-gegen-Israelkritik-ueber-
Jahrzehnte-Spionage-betrieben-hat-9654810.html Anm. v. clf)
Die haben Programme organisiert, um Offiziere und Militärangehörige zur Ausbildung nach
Israel zu schicken.
Ich glaube, es war 2020, kurz nachdem George Floyd getötet wurde, wurde ein geheimes
Memo der ADL bekannt, in dem die Führer der ADL die Praxis, US-Militärpolizisten nach
Israel zu schicken, in Frage stellten.
Willst du etwas dazu sagen, wie sich die von Israel gegen People of Color und
Palästinenser betriebene Politik auch auf die Schwarzen und People of Color in den
Vereinigten Staaten auswirkt?
Chris:
Ja, da hast du absolut Recht.
Es ist kein Geheimnis, dass viele (amerikanische) Polizeibeamte Hand in Hand mit
israelischen Beamten arbeiten, um (amerikanische) Beamte auszubilden.
Und vor ein paar Tagen habe ich etwas gesehen, das noch alarmierender ist:
Es gibt eine neue Initiative des israelischen Außenministeriums, 500 Influencer (aus den
USA) einfliegen zu lassen.
Sie wissen schon, Leute, die in den sozialen Medien aktiv sind, egal ob es sich um TikTok
oder Social Media Plattformen mit Podcasts handelt, wie auch immer man es nennen
mag.
Sie wollen über 500 Influencer aus Amerika nach Israel einfliegen lassen, um sie mit der
Kultur Israels vertraut zu machen und den US-Bürgern zu zeigen, dass es sicher und
schön ist, dort zu leben und ein Kolonialherr zu sein und dass es da keinen Völkermord
gibt.
Deshalb wollte ich eigentlich dahin.
Ich bin kein Influencer, aber ich bin Zivilist.
Ich bin amerikanischer Staatsbürger.
Meine Steuergelder gehen in dieses Projekt, ob ich will oder nicht.
Wir werden von allen Medien, aber vor allem von den Mainstream-Medien mit Propaganda
gefüttert, dass Israel ein guter Ort ist oder dass es keinen Völkermord und keine
Hungerkrise gibt.
Diese Lügen werden uns heute aufgetischt.
Und es gibt einen Grund dafür, und ich kann das bestätigen und beweisen.
Es hat auch einen Grund, warum wir nicht sehen sollen, was da wirklich vor sich geht.
Nicht nur wegen der Aussagen von Ärzten und Krankenschwestern aus Gaza, mit denen
ich gesprochen habe, müsst ihr es wissen – ich möchte das in den Zusammenhang stellen,
dass wir 160 Kilometer von der Küste entfernt waren, als wir illegal entführt wurden:
Seit dem Tag an dem wir noch 160 Kilometer von Gaza entfernt waren, wurden wir von
Fliegen umschwirrt.
Buna:
Das kann doch nicht sein.
Chris:
Der Grund, warum diese Fliegen uns umschwirrten, ist die Zahl der Leichen, der Nagetiere
und letztendlich der Tod, der unter den Trümmern und mit der Zerstörung von Gaza
geschieht.
Dass sie (immer weiter) diese illegale Blockade aufrechterhalten, für die es keine
Rechtfertigung gibt, ist wirklich entsetzlich.
Sie haben überhaupt keine Rechtsgrundlage für diese Blockade.
Sie blockieren Gaza nur um zum verhindern, dass wir die Wahrheit sehen und aufdecken,
was da wirklich vor sich geht. In der Nacht, als wir gefangen genommen wurden, haben
sie sogar Drohnen eingesetzt, von der sie eine Art Rauchbombe abgeworfen haben, um
uns die Sicht zu versperren.
Und damit wurde mir klar, dass sie nur deshalb militärische Operationen gegen uns
Zivilisten durchführen, weil sie große Angst haben, dass wir jetzt mit der Flotilla ihre ganze
Propaganda und Lügen doch noch aufdecken und entlarven werden.
Und als mir das klar wurde fand ich ihre ganze Propaganda mit Fotos, Videos und Artikeln
einfach nur lächerlich.
Aber von der Handala gibt es im Moment leider nichts, wenn man danach sucht.
Keine Bilder, Videos, Artikel oder so.
Alles, was ich bis jetzt über meinen Einsatz gelesen habe, ist die Behauptung, dass ich
einer von denen war, die ihn unterstützt hatten. Angeblich war ich der Aggressor, das ist so
lächerlich.
Als wir schon im Hungerstreik waren war ich schwach und hatte keine Kraft mehr, und die
ließen mich von sieben Beamten zu Boden werfen.
Also wenn sie behaupten, ich sei aggressiv gewesen, dann ist das der selbe Brandfleck,
den sie über Schwarze in Amerika verbreiten – dass wir immer aggressiv sind, dass wir
immer diejenigen sind, die Gewalt suchen.
Es hat also System. Das sind die Erfahrungen, die ich gemacht habe, und deshalb ist es
wichtig, den Zusammenhang zwischen dem Polizeistaat, den wir hier in Amerika haben,
mit dem Apartheid-Staat, den ich in Israel gesehen habe, zu erkennen.
Buna:
Danke, Chris.
Ich möchte auf etwas zurückkommen, das du vorhin erwähnt hast, nämlich die
Komplizenschaft der großen Gewerkschaften in den USA. Du hast die größten
amerikanischen Gewerkschaften sehr kritisiert, weil du selber ein gewerkschaftlicher
Organisator bist.
Und wie du schon gesagt hast, denkst du, dass sie sich am Völkermord an den
Palästinensern mitschuldig gemacht haben. Stimmt das?
Zum Beispiel hast du letzte Woche auf deinem X-Account geschrieben, und ich zitiere
dich: „Ich werde weiter all diese internationalen Gewerkschaften und Verbände in den USA
anprangern, die keine einzige Resolution verabschiedet haben und seit 22 Monaten alle
15 Stunden Waffen nach Israel liefern. Sie beteiligen sich aktiv am Völkermord und stellen
sich gegen die Streikposten der Arbeiterklasse. Die Befreiung Palästinas steht nicht
außerhalb unserer Grundsätze von Menschlichkeit.”
Warum haben diese führenden Gewerkschaften deiner Meinung nach keine klare Position
bezogen, als es darum ging, den Völkermord in Gaza zu verurteilen und die
Waffenlieferungen an Israel zu stoppen?
Und wie können Arbeiter in diesen Industrien, also in der Rüstungsindustrie und in den
Reedereien, das tun?
Gibt es für Sie eine Möglichkeit, die Vorschriften zu umgehen oder zu unterlaufen, die
ihnen von diesen Gewerkschaftsführern vielleicht vorgegeben werden?
Chris:
Ja, meine Antwort als Gewerkschaftsführer in Amerika ist für mich sehr komplex.
Ich weiß, dass es anderswo lokale Gewerkschaftsmitglieder und Arbeiter gibt, die mit
Protesten gestört und versucht haben, eine Resolution zu verabschieden, wenn nicht
schon vorher Resolutionen für bestimmte Ortsverbände verabschiedet worden waren.
Aber du hast Recht, die Führung der internationalen Organisationen, der Verbände, und
dieser Zusammenschlüsse, entscheidet letztlich über das Schicksal von Millionen von
Arbeitern, die sie vertreten, anstatt auf die öffentliche Meinung der amerikanischen
Arbeiterklasse zu hören.
Leider haben die Gewerkschaftsmitglieder immer noch selber Schuld, dass sie diese
Politik ihrer Gewerkschaftsführung zulassen.
Egal, ob Demokraten oder Republikaner, es ist ein parteiübergreifender Völkermord.
Die Gewerkschaften in Amerika drehen sich mit dem Wind.
Wenn die Demokraten einen Waffenstillstand fordern, dann fordern sie einen
Waffenstillstand.
Und wenn die Demokraten keinen Waffenstillstand fordern, werden sie praktisch nichts
dazu sagen. Dann werden sie es möglichst ignorieren und behaupten, dass Palästina
außerhalb des Einflussbereichs ihrer Organisationen liegt.
Deshalb haben sie keine Resolutionen unterschrieben.
Sie haben nicht nur keine Resolutionen verabschiedet, sondern aktiv gegen Resolutionen
gekämpft, die zur Verabschiedung vorgelegt wurden.
Sie sind also nicht nur mitschuldig.
Sie haben sich aktiv für eine Klasse entschieden.
Das heißt, sie stehen zu Israel. Egal was passiert.
Die unterstützen sogar, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen.
Und im Grunde sagen sie, Krieg ist zwar schlimm, aber wir werden die Arbeit nicht
verweigern, nur weil eine Bevölkerungsgruppe abgeschlachtet wird.
Das ist das Teuflischste, was eine Gewerkschaft tun kann.
Vor allem die in Amerika, was immer betont, die Verletzung eines Einzelnen ist eine
Verletzung aller.
Außer, wenn du Palästinenser bist, denn wenn du Palästinenser bist, ist uns die
Verletzung, die du erleidest, egal.
Und deshalb werde ich mich als Gewerkschaftsführer weiter einsetzen – ich wurde ja von
den meisten Gewerkschaften zu Grundsatzreden und Podiumsdiskussionen in ihre
Hauptquartiere eingeladen – wurde zu Gesprächen mit Arbeitern, ihren einfachen
Mitgliedern, zu gemeinsamen Demonstrationen, Vernetzungen und all den anderen
Aktionen eingeladen.
Auch wenn sie mich für unseren Sieg über Amazon loben, werde ich sie trotzdem immer
für ihr Schweigen und ihre Mittäterschaft kritisieren.
Dasselbe gilt für alle diese Politiker von Bernie Sanders über AOC (Alexandria Ocasio-
Cortez, Star des „progressiven” Flügels der Demokraten / Anm clf) bis zu allen möglichen
Progressiven, die mir die Hände geschüttelt haben, nur um Fototermine mit mir zu
bekommen, weil ich gegen Amazon vorgegangen bin.
All diese Leute und Organisationen werde ich weiter anprangern, die nichts getan haben,
um wirklich die Befreiung des palästinensischen Volkes zu erreichen.
Auch die Gewerkschaften in Amerika sind daran eindeutig mitschuldig, indem sie die
Arbeiterklasse bewusst außen vor lassen. Die US-Gewerkschaftsbewegung stirbt.
Sie ist schon jetzt eine aussterbende Spezies, besonders durch die Bedrohung durch
künstliche Intelligenz.
Es ist schon komisch, dass sie versuchen, die Arbeitsplätze der Arbeiterklasse hier zu
retten, indem sie Unternehmen und deren Profigier und künstliche Intelligenz unterstützen,
aber nicht den Zusammenhang herstellen wollen, dass von denselben Unternehmen, die
sie (vertraglich) einbinden wollen, künstliche Intelligenz für diesen Völkermord eingesetzt
wird.
Eh, wir können nicht beides haben. Wir müssen eine Grenze ziehen und uns für eine Seite
entscheiden. Und ich wähle die Seite der Arbeiterklasse (die Solidarität mit den Palästinensern / Anm. clf).
Ich hoffe, dass mein Aufruf gegen diese Komplizenschaft und Beteiligung der
Gewerkschaften dazu beitragen wird, wenigstens noch Menschen zusammenzubringen,
die nicht in den Gewerkschaften sind, ganz normale Amerikaner, ganz normale Zivilisten,
ganz normale Gemeinderäte.
Ich hoffe, dass ich die alle zusammenbringen kann, um gegen diese großen Institutionen
so zu protestieren, dass wir hoffentlich an einen Punkt kommen, an dem wir sie
ausschalten können.
Buna:
Ja, danke, Chris.
Unter den anderen Personen, die du kürzlich erwähnt hast, und du hast schon einige von
ihnen erwähnt, sind Politiker, die seit langem als progressiv angesehen werden und dies
teilweise immer noch sind, die aber in Bezug auf den Völkermord in Gaza eine Art
teuflisches Spiel spielen, richtig?
Du hast Bernie Sanders und die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, Mitglied des
Kongresses, gemeint.
Neulich hast du gesagt, dass es auch bei einer Pressekonferenz in New York so war.
Du hattest über diese beiden Politiker gesagt, ich zitiere, dass sie auf ihrer großen Tour
gegen die Oligarchie durch das Land gereist sind und dabei der Menge gesagt haben,
dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen.
Glaubst du überhaupt, dass es einen Weg aus dieser „parteiischen Unterstützung für
Völkermord” gibt?
Glaubst du, dass es aus dieser „Parteinahme” für Völkermord“ einen Ausweg gibt?
Chris:
Ja, es gibt einen Weg daraus, meine ich. Wir brauchen uns nur andere Länder mit Mehr-
Parteien-Koalitionen anzusehen.
Die gibt es.
Wir können auf andere Länder mit militanteren Gewerkschaften sehen, so wie
Griechenland mit der Gewerkschaft der Hafenarbeiter.
Wir können uns Spanien ansehen, das sich vollständig von Israel distanziert hat.
Das Projekt bei dem vor einigen Wochen in Kolumbien 12 von 31 Ländern beschlossen
haben, sich vollständig von Israel zu lösen.
Es gibt also einen Weg.
Hier in Amerika haben wir ein Zweiparteiensystem, wie du schon erwähnt hast, das extrem
parteiisch ist und Völkermorde unterstützt.
Wir müssen eine dritte Partei vorantreiben, die alle politischen Maßnahmen umsetzt, die
wir jetzt brauchen.
Daran arbeite ich.
Du weist, ich arbeite daran, dass wir die ehemalige US-Arbeiterpartei, die wir in den 70er
Jahren hatten und die sich aufgelöst hat, wieder zu beleben. (vermutlich meint er die
Socialist Party USA / Anm. clf)
Dafür brauchen wir einige politische Maßnahmen gegen den Krieg, Maßnahmen für eine
allgemeine Gesundheitsversorgung, für soziale Wohnungen, für Kinderbetreuung und so
weiter.
Aber das braucht Zeit.
Viele kleine Siege brauchen wir, dafür, mit denen wir eine massive Aufklärung
hinbekommen, warum wir aus dem Zwei-Parteien-System aussteigen müssen.
Der eigentliche Kampf ist im Moment der direkte Kampf um die Übernahme der
Verantwortung.
Wie gesagt, sind diese „progressiven” Politiker seit Jahren an der Macht, einige sogar
jahrzehntelang.
Wenn es nach mir geht, sind sie nicht mehr lange im Amt.
Die Demokratische Partei, die einmal alle drei Organe kontrolliert hat – das
Repräsentantenhaus, den Senat und das Präsidentenamt – versucht jetzt wieder, sich mit
der Arbeiterklasse zu verbinden, weil sie genau weiß, dass sie die Macht hat.
Diese Regierung, die behauptete, die gewerkschaftsfreundlichste in der amerikanischen
Geschichte zu sein.
Wir reden hier von der „Biden” Regierung.
Das sind diejenigen, die angefangen haben, den Völkermord zu finanzieren, den wir jetzt
erleben, wo Trump die Macht übernimmt. Und sie betreiben ihn immer weiter.
Wenn man weiß, dass sie das alles direkt vor unserer Nase machen, ist es doch
Wahnsinn, wenn man andere Wahlergebnisse erwartet obwohl sie doch immer so weiter
machen.
Wir müssen doch verrückt sein, wenn wir immer wieder für eine von denen stimmen und
dabei innerhalb dieses Zwei-Parteien-Systems andere Ergebnisse erwarten.
Also noch einmal, ich will diese Leute zur Rechenschaft zu ziehen, solange ich kann, aber
auch eine Alternative für die Menschen schaffen, die sie mitgehen können.
Das ist die Herausforderung, wie baue ich eine Alternative auf, eine Alternative hier in den
USA, wo alle so gespalten sind.
Und ich hoffe, erstmal einfach nur die Menschen wieder für kleine, wirkungsvolle
erfolgreiche Aktionstage zusammenzubringen. Ich glaube, dass wir das können.
Nehmen wir nur mal mein Beispiel: Wie konnten die Leute glauben, dass ich ein Billionen-
Dollar-Unternehmen wie Amazon schlagen würde?
Die Antwort und das Vorgehen ist einfach: Wir bringen Menschen mit unterschiedlichem
Hintergrund und Glauben zusammen.
Kein Geldbetrag der Welt kann die Macht der Menschen aufwiegen, wenn wir
zusammenkommen.
Dasselbe gilt für das Böse.
Kein noch so großes Böse auf der Welt kann die Macht der Menschen aufwiegen, wenn
wir zusammenkommen.
Kein Geld hilft beim Kampf gegen Amazon, den Billionenkonzern.
Wir haben nicht diese Ressourcen, aus denen sie Millionen von Dollar in einem einzigen
Geschäftsjahr gegen uns eingesetzt haben.
Das könnten wir niemals erreichen.
Aber als wir die Menschen zusammengebracht hatten und ihnen klar machten, dass Jeff
Bezos, der damals reichste Mann der Welt, viel zu viel Geld verdient, da erkannten sie
unsere Gemeinsamkeit.
Menschen zusammenzubringen, das Gleiche gilt für die palästinensische Bewegung.
Unabhängig davon, ob man links oder rechts steht, wird dieser Völkermord dauerhafte
Auswirkungen auf die Menschheit, unseren Planeten und die Zukunft unserer Kinder
haben.
Und ich denke, wenn man anfängt, solche Gespräche zu führen, auch mit Menschen, mit
denen man politisch nicht übereinstimmt, kann man Menschen auf der Grundlage ihrer
Klassenzugehörigkeit zusammenbringen.
Es ist doch eine Tatsache, dass dieser Planet nur ein Planet A ist und dass es keinen
Planeten B gibt, und dass es eine ganze Reihe von Problemen im Zusammenhang mit der
Zukunft unserer Kinder gibt, welche Welt wir ihnen hinterlassen.
Und wir sprechen hier ja nicht von Jahrzehnten. Wir sprechen von den nächsten Jahren.
Ich sehe, dass die Menschen langsam aufwachen und erkennen, dass das nicht richtig ist.
Und ich denke, das ist ein Weg, wie wir hier dem Zweiparteiensystem entkommen können.
Buna:
Danke für diese starke Botschaft, Chris.
Ich hoffe, dass die Menschen, die dieses Interview verfolgen oder dir über Ihre
verschiedenen Social-Media-Kanäle und Interviews folgen, viel daraus lernen.
Ich hätte noch eine letzte Frage, die sich auf das bezieht, was du gerade gesagt hast,
nämlich wie wichtig es ist, nicht nur zu mobilisieren, sondern auch organisiert zu sein.
Ich wollte dich fragen, was du als Gewerkschaftsorganisator und schwarzer politischer
Aktivist in dem Zusammenhang raten würdest, wo es so viel Feindseligkeit nicht nur
gegenüber Gewerkschaftsorganisatoren, sondern auch gegenüber Schwarzen im
Allgemeinen gibt.
Wir sprechen hier von der Trump-Regierung, die den Völkermord in Gaza voll und ganz
unterstützt.
Was rätst du denjenigen, die wirklich über das was sie sehen empört sind, die Bilder, die
wir im Fernsehen sehen, den ersten Völkermord in der Geschichte, der im Fernsehen
übertragen wird?
Es gibt ja Leute, die empört sind, aber Angst haben, ihre Meinung zu sagen, weil sie
Konsequenzen befürchten. Einige davon hast du schon erwähnt. Also was rätst du
denjenigen, die Angst haben, ihre Meinung zu sagen, als erstes?
Und was rätst du denen, die schon organisiert sind, die schon in der Bewegung sind, aber
das Gefühl haben, dass die Aktionen, die sie bisher durchgeführt haben, nicht wirksam
genug waren, um ihre Regierung, auch meine Regierung in Frankreich, davon abzuhalten,
(den Völkermord / Am. clf) weiter finanziell, materiell, logistisch, diplomatisch oder auf
andere Weise zu unterstützen.
Also, was ist dein Rat an solche Gruppen?
Also an diejenigen, die empört sind, aber Angst haben, ihre Meinung zu sagen.
Chris:
Ich verstehe diesen Punkt, aber das ist wieder mal so eine Einstufung, die die Kapitalisten
uns als Arbeiterklasse anlasten wollen.
Der Kapitalismus gedeiht, indem er die Menschen spaltet und Angst und Zweifel schürt.
Das ist die Formel des Kapitalismus, abgesehen von der Tatsache, dass es keinen
Kapitalismus ohne Rassismus geben kann, wie Melcolm X. gesagt hat.
Und das mit dem Stigma, das schwarze Menschen haben, lassen wir das mal beiseite.
„Wisst ihr, der palästinensische Kampf ist nicht unser Kampf.”
Diese Behauptung wurde nicht vom Volk, sondern von unseren Unterdrückern geschaffen.
Von denen, die uns gespalten halten wollen.
Von denen, die uns Angst einflößen wollen, indem sie sagen, dass wir bestraft werden
oder noch Schlimmeres, wenn wir etwas tun.
Und von denen, die Zweifel säen wollen, indem sie sagen, dass es nichts bringt, die
Menschen zusammenzubringen.
Das ist schon immer so gewesen.
Der Krieg in Gaza, der Völkermord in Gaza wird eben immer weiter gehen.
Es doch gibt diese Leute, die sagen „egal, was wir tun, es wird sich nichts ändern”.
Das sind diese Behauptungen, mit denen ich mich auch auseinandergesetzten musste, als
ich Amazon herausgefordert hatte – um es auf den einfachen Nenner zu bringen – dass
der reichste Mann der Welt – Jeff Bezos, der 13 Milliarden Dollar pro Tag, 9 Millionen
Dollar pro Stunde und 5000 Dollar pro Sekunde verdiente, nur wegen mir ein Meeting
hatte.
Einer, der weniger als 50.000 verdiente, der nur versuchte, seine Kollegen während der
Covid-Pandemie zu schützen, brachte ihn dazu, ein Meeting über mich abzuhalten, nur
um zu sagen, dass ich nicht klug genug oder redegewandt sei – was eine weitere
Unterstellung der schwarzen Community ist – dass wir nicht klug oder redegewandt genug
sind, um überhaupt über Gesundheit und Sicherheit, Probleme der Arbeiterklasse oder
ähnliches zu reden.
Das ist auch so ein Teil dieser Unterstellungen, die Angst und Zweifel und Spaltung
erzeugen sollen.
Warum wir unseren Unterdrückern nicht erlauben dürfen, uns das zu unterstellen.
Und denjenigen, die empört sind, aber nicht wissen, was sie tun sollen, werde ich sagen,
ich verstehe, warum ihr Angst habt, euch zu äußern, aber ich sage, dass in der Masse
unsere Stärke liegt.
Wir sind mehr als sie.
99,9 % von uns gehören nicht zur milliardenschweren „Arbeiterklasse”.
Wir sind in der Überzahl.
Wir können ihre Geschäfte schließen und ihr Einkommen kürzen, wenn wir beschließen,
unsere Arbeit zu verweigern. Das ist unsere alles entscheidende Form des Protests.
Unsere Arbeit zu verweigern.
Milliardäre werden keine Milliardäre ohne die Ausbeutung einer Klasse von Menschen.
Unser Wert, wer sind eigentlich die Reichen, das sind wir, aber wir verstehen diesen Wert
nicht in seiner Gesamtheit.
Zu wissen, dass deine Stimme wichtig und unverzichtbar ist, und dass die Palästinenser
selbst eine Stimme haben, aber dass sie getötet werden, wenn sie ihre Stimme erheben.
Wir müssen es für sie tun – und zwar zu Aktionen aufrufen.
Und das ist Solidarität.
Du bist dabei, und es kostet dich nichts, für jemand anderen da zu sein.
Und weißt du, die hast natürlich Angst deine Stimme zu erheben, aber wenn du es als
Gruppe, als Kollektiv tust, ist das extrem kraftvoll.
Und ich bin ein Paradebeispiel dafür.
Meine Gewerkschaft bringt Menschen zusammen.
Genau das ist es auch für die Handala Mission, für uns alle 21 Freiwilligen.
Wir wussten, und ich wusste, dass sogar sie wussten, dass ich als Schwarzer noch
größeren Gefahren ausgesetzt sein könnte als sie.
Und ich hatte ihnen vertraut, dass sie an meiner Seite stehen würden, egal passieren
würde.
Ich rate jedem, seine Stimme zu erheben und das zu tun, wovon du das Gefühl hast, dass
du es aus eigener Kraft schaffen kannst.
Das bedeutet nicht, dass du dich der Flottille anschließt.
Das bedeutet nicht einmal, dass ihr zu einem Protest geht.
Es könnte einfach bedeuten, einen Beitrag in euren sozialen Medien zu teilen.
Alles Mögliche oder sogar noch besser wäre es, wenn ihr anfangt, in eurem eigenen Haus
darüber zu sprechen.
Viele Menschen leben mit Menschen zusammen, die es lieber verdrängen wollen, aber
wenigstens in ihrer eigenen Familie, mit ihren Freunden und Nachbarn reden könnten.
Diese Gespräche, sind auch sehr wichtig.
Wenn ihr Gleichgesinnte findet, hilft es euch, euch noch mehr zu Wort zu melden.
Sucht euch einen Ort, findet eine Gemeinschaft, die zu euch passt, engagiert euch in der
Weise, die euch das Gefühl gibt, dass ihr etwas beitragen könnt.
Wir alle haben eine Rolle einzunehmen.
Zum zweiten Teil deiner Frage, was diejenigen tun können, die das Gefühl haben, dass
ihre Arbeit sinnlos ist?
Jeder hat eine Rolle in diesem Kampf für Menschlichkeit zu übernehmen.
Ja, wir kämpfen für die Befreiung der Palästinenser, denn schließlich sind wir doch alle
Menschen.
Wir kämpfen für die Menschlichkeit und wir kämpfen für unseren Planeten.
Wir kämpfen für unsere Zukunft.
Also sind deine Taten niemals bedeutungslos.
Ob es um einen Protest, ein Camp, den Angriff auf Regierungsunternehmen, Proteste
gegen eine Botschaft, Medienhäuser, Proteste gegen Gewerkschaftshäuser, die
konstruktive Störung von Versammlungen, die Störung von Politikern geht, jeder kann
sich an der Bewegung beteiligen.
Jeder hat eine Rolle zu übernehmen.
Und ich würde einfach sagen: Macht weiter mit dem, was ihr tut, oder geht noch einen
Schritt weiter, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr radikalere Maßnahmen ergreifen müsst.
Wir sagen in der Bewegung, dass konkrete Aktionen immer Wirkung zeigen.
Die Flotilla war meine Art, direkte Maßnahmen zu ergreifen.
Das bedeutet nicht, dass ihr das auch tun müsst.
Es gibt es so viele Leute, von denen wir wissen, dass sie hier in Amerika mitschuldig sind.
Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr direktere Aktionen machen wollt, dann können wir uns
auf diese Leute konzentrieren.
Und ob es um das Weiße Haus mit der Trump-Regierung geht oder um die AFL (American
Football League / Anm. clf), die CEO (die meistergehasste Versicherung der USA / Anm.
clf), oder um einen Gewerkschaftsverband, ich ermutige jeden, zu versuchen, mehr zu tun
als das, was er bisher getan hat.
Buna:
Chris, ich möchte dir gerne für deine Zeit, für dein Engagement und dafür danken, dass du
nicht nur für mich, sondern auch für viele andere, die ich kenne und die sich solidarisch für
die Palästinenser einsetzen, eine Quelle der Inspiration bist.
Wir möchten unseren Zuschauern dafür danken, dass sie sich die Zeit genommen haben,
dieses meiner Meinung nach historische Interview mit unserem Genossen, Freund und
Bruder Chris Mo (Chris Smalls / Anm. clf) anzusehen.
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Ich möchte auch einen besonderen Gedanken an unseren Genossen und Freund Ramzy
Barout richten, der Palästinenser aus Gaza ist und eigentlich heute bei uns sein sollte.
(Ramzy Barout ist amerikanisch-palästinensischer Journalist und Autor mehrerer Bücher
zum Israel-Palästina Konflikt – https://ramzybaroud.net/ / Anm. clf)
Wir hatten einige technische Probleme, die es ihm unmöglich gemacht haben, heute hier
zu sein.
Aber da ich ihn kenne, weiß ich, dass sein Herz bei uns ist.
Auch die „Palestine Chronicle” wird von der US-Regierung angegriffen. US- Kongressabgeordnete wollen, dass er (der Kongress? / Anm. clf) sie verbietet.
Wer kann, sollte die „Palestine Chronicle” so gut wie möglich unterstützen, sei es rechtlich
oder politisch, finanziell oder durch soziale Medien.
Ansonsten teilt bitte weiterhin die Inhalte, die die „Palestine Chronicle” noch produziert.
Sie existiert seit über 26 Jahren an vorderster Front, um den Völkermord in Gaza
anzuprangern, und ja, bitte haltet euch auf dem Laufenden und folgt bitte auch Chris
weiterhin.
Seine Demonstrationen greifen die Leute an, die an dem Völkermord beteiligt sind, und ich
freue mich darauf, das Gespräch mit dir zu fortzusetzen, oder dich persönlich zu treffen.
Vielen Dank, dass ihr zum Block gekommen seid.
Chris:
Auf jeden Fall.
Danke, Bruder.
Danke für die Einladung, ich freue mich auch darauf, dich mal zu treffen.
Und ja, freies Palästina.
Buna:
Danke, für ein freies Palästina.
(Erklärungen des Übersetzers sind mit Anm. clf gekennzeichnet)

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