Jour Fixe 206

Datum: 01/02/2023
Uhrzeit: 18:30 - 21:00
Ort: Curiohaus. Rothenbaumchaussee 15, Hofdurchgang, 20148 Hamburg
Jour Fixe
Benedikt Hopmann
Benedikt Hopmann

Einladung zum 206. Jour Fixe am 01. Februar 2023 um 18 Uhr 30

 

Vom ökonomischen zum politischen Streik – der unverzichtbar ist!

 

Referent: Benedikt Hopmann, Anwalt Arbeitsrecht in Berlin

Der Kollege Hopmann ist vielen bekannt durch seine Verteidigung von Emmely (Barbara Emme), mit der er das Verfahren wegen „Verdachtskündigung“ vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt gewann. https://de.wikipedia.org/wiki/Fall_Emmely

Er und Emmely waren seinerzeit bei einem Jour Fixe.

Er referierte auch anläßlich des Neupackstreiks auf einer Soli-Veranstaltung von ver.di 08 im Gewerkschaftshaus.

Zur Zeit verteidigt er drei Riders (Gorillas-Beschäftigte) in Berlin.

Eine Verbesserung des Streikrechts kann nur erstreikt werden. Das gilt sowohl für den verbandsfreien als auch für den politischen Streik.

Die Gorillas-Beschäftigten haben einen wichtigen ersten Schritt getan. Jetzt ist es an den Gerichten, deren mutiges Handeln zu schützen und das rückständige deutsche Streikrecht an die Europäische Sozialcharta anzupassen.

Über den Streik haben wir Demokratie und Frieden durchgesetzt. Die erste deutsche Republik wurde 1918 durch einen Generalstreik erzwungen und 1920 gegen den Kapp-Lüttwitz Putsch verteidigt.

Später hatten die Beschäftigten diese Kraft nicht mehr – mit verheerenden Folgen.

Was wir einmal über den Streik erzwungen haben, müssen wir über den Streik verteidigen können. Der politische Streik ist unverzichtbar.

Der Krieg zerstört alles und gefährlich ist die schrittweise Zerstörung der Demokratie. Dagegen müssen wir uns mit den Mitteln des Streiks wehren können.

Doch in Deutschland stoßen wir schon mit Aufrufen zu Klimastreiks, mit Aufrufen zu Arbeitsniederlegungen gegen Rechts oder mit Aufrufen zu Streiks für die Rechte der Frauen an die Grenzen eines restriktiven und rückständigen Streikrechts.

Es war der kalte Krieg und die Restauration unter Adenauer, die Hans Carl Nipperdey in eine Position brachte, in der er das deutsche Streikrecht prägen konnte. Schon während der Weimarer Republik hatte er einen “wirtschaftsfriedlichen” Kurs vertreten. Im Faschismus war er Kommentator des faschistischen Arbeitsrechts AOG gewesen und hatte sich in der Akademie für Deutsches Recht daran beteiligt, die Ideologie des Faschismus in Gesetze zu gießen.

Seit Jahren erklären die zuständigen europäischen Kontrollgremien, dass das Verbot aller Streiks, die

  1. nicht auf Tarifverträge ausgerichtet sind und

  2. nicht von den Gewerkschaften ausgerufen oder übernommen werden

als einen Verstoß gegen die Europäische Sozialcharta.

Seit Jahren fordern diese Kontrollgremien Deutschland auf, das deutsche Streikrecht diesen europäischen Standards anzupassen – bisher vergeblich, obwohl Deutschland sich zur Einhaltung dieser Charta verpflichtet hat. Deutschland bricht damit seit Jahren Völkerrecht.

Das Streikrecht ist ein Menschenrecht.

Zur Geschichte des deutschen Streikrechts hier drei Zitate von Hans Carl Nipperdey zum Streikrecht:

Nipperdey im Jahr 1930: „Der Staat hat ein dringendes Interesse daran, diese Kämpfe wegen ihrer schädlichen volkswirtschaftlichen Folgen einzuschränken und das Wirtschaftsleben zu befrieden“.

Nipperdey im Jahr 1939: „… Arbeitskämpfe gehören der Vergangenheit an. Der nationalsozialistische Staat hat es für richtig gehalten, den Kollektivismus durch neue Formen des Arbeitsrechts ganz zu überwinden. Das Kollektivrecht … trat immer stärker in Gegensatz zu den Bedürfnissen der Volksgemeinschaft. … Rechtswidrig handelt immer, wer gröblich gegen anerkannte Grundsätze des völkischen Zusammenlebens verstößt.“

Das Bundesarbeitsgericht unter Vorsitz von Nipperdey im Jahr 1955: „Arbeitskämpfe (Streik und Aussperrung) sind im [A]llgemeinen unerwünscht, da sie volkswirtschaftliche Schäden mit sich bringen und den im Interesse der Gesamtheit liegenden sozialen Frieden beeinträchtigen“…


Solidarität mit den Gorillas-Arbeiter*innen, die gegen ihre fristlose Entlassung wegen Teilnahme an einem „wilden Streik“ kämpfen

Text vom 12. Juni 2022

… Duygu Kaya wollte am 6. April 2022 in der Verhandlung über ihre Kündigungsschutz-klage vor dem Arbeitsgericht Berlin eine Erklärung abgeben. Ihr Anwalt Benedikt Hopmann forderte das Gericht auf, sich diese Erklärung anzuhören, um sich selbst ein Bild davon zu machen, unter welchen Bedingungen die Gorillas-Beschäftigten arbeiten und warum die Beschäftigten die Arbeit niederlegten. Obwohl der Anwalt ausdrücklich darauf hinwies, dass der Klägerin rechtliches Gehör zusteht, unterband der Richter die Erklärung mit der Begründung, die Klägerin wolle sich nicht zur Sache äußern.

https://gewantifa.wordpress.com/2022/06/12/solidaritat-mit-den-gorillas-arbeiterinnen-die-gegen-ihre-fristlose-entlassung-wegen-teilnahme-an-einem-wilden-streik-kampfen/

Anmerkung:
Diese beeindruckende Erklärung von Duygu Kaya bitte unbedingt lesen! (DW)