Jour Fixe 202

Datum: 19/10/2022
Uhrzeit: 18:30 - 21:00
Ort: Curiohaus. Rothenbaumchaussee 15, Hofdurchgang, 20148 Hamburg
Jour Fixe
Juli 2022 – Streikende am Container Terminal Burchardkai

Einladung zum 202. Jour Fixe am 19. Oktober um 18 Uhr 30

Streiks im Hamburger Hafen und Demos im Juli 2022 – Rückblick und Aufarbeitung

Referent: Gerd Müller, früher Betriebsrat bei HHLA

Die Tarifrunde zwischen dem Zentralverband der deutschen Seehäfen und ver.di für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe hat viel Aufmerksamkeit erhalten.

Es hat insgesamt drei Aufrufe zu Warnstreiks gegeben, was in der Tat seit 1978, abgesehen von Boykottaktionen im Rahmen der ITF-Aktionswochen, für die Hafenarbeiter nicht mehr stattgefunden hat. Insbesondere bei den Containerumschlagsbetrieben gab es eine hohe Bereitschaft sich am Streik zu Beteiligen, eine Vielzahl von Initiativen.

Es handelt sich zwar um einen Flächentarifvertrag, jedoch teilt sich der Tarifvertrag in drei Gruppen von Hafenarbeitern. A (Vollcontainerbetriebe), B (die Nicht-Vollcontainerbetriebe), C (Betriebe die sich im Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag befinden, bei denen der vereinbarte Grundlohn um 15% abgesenkt werden kann). Zwar sind für A und B die Erhöhung der Stundengrundlöhne und die 700,00 € Inflationsausgleich gleich, nicht jedoch die pauschale Zulage (A-Kolleg*innen jetzt 4.838,00 € p.a., B-Kolleg*innen 1.054,00 € p.a., C-Kolleg*innen keine jährliche Zulage)

Wenngleich es mit einem Nullmonat, ausgesetzten Zuführungen zum Demografiefond und 24 Monaten Laufzeit von den üblichen Mechanismen der Tarifarithmetik begleitet ist, ist das erreichte Ergebnis sicherlich nicht schlecht, spiegelt aber die Aufspaltung in die gut Verdienenden in den Containerbetrieben, die schlechter Gestellten in den übrigen Betrieben und in die Schlusslichter, die um ihrer Arbeitsplätze zu behalten Lohneinbußen hinnehmen müssen, wider.

Ob die in vielen linken Publikationen zu findende Beschreibung einer neuen Qualität sozialer Kämpfe, das Erwachen eines neuen Klassenbewußtseins berechtigt ist wäre zu diskutieren. Auch die Wahrnehmung, dies seien die ersten Streiks und Kämpfe seit 1978 ist eine nähere Betrachtung wert.

Es stellen sich eine ganze Reihe von Fragen:

  • Gibt es Unterschiede zwischen dem Streik von 1978 und heute?
  • Welche Konflikte gab es in den letzten 40 Jahren und wie wurden sie ausgetragen?
  • Welche Rolle spielte die Gewerkschaft in diesen Auseinandersetzungen?
  • 1978 gab es die Meinung, 1896/97 sei der letzte Streik im Hafen gewesen. Der Streik 1951 war aus dem Gedächtnis gestrichen?
  • 2022 gibt es die Meinung, der letzte Streik sei 1978 gewesen. Auch hier finden sich die Kämpfe seit 1978 nicht wieder.
  • Woher kommt das?

Das Bewußtsein der Beschäftigten im Hafen sich zur Wehr zu setzen hat seit dem Hafenarbeiterstreik 1951 eine lange Tradition, die sich durch eine Vielzahl von Konflikten zieht. Es erscheint sinnvoll, sich näher anzuschauen, wie es nach dieser Tarifrunde aussieht und wie die Erfahrungen aus den Warnstreiks sich auf die kommenden Herausforderungen der Automatisierung und des geplanten Arbeitsplatzabbaus auswirken.

Dazu wird Gerd Müller referieren, jahrzehntelang bei der HHLA beschäftigt und Betriebsrat.