Zum Verhältnis zwischen Präpositionen und Antisemitismus
Von Willi
In der „WeltPlus“, einer digitalen Zeitung des Axel-Springer-Verlages, vom 3. 10. 2025 bringt der Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, Jacques Schuster, ein „Hoch auf die kleinen Racker!“ aus. Mit nur zwei oder drei Buchstaben würden sie es vermögen, eine Weltanschauung sanft in die Öffentlichkeit zu bringen, die dort wie eine „schleichende Sepsis“ wirken solle: bestimmte Präpositionen. „Sie ähneln einem aufflammenden Zündholz. Mit einem Blitz erhellen sie die Tiefe eines Seelenraumes oder des Zeitgeistes.“ Nach dem Anschlag in Manchester Anfang dieses Monats habe man ihren „Lauf“ verfolgen können.
Was? Was ist los?
Auf verschiedenen Webseiten und in „den“ Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten habe „man“ – der Politpoet meint sich selbst und vielleicht noch einen mithelfenden Kollegen – gelesen und gehört von einem Anschlag >an<, >vor< oder >bei< einer Synagoge, „nie“ aber von einem Anschlag >auf< das jüdische Gotteshaus. Aus dieser angeblichen Beobachtung – gemacht wohl eher mit Hilfe eines Streichholzes und nicht eines Blitzes – konstruiert er, dass der Anschlag mit dem Verhältniswort >auf< judenfreundlich ist, der Anschlag aber mit den Wörtern >an<, >vor< oder >bei<, die eine Entfernung zum Gotteshaus ausdrücken, judenfeindlich. Das sagt der Wortkünstler Schuster nicht direkt, aber indirekt ganz eindeutig, wie Sie gleich sehen werden.
Am 2. 10. 2025 hat ein britischer Mann mit syrischer Abstammung in Manchester zwei Menschen getötet und drei weitere schwer verletzt, er selbst wurde von einem Polizisten erschossen. Jüdinnen und Juden in aller Welt feierten an diesem Tag Jom Kippur, das höchste Fest ihrer Religion. Es ist ein Versöhnungsfest, an dem sich die Gläubigen mit Gott und der Welt zu versöhnen wünschen. Der Täter, der sich nach Polizeiangabe zum Islamischen Staat (IS) bekannte, fuhr mit seinem Wagen in eine Menschenmenge vor der Synagoge und ging später auch mit einem Messer auf sie los.
„Es ist vielsagend, wie sehr sich der Zeitgeist windet, Judenhass … als solchen zu beurteilen.“
Zur Klarstellung: Wer die inhaltsschweren Weltanschauungs-Präpositionen an, vor und bei für den Anschlag in Manchester benutzt, der sorgt für Blutvergiftung in der Öffentlichkeit, und daraus entsteht Antisemitismus. Wer dagegen von Anschlag auf … spricht, dem hat das Zündhölzchen geleuchtet.
Das Verhalten vieler Menschen in der westlichen Welt, der Schreiber nennt sie „Zeitgenossen“, sei die Ursache dafür gewesen, dass sich die Juden vor 1948 einen eigenen Staat gewünscht hätten. Genau dieses Verhalten. Er meint offensichtlich die Schweiger und Mitläufer zwischen 1933 und 1945.
„Zionismus war und ist berechtigt, weil er wegen dieserart Menschen gegründet wurde, die – wenn sie nicht selbst Rassisten waren oder sind – Verbrechen neu benennen, umdeuten, relativieren.“
Und was ist mit der Judenvernichtung durch die Nazis?
Also: Neubenennung, Umdeutung und Relativierung im Zusammenhang mit Manchester bestehen darin, dass angeblich in den Medienberichten der Anschlag nicht gegen die Synagoge als wichtigem Teil des Judentums geführt wurde, sondern „nur“ gegen ein paar Leute in der Nähe. Das beurteilt der „Welt“-Journalist als Ausdruck von Judenhass und Antisemitismus.
Warum? Dazu erzählt der sich in Alarmstimmung gebende Chefredakteur seinen Lesern nichts. Vermutlich meint er, eine Attacke gegen ein jüdisches Gotteshaus hätte mehr Bedeutung als Tod und Verletzung von einigen wenigen Menschen. – Nur eine Vermutung!
Übrigens: Es ist gar nicht wahr, sondern reine Erfindung, dass in deutschen Medienberichten über Manchester „nie“ von einem direkten Anschlag auf … gesprochen worden sei, sondern stattdessen von einer Attacke etwas entfernt von dem Heiligen Haus.
Zum Beleg einige Beispiele, darunter auch ein Produkt des Springer-Konzerns selbst:
> deutschlandfunk.de am 9. 10. 2025: „auf“ und „vor“. Abgerufen am 12. 10. 2025.
https://www.deutschlandfunk.de/polizei-angreifer-von-manchester-bekannte-sich-unmittelbar-vor-anschlag-auf-synagoge-zu-is-104.html
> zeit.de am 3. 10. 2025: „auf“ und „bei“. Abgerufen am 12. 10. 2025.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-10/terroranschlag-manchester-ein-toter-moeglicherweise-durch-polizei-schuss
> Frankfurter Rundschau (fr.de) am 3. 10. 2025: „auf“. Abgerufen am 12. 10. 2025.
https://www.fr.de/politik/anschlag-auf-synagoge-in-manchester-erschuettert-juedische-gemeinde-93968769.html
> taz.de am 4. 10. 2025: „auf“. Abgerufen am 12. 10. 2025.
https://taz.de/Nach-dem-Anschlag-in-Grossbritannien/!6117572/
> spiegel.de am 3. 10. 2025: „vor“ und „auf“. Abgerufen am 12. 10. 2025.
https://www.spiegel.de/ausland/manchester-angriff-vor-synagoge-ein-opfer-starb-offenbar-durch-schuss-der-polizei-a-2b56b18e-f516-468e-a3e8-535130ee0968
> bild.de am 3. 10. 2025: „vor“ und „auf“. Abgerufen am 12. 10. 2025.
https://www.bild.de/news/ausland/manchester-nach-sieben-minuten-terror-erschoss-polizei-den-attentaeter-68de9c29f72991c6ed6615ed
Die Beispiele zeigen, die Behauptungen des Propagandisten Schuster sind allesamt falsch. Die Präposition „auf“ im Zusammenhang mit dem Anschlag wird überall verwendet, auch in der „Bild“, dem Schwester-Blatt von „WeltPlus“.
Raus mit den Judenhassern!
Der zurzeit gefährlichste, weil gewalttätigste und breitflächigste Judenhass gehe nach Schuster von der arabisch-muslimischen Minderheit aus. „Beseitigt ihn und korrigiert die Fehler, die Euch spätestens seit 2015 unterlaufen sind. Sonst war es das mit den rund 100.000 Juden, die noch in Deutschland leben. Entweder wir oder die. Ein Sowohl-als-auch wird es langfristig nicht geben. Ihr habt die Wahl. Entscheidet!“, ruft Schuster, selbst Jude, Politiker und organisierte jüdische Mitbürger auf.
Insgesamt: Die Schläge des Springer-Mediums „WeltPlus“, die auch in anderen Produkten des Verlages ausgeteilt werden, sind ein Mix aus Manipulation, Propaganda und Unwahrheit. Ziel ist offensichtlich der „Zeitgeist“ in liberalen und linksliberalen Medien, wie „Deutschlandradio“, „Spiegel“, „Zeit“, „Süd-deutsche Zeitung“ und einigen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Da man ihnen echten Antisemitismus anscheinend nicht nachweisen kann, schon eher mal Anti-Israelismus – wird dann allerdings gern verwechselt –, saugen Rechtskonservative und -extreme bei Springer und anderswo ihn sich aus den krummen Fingern. Mit untauglichem „Fakten“-Material, mit Hetze und Hass und in Dunkelheit..