Veranstaltungsarchiv

Jour Fixe 163

Datum: 02/05/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00

IG Metall, Verdi, DGB & Co. – Juniorpartner im militärisch-industriellen Komplex?

DGB 1984: Abrüsten statt aufrüsten

„Gute Arbeit“: Verteidigungsminister Thomas de Maizière zu Besuch in der DGB-Zentrale (2013)

IG-Metall: Klares Bekenntnis zur Aufrüstung

Referent: Malte Meyer (Köln)
Autor des Buches „Lieber tot als rot. Gewerkschaften in Deutschland seit 1914“

Die Gewerkschaften in der Bundesrepublik sind, so jedenfalls ein weit verbreitetes Urteil, „Teil der Friedensbewegung“. Wie kommt es dann aber, dass sich die IG Metall für Rüstungsaufträge stark macht, Verdi Standortschließungen der Bundeswehr kritisiert und die DGB-Spitze sich noch vor wenigen Jahren ganz offen um eine engere Kooperation mit der Bundeswehr bemühte? In seiner unlängst erschienenen Geschichte des Verhältnisses von Militär und Gewerkschaften in Deutschland geht der Historiker Malte Meyer der These nach, dass sich die deutschen Gewerkschaften spätestens seit ihrem Burgfriedensschluss 1914 der antikommunistischen Räson des kapitalistischen Staates unterordneten.

Einige Ergebnisse seiner Recherchen wird er auf unserem Jour Fixe anhand exemplarischer Stationen, Karrieren und Standorte präsentieren und zur Diskussion stellen.

Das Buch von Malte Meyer erschien im November 2017 im Verlag: edition assemblage

Jour Fixe 162

Datum: 04/04/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

1917. Aufstieg und Fall der
Arbeitermacht in Rußland

Vorstellung des Buches durch die Autoren Rainer Thomann (Zürich) und Anita Friedetzky (Hamburg)

Jour Fixe 161

Datum: 11/03/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: MPZ, Sternstr. 4 (1. Stock) gegenüber U-Bahn Feldstr.

International: ArbeiterInnen im Kampf gegen Amazon

 Amazon-AktivistInnen aus Poznan, Bad Hersfeld, Brieselang (bei Berlin) berichten von ihren Erfahrungen

Bei Amazon hat sich die wohl eigenwilligste Streikbewegung der letzten Jahre entwickelt.

Hier geht es nicht nur darum, Angriffe auf die Arbeitsbedingungen zurückzuschlagen oder Arbeitsplätze gegen eine drohende Massenentlassung zu verteidigen. Bei Amazon wollen die Arbeiter mehr. Sie wollen ein größeres Stück vom Kuchen, sie wollen den krankmachenden Arbeitsdruck abschaffen, sie kämpfen um ihre Würde und wollen Zugeständnisse nicht als Almosen sondern in Form eines Tarifvertrags.

Sie haben sich einen besonderen Gegner! Amazon-Chef Jeff Bezos ist der reichste Mensch der Welt und zur Unternehmensstrategie des US-Konzerns gehört es, das Unternehmen gewerkschaftsfrei zu halten.

Die Auseinandersetzung ging aus von einer sehr überschaubaren Gruppe von Amazon-Beschäftigten, die sich von dieser Situation herausgefordert fühlten und sich daran machten, Kollegen für einen Kampf gegen Goliath zu gewinnen. Sie nutzten dazu die Strukturen und Möglichkeiten der Gewerkschaft Verdi und auch das deutsche Streikrecht, das Streiks nur in einer Tarifauseinandersetzung zuläßt. Doch indem der kämpferische Teil der Amazon-Beschäftigten den Abschluß eines Tarifvertrags fordert, den der Konzern beharrlich verweigert,  befindet man sich in der komfortablen Situation, seit Mai 2013 in einer Tarifauseinandersetzung zu sein und jederzeit streiken zu können.

Die Streikbewegung versteht sich als Basisinitiative. Sie geht von den Beschäftigten aus. Aktivisten reisten zu anderen Standorten, um dort neue Mitstreiter für den Kampf zu gewinnen. Mit jeder Arbeitsniederlegung wächst die Zahl der Teilnehmer.

In Poznan (Polen) wollten Amazon-Beschäftigte mehr von den Arbeitskämpfen ihrer KollegInnen in Deutschland erfahren und suchten den direkten Kontakt. Sie gründeten die Basisgewerkschaft IP (Arbeiterinitiative) und diese neue Gewerkschaft hatte für die KollegInnen eine so große Attraktivität, daß sich in ihr mehr Amazon-ArbeiterInnen organisierten, als in der Solidarnosc. (Neuerdings haben sich in dieser Gewerkschaft auch VW-Arbeiter organisiert, die von der Solidarnosc enttäuscht sind.) Die IP hat darüber hinaus Beschäftigte anderer Branchen organisiert und engagiert sich auch in der Stadtteilarbeit.

Wenn in Deutschland an Amazon-Standorten gestreikt wurde, organisierten die KollegInnen in Poznan einige Male Bummelstreiks, trotz Sanktionen.

Es gibt einen regelmäßigen Austausch zwischen den polnischen und deutschen Aktivisten, doch gegen den global operierenden Konzern hat man KollegInnenkontakte in weitere Länder aufgebaut mit dem Ziel, auch grenzüberschreitend zu kämpfen.

Die KollegInnen machen eine Rundreise durch mehrere Städte: Kiel, Hamburg, Bremen und haben ein Treffen mit KollegInnen in dem im vorigen Jahr eröffneten Standort Winsen/Luhe.

Foto: https://makeamazonpay.org/

Jour Fixe 160

Datum: 03/03/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: DIDF-Hamburg, Beim Strohhause 26, 20097 Hamburg

Kämpfe in Krankenhäusern in Hamburg, Berlin und Bremen

Seit Jahren machen die Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern mobil. Grund für die Streiks und Proteste ist v.a. die immer härtere Arbeitsverdichtung in der Pflege. Zudem kämpfen ausgelagerte Kolleg_innen gegen befristete Verträge und Armutslöhne im Krankenhaus.

Wir werfen einen Blick auf die aktuellen Stand der Mobilisierungen in Berliner, Hamburger und Bremer Krankenhäusern. Dazu schauen wir uns gemeinsam kurze aktuelle Videos an. Zu Gast sind Beschäftigte die aus erster Hand berichten, sowie ein Sprecher des Pflegebündnisses Hamburg.

Veranstalter: jour fixe hamburg, Pflegebündnis Hamburg, labournet.tv

http://www.pflegenotstand-hamburg.de/
https://gewerkschaftslinke.hamburg/
http://labournet.tv/

Jour Fixe 159

Datum: 31/01/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

Die Prozesse nach dem G20-Gipfel in Hamburg.

Warum saß Fabio V. vier Monate in Haft?

Polizeistaat Hamburg. Oder: Das Fehlen politischer Streiks

Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die Strafverteidigerin von Fabio V., wird zu folgenden Stichpunkten referieren:

  • Es gab in diesem Land schon mal den bewaffneten Kampf um die Herrschaft – aber bestimmt nicht im Juli 2017. (Das war im November 1917!). – Was es jetzt gab, war ein Polizeistaatsszenario, eine harte Polizeitaktik, die bewusst auf Eskalation setzte.
  • Polizeitaktik war ein gigantischer Angriff auf die Versammlungsfreiheit, wir müssen sie nicht nur verteidigen, wir müssen sie wieder erkämpfen.
  • Vermummung? Darf die Staatsmacht und die Bürger nicht? Über eingekesselte mobile Demonstrationen, bei denen niemand anonym bleibt.
  • Wer hat Angst vorm „Schwarzen Block“? Und: Wie organisiert sich heute die linke Jugend?
  • Wo war eigentlich die Arbeiterschaft – wie ist die Rolle der Gewerkschaften?
  • Eine Sondergefängnis für politische Gefangene und ein Sondergericht in Hamburg Neuland.
  • Fabio hat fast fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen, obwohl ihm bis heute kein konkreter Tatvorwurf gemacht wird. Über die Definition eines jungen Demonstranten als (Staats)Feind.
  • 114 StGB – ein Gesetz gegen die kollektive Meinungsfreiheit, eine Provokation gegen das Versammlungsrecht.
  • Rechtswidrige Durchsuchungen zur Erforschung von Strukturen.
  • Öffentlichkeitsfahndung als Ausdruck einer Law&Order Politik und als Pranger.

Was tun wir jetzt?

Infos zum Jour Fixe:
Interview mit Fabio V.
http://www.sueddeutsche.de/politik/hamburg-besuch-bei-einem-g-gegner-in-untersuchungshaft-1.3621825
Heiko Lange (Rote Hilfe):
https://www.jungewelt.de/artikel/324436.es-geht-um-die-verteidigung-von-grundrechten.html?print=1

Beim Jour Fixe sammeln wir für Fabio. Hier die Konto-Nr. für Koll., die nicht kommen können:
Rote Hilfe e.V.: Stichwort „G20“. IBAN: DE25 2605 0001 0056 0362 39 BIC: NOLADE21GOE
Ermittlungsausschusses: Stichwort „ea“. IBAN: DE91200100200045248207 BIC: PBNKDEFFXXX

Foto: Interventionistische Linke

Jour Fixe 158

Datum: 03/01/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

Selbstorganisierung
rund um Alltagskämpfe

Vortrag und Diskussion mit den Initiativen „Solidarisch in Gröpelingen“ aus Bremen, „St. Pauli solidarisch“ und „Wilhelmsburg solidarisch“ (angefragt), beide Hamburg.

In den letzten Jahren sind in vielen Städten unterschiedliche Initiativen entstanden, die den Aufbau von selbstorganisierten kollektiven und kämpferischen Strukturen rund um alltägliche Konflikte ins Zentrum ihrer politischen Aktivitäten stellen. Strukturen, in denen Kämpfe gegen Ausbeutung auf dem Amt, der Arbeit, gegen Zwangsräumungen und Mieterhöhungen, rassistische Polizeikontrollen oder patriarchale Gewalt zusammen laufen und die in der Lage sind, eine solidarische Kultur hervorzubringen. Dazu zählen Initiativen, wie Wilhelmsburg Solidarisch oder St. Pauli Solidarisch, die mit den Anlaufpunkten Räume geschaffen haben, in denen sich Menschen gemeinsam und solidarisch in Alltagskonflikten unterstützen, stärken und zur Wehr setzen. Oder Solidarisch in Gröpelingen aus Bremen, die in ihrem Ansatz stärker auf den Stadtteil als Ort der Organisierung fokussieren und u.a. den Aufbau einer Stadtteilgewerkschaft anstreben.
Die verschiedenen Initiativen sind aus unterschiedlichen Gründen entstanden: teils aus Frustration und Kritik gegenüber einer an Kampagnen, Gipfelmobilisierungen und Szenepolitik orientierten radikalen Linken, die die Organisierung in alltäglichen Kämpfen eher sekundär betrachtet. Teils aus der Erfahrung, dass Organisierungsansätze in den Betrieben aufgrund der zunehmenden Flexibilisierung, Prekarisierung und Dominanz reformistischer Gewerkschaften schwierig geworden sind und zudem viele Menschen und Unterdrückungsformen außen vor lassen.
Auf der Veranstaltung stellen die drei genannten Initiativen ihre jeweiligen Ansätze vor, ihre Entstehungsgeschichte, zentralen Aktivitäten und Ziele. Im Anschluss bleibt genug Zeit, um gemeinsam über Potentiale, Schwierigkeiten, offene Fragen und Lücken dieser Organisierungsansätze zu diskutieren.

Jour Fixe 157

Datum: 06/12/2017
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

Betriebsratswahlen Frühjahr 2018

Von der Notwendigkeit der Einheitsliste in der gesetzlichen Interessenvertretung

Referentin: Beate Schwartau (Hamburg)

Wie kann dies gelingen?
Wie kann die gesetzliche Interessenvertretung solidarisch handeln und sich gegenseitig stärken?

Struktur und Impulse für eine strategische BR/ PR / MAV Wahl:

  • Die Notwendigkeit der „Einheit-Liste“ im Wahljahr 2018
  • Sich abgrenzen können und das Koalieren lernen
  • Welche drei strategischen Ziele setzen sich Betriebsräte und andere gesetzliche Interessenvertretungen, was gilt es zu erreichen?
  • Tachelesreden im Umgang mit rechten Betriebsräten in den gesetzlichen Interessenvertretungen (Beispiel: AfD & Aida im Kontext des § 74 BetrVG)

Dann: Diskussion mit Beate Schwartau. Beate  arbeitet seit knapp 30 Jahren mit gesetzlichen Interessenvertretungen als Solo-Selbstständige zusammen.Sie ist Autorin der Bücher: „Neu im Betriebsrat- Bund Verlag“ und „GBR/KBR – Bund Verlag“. Beate Schwartau ist ver.di Mitglied.

Vorweg in der aktuellen halben Stunde: Bericht der Unterstützungsarbeit der Gruppe „GewerkschafterInnen Gegen Fertigmacher/Union Busting“.   Eine Zwischenbilanz nach drei Jahren.

Jour Fixe 156

Datum: 01/11/2017
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

Klassenkampf von oben! Was setzen wir dagegen?

Referat und Diskussion mit Wolfgang Schaumberg, GoG/früher Betriebsrat bei Opel Bochum

Der Kollege Schaumberg arbeitete über 30 Jahre bei Opel Bochum und war Mitbegründer der Betriebsgruppe GoG (Gewerkschafter ohne Grenzen)

Rüsselsheimer Opelaner demonstrieren während des siebentägigen selbständigen Streiks in Bochum im Oktober 2004 (rf-foto)

In der Zeitschrift expreß, erscheint in der Ausgabe 9/2017 ein grundlegender Text von ihm. Express schreibt dazu:„Anlass für das Papier von Wolfgang Schaumberg ist seine Beobachtung, dass gerade bei jungen Linken das Interesse an der Masse der den Reichtum und die Macht der Kapitalistenklasse in den Großbetrieben produzierenden Menschen und an ihrem Verhältnis zur Gewerkschaft relativ gering ist. Entsprechend wenig ernst genommen werde die ideologische Beeinflussung im Betriebsalltag durch Theorie und Praxis vieler »Interessenvertreter«. Das Papier will die Diskussion anregen und dazu auffordern, systematisch auf einzelne Belegschaften zuzugehen und Vernetzung zu suchen. Das erfordert zwar langen Atem. Ohne den aber bleibt die erträumte Revolution in allen Ewigkeiten ein Traum…“

Der Kollege Schaumberg schreibt: „Ohne dass immer mehr Menschen gegen Verschlechterungen ihrer Arbeits- und Lebenssituation und für sinnvolle Reformen auf die Straße gehen, haben revolutionäre Linke keine Chance, die notwendige Debatte über die Systembedingtheit beklagter Entwicklungen sowie über die Möglichkeit einer anderen Gesellschaft wirksam unter die Leute zu bringen. Das ist nicht diskutierbar mit denjenigen – zumeist bildungsprivilegierten – Linken, die sich beim Weltinterpretieren im linksintellektuellen Selbstbefriedigungsmilieu wohlfühlen und die dann eines Tages mit dem guten Gefühl, Recht gehabt zu haben, das Zeitliche segnen.

Zu unterstützen sind deshalb all die Linken, die sich zum Beispiel in ihren Stadtvierteln, in den noch verbliebenen Betriebsgruppen, in Mieter- oder vielerlei anderen Initiativen mit den Leuten zusammentun, Gegenwehr organisieren oder ein anderes Zusammenleben und -arbeiten einüben.

Als revolutionäre Linke müssen wir uns mit der Tatsache auseinandersetzen, nach wie vor nur eine kleine Minderheit zu sein, müssen unsere Schwächen einkreisen und über zukunftsträchtige Vorschläge solidarisch streiten“.

Er geht dabei auf seine über 30 Jahre praktischen Erfahrungen bei Opel Bochum ein.

Wir wollen mit ihm die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Organisierung von Widerstand gegen „den Klassenkampf von oben“ in allen Branchen der Wirtschaft, an allen Arbeitsplätzen erörtern. Und dabei die Erfahrungen und Erkenntnisse mit einbeziehen, die wir mit unserem Projekt „Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg“ seit 2005 gemacht haben!

Wir sind sicher, daß wird ein spannender und erkenntnisreicher Abend!

Zur Vorbereitung auf den Abend empfehlen wir zwei Texte:

Schaumberg, Wolfgang (2006): »Eine andere Welt ist vorstellbar? Schritte zur konkreten Vision, oder: Zur Aufgabe von postkapitalistisch orientierten Linken am Beispiel des Kampfes in Auto-Multis«, Reihe Ränkeschmiede, Nr. 16, online unter: https://www.labournet.de/diskussion/arbeit/prekaer/anderewelt.pdf Und weiterhin auf den Artikel von

Werner Seppmann: Wie steht es mit dem Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen? Widerspruchserfahrungen und Gesellschaftsbilder im Kapitalismus: https://www.jungewelt.de/artikel/319981.an-und-f%C3%BCr-sich.html

Foto Rote-Fahne: https://www.rf-news.de/2017/kw24/opel-chef-zurueckgetreten-wir-nehmen-es-auch-mit-neumanns-nachfolger-auf

Jour Fixe 155

Datum: 04/10/2017
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

Soziale Kämpfe gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Ostdeutschland 1990 bis 1994

Vortrag und Diskussion mit Bernd Gehrke (Berlin)

1989 Mitbegründer der Initiative für eine vereinigte Linke in der DDR, zuletzt Herausgeber und Autor von „Dokumente der Initiative Ostdeutscher und Berliner Betriebsräte, Personalräte und Vertrauensleute“, Berlin 2017 und „Soziale Kämpfe gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Ostdeutschland 1990 bis 1994“, Berlin 2017.

Insbesondere jüngere Aktivist/innen in Gewerkschaften und sozialen Bewegung verbinden mit Ostdeutschland primär Nationalismus und Rassismus. Anlässe dafür gibt es zwar zahlreich. Doch können die heutigen Zustände in Ostdeutschland nicht erklärt werden ohne die Analyse der Niederlagen emanzipatorischer Kämpfe und die sie begleitenden Entsolidarisierungsprozesse. Diese Kämpfe sind in der jüngeren Generation nahezu unbekannt. Selbst ältere Kolleginnen und Kollegen können sich nur mühsam an den Kampf der Kali-Kumpel in Bischofferode erinnern, der 1993 bundesweit eine Welle der Solidarität unter Gewerkschaftslinken ausgelöst hatte. Und das Gros der damaligen Kämpfe in Ostdeutschland ist auch den meisten engagierten Gewerkschafter/innen Westdeutschlands verborgen geblieben.

Heute, wo in vielen Ländern in den Zonen der Deindustrialisierung rechte Hochburgen entstanden sind, ist es höchste Zeit sich auch an die Niederlagen emanzipatorischer Kämpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter in Ostdeutschland gegen die Deindustrialisierung zu erinnern, wie an die in Großbritannien, Frankreich oder in den USA. Das ist umso notwendiger, als wir in Ostdeutschland die ersten Jahre nach 1990 mit jährlich zwischen 150 bis 200 selbstorganisierten, so genannten wilden Streiks eine Hoch-Zeit betrieblicher Widerstandsaktionen gesehen haben, die mit einer Vielzahl anderer Protestformen verbunden waren wie Massendemonstrationen, Straßen- oder Autobahnblockaden. Doch diese Aktionen des Widerstands gegen die Privatisierungspolitik der Kohl-Regierung und ihrer Treuhandanstalt sind ebenso wenig in das „linke Gedächtnis“ eingegangen wie zahlreiche Betriebsbesetzungen, die Besetzung des Rügendamms oder des Dresdener Flughafens in Klotzsche. Nicht nur die Erklärung bestimmter Widersprüche im deindustrialisierten Ostdeutschland der Gegenwart, sondern auch die Notwendigkeit der Einbeziehung emanzipatorischer Kämpfe in Ostdeutschland in eine gesamtdeutsche Geschichtsdarstellung von unten verlangen eine Aufarbeitung dieser Kämpfe.

Dafür ist es notwendig, endlich das Beschweigen des Widerstands gegen die Treuhand-Politik der Kohlregierung durch etablierte Politik und Medien zu durchbrechen, aber auch die Ignoranz vieler westdeutscher Linker, die häufig einer Kritik an der „Kapitalismus-Gläubigkeit“ ostdeutscher Arbeiterinnen und Arbeiter entsprang. Die jetzt wieder in der bürgerlichen Öffentlichkeit aufgelebte Debatte über die Geschichte der Treuhand-Anstalt bietet zudem den notwendigen Anlass für eine Intervention der emanzipatorischen Linken mit einer eigenen Geschichtsdarstellung der Privatisierungspolitik der Kohl-Regierung, zu der unbedingt der Widerstand von unten gehört.

Fragen
Welche Voraussetzungen brachten die Ost-Belegschaften in den Widerstand ein? Welche Ausmaße und welche Formen hatte der soziale Widerstand in Ostdeutschland gegen die Treuhandpolitik? Was waren Ursachen des Scheiterns dieses Widerstands? Welche Rolle spielten die Gewerkschaften?

Ausgew. Bücher von Bernd Gehrke:
Mithersg.: „Der betriebliche Aufbruch im Herbst 1989: Die unbekannte Seite der DDR-Revolution“. Diskussionen – Analysen – Dokumente“, Berlin 2001 (mit Renate Hürtgen); hrsg. und mit einem Vorwort versehen: „Dokumente der Initiative Ostdeutscher und Berliner Betriebsräte, Personalräte und Vertrauensleute. …“, Berlin 2017; „Soziale Kämpfe gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Ostdeutschland 1990 bis 1994.“, Die Buchmacherei Berlin 2017. (Im Erscheinen)

Informationen zum Thema:
Dietmar Dathe/Renate Hürtgen: »Gewerkschaften im Einheitsprozess« – über eine Tagung zur gesamtdeutschen Gewerkschaftsgeschichte samt notwendiger Anmerkungen, in: Express. Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Nr. 1/2016, S. 14.

Renate Hürtgen: „Scharfer Wind aus Osten“, ND vom 23. Juni 2017, S. 6; https://www.neues-deutschland.de/artikel/1054994.scharfer-wind-aus-osten.html

Ines Wallrodt: „Es tut sich was in den Ostbetrieben“. Ein Gespräch (mit Ingrid Artus) über verlorene Kämpfe in Ostdeutschland und eine neue Generation in den Betrieben, ND vom 23. Juni 2017, S. 6; https://www.neues-deutschland.de/artikel/1054995.es-tut-sich-etwas-in-den-ostbetrieben.html

Dokumente der Initiative Ostdeutscher und Berliner Betriebsräte, Personalräte und Vertrauensleute. Materialien zur Tagung Ostwind – Soziale Kämpfe gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Ostdeutschland 1990 bis 1994, herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Bernd Gehrke für den AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West, 2. korr. Aufl, Berlin 2017; https://geschichtevonuntenostwest.files.wordpress.com/2017/07/Gehrke_Doku BR-Ini_zweite korr Auflage_19.Aug.2017_Internet

Jour Fixe 154

Datum: 06/09/2017
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang

Der Weg in die Altersarmut in Deutschland
Die Organisierung von Widerstand gegen das sinkende Rentennivau

Vortrag und Diskussion mit Reiner Heyse (Seniorenaufstand Neumünster/Kiel)
Der Kollege Reiner Heyse (IGM) ist Mit-Initiator des Seniorenaufstandes.

In  der aktuellen halben Stunde vorab: Ulf Wittkowsky (BR Daimler Harburg, Alternative Liste) zu den Auswirkungen von Industrie 4.0

Seit drei Jahren formiert sich Widerstand gegen die geplante Altersarmut der neoliberalen Parteien. Es hat sich ein Kreis von Gewerkschaftsmitgliedern (Seniorenaufstand) gebildet, der über den drohenden Weg in die Altersarmut aufklären will um das zu verhindern. Im Interesse der Rentner wie der Berufstätigen. Ihre aktuelle Devise zur Bundestagswahl im September lautet: „Wer Rentner quält wird nicht gewählt“!

Wie alles anfing:

Zur Kampagne: „Politiker, die nichts gegen systematische Altersverarmung unternehmen, sind für uns nicht wählbar!“
Auf einem Seminar am 10.6.14 beschlossen 35 IGM-Senioren aus den Verwaltungsstellen Flensburg, Kiel, Neumünster und Rendsburg, dass Schluss sein muss mit der unerträglichen Rentenpolitik der letzten 20 Jahre.

Die Erklärung an alle Politiker, die in Parlamenten sitzen oder in Parlamente gewählt werden wollen, ist sehr deutlich: Sie werden nicht gewählt, wenn sie die Rentenpolitik nicht grundlegend ändern wollen.

Und das völlig zu Recht: Warum soll ich einen Politiker wählen, der mir wissentlich und nachhaltig die wichtigste Lebensgrundlage untergräbt oder ganz raubt?

Verhalten sich die Rentner_innen dieser Republik (über 20 Millionen) entsprechend der Erklärung, können die Verhältnisse zum Tanzen gebracht werden. Und die Jüngeren sind gut beraten sich anzuschließen, denn: Ihre Zukunft ist die Rente.

Fakten zu den künftigen Rentenkürzungen:

Sinkendes Rentenniveau – die ganze Wahrheit nach Steuerabzug

Die zunehmende nachgelagerte Besteuerung wird das Nettorentenniveau um weitere 9% absenken. Bekannt ist: das Rentenniveau (netto vor Steuerabzug) sinkt. Von 2000 bis 2015 ist es von 53% auf 47,6% gedrückt worden. Es wird bei unveränderten Gesetzen im Jahr 2030 auf ca. 44% bis 43% gesunken sein.

Die Absenkung beträgt also über einen Zeitraum von 30 Jahren ca. 20%. Sie ist tatsächlich aber noch deutlich höher. Dafür wird die zunehmende Besteuerung der Renten sorgen. Vorsichtig gerechnet sinkt das Rentenniveau bei dem sogenannten Eckrentner noch einmal um weitere 9%.

Reales Nettoeinkommen ist das, was ich auf meinem Konto oder in meinem Portmonee zur Verfügung habe. Das Rentenniveau wird aber seit 2005 mit „netto vor Steuern“ angegeben. Das große Geheimnis der verschwiegenen Besteuerung hat es aber in sich. Die Steuerabzüge nehmen für Rentner zu (weil der Altersfreibetrag bis 2040 auf 0 € heruntergefahren wird), während sie für Arbeitende abnehmen (weil die Altersvorsorgeaufwendungen bis 2025 zu 100% berücksichtigt werden).

Es geht auch anders – wie das Beispiel Österreich zeigt. Dort erhalten die RenterInnen 80 Prozent ihres früheren Lohnes und nicht nur 47 Prozent wie in Deutschland!

Warum ist das so?

Was bezwecken die Herrschenden in Deutschland mit ihrer Rentenpolitik?
Haben die Gewerkschaften überhaupt eine wirksame Gegenstrategie?
Was können wir tun außer zur Wahl zu gehen im September?

Vorab-Information:

http://www.seniorenaufstand.de/sinkendes-rentenniveau-die-ganze-wahrheit/
http://www.seniorenaufstand.de/wp-content/uploads/2016/07/Betriebsversammlung-bei-xyz.pdf
heute-show vom 2.6.17 zum Betriebsrentenstärkungsgesetz:
https://www.zdf.de/comedy/heute-show/sommerstussverkauf-102.html
Die Anstalt erklärt das 3- bis 4-Säulen Modell:
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-rente-100.html
… und das Rentensystem in Österreich:
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-oesterreich-100.html