Aufstand in Lateinamerika – an den Beispielen Chile und Haiti
Die Welt ist in Aufruhr und Lateinamerika ist einer der Schwerpunkte der Revolte. Anhand der seit Monaten tobenden Aufstände in Haiti (seit Mitte September) und Chile (seit dem 18. Oktober) wollen wir diskutieren, was das Gemeinsame und Besondere der aktuellen Bewegungen ist.
Mit Berichten von Katja Maurer zu Haiti und Alix Arnold zu Chile.
10 Jahre nach dem verheerenden Erdbeben befindet sich Haiti in der größten politischen, sozialen und ökonomischen Krise. Seit Sommer 2018 bis heute finden regelmäßig Demonstrationen gegen die politische Klasse statt. Seit September 2019 ist das Land durch Barrikaden und Demonstrationen blockiert. Gefordert wird nicht nur der Rücktritt des Präsidenten Moisse, sondern ein grundlegender Systemwechsel. Es geht um Würde, Freiheit und soziale Rechte und knüpft an die revolutionäre Geschichte Haitis an. Die Bewegung ist nicht nur jung, sondern auch transnational und geht auch von der großen haitianischen Diaspora in Kanada und den USA aus.
In Chile war die Erhöhung der Fahrpreise bei der Metro in Santiago der Auslöser. Nachdem Schüler*innen bei Aktionen in den Metrostationen brutal angegriffen wurden, breitete sich der Aufstand auf das ganze Land aus. „Es geht nicht um 30 Pesos, es geht um 30 Jahre“ hieß es nun. Um 30 Jahre angeblicher Demokratie, in denen in diesem Musterland des Neoliberalismus die Politik von Privatisierung und Verarmung auf die Spitze getrieben wurde. In Stadtteilen und Armensiedlungen treffen sich die Bewohner*innen seitdem in regelmäßigen Versammlungen. Gemeinsame Forderung ist eine neue Verfassung. Die derzeitige stammt noch aus der Diktatur. Es geht ums Ganze.
Eines der Epizentren des Aufstands ist der „Platz der Würde“ (früher Plaza Italia) in Santiago. Dort finden jeden Tag Demonstrationen statt. Die Demonstrant*innen sind mit einer ungeheuren Repression der Carabineros konfrontiert, mit denen sich die Jugendlichen der Primera Línea, der „ersten Reihe“ tägliche Straßenschlachten liefern. Sie sind es, die immer wieder den Platz zurückerobern und die Massendemonstrationen möglich machen – die Held*innen des Aufstands.
Hier noch zwei Filmtipps, zu den Hintergründen und Kampfformen des Aufstands in Chile:
https://de.labournet.tv/chile-flammen
https://de.labournet.tv/chile-ist-aufgewacht
Katja Maurer arbeitet bei der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international und verantwortet die Vierteljahreszeitschrift „rundschreiben“. Seit zehn Jahren beschäftigt sie sich publizistisch mit Haiti. Im Frühjahr erscheint das Buch „Haitianisch Renaissance – der lange Kampf um postkoloniale Emanzipation“, das sie gemeinsam mit der Journalistin Andrea Pollmeier verfasst.
Alix Arnold gehört zum Redaktionskollektiv der Zeitschrift ila: http://www.ila-web.de/
Über ihre Reise nach Santiago im Dezember sind erste Berichte auf Labournet zu finden: https://www.labournet.de/?p=160060
Foto: Andrés Bravo, AFI Santiago, Vereinigung unabhängiger Fotograf*innen. https://www.facebook.com/afisantiago/
AFI Santiago ist eine Gruppe von Fotograf*innen, die Menschenrechtsverletzungen durch die Carabineros in der „ersten Reihe“ (Primea Linea) dokumentieren. Besonders charakteristisch sind dabei Augenverletzungen, bislang wurden mehr als 350 Demonstrant*innen z.T. schwer verletzt. Die ausgeschossenen Augen sind zu einem Symbol der Protestbewegung geworden. Das Foto zeigt eine Demo von Frauen gegen die Polizeigewalt.
AFI Santiago, Vereinigung unabhängiger Fotograf*innen. bezieht sich auch auf die Gruppe AFI, die während der Diktatur die Proteste und Repression fotografisch dokumentiert haben. Diese Fotograf*innen haben durch die Repression viel von ihrer Ausrüstung verloren. Die Carabineros zielen nicht nur auf Augen, sondern auch auf Objektive. Wir wollen Spenden sammeln um die Gruppe zu unterstützen.