Warum Israel den Völkermord an den Palästinensern nicht industriell wie seinerzeit die Nazis an den Juden ausführt!

Von Paul Polczyn

Vorweg eine Bemerkung. Bis zum Aufstand am 7. Oktober in Gaza habe ich die Politik der israelischen Regierung gegen die Palästinenser immer als schlimme Politik der Unterdrückung bewertet, auch in Kenntnis der Geschichte und des Wesens des Zionismus. Habe es verglichen mit dem damaligen „homelands“ und der Apartheid-Politik der südafrikanischen Regierung gegen die farbigen Bewohner. Nach dem Aufstand in Gaza nun meine Bewertung: Es ist Völkermord!

Die israelische Regierung richtet keine Vernichtungs-KZ´s ein, wie ab Dezember 1941 die Nazis, weil diese Methode heute nicht mehr geht! Jede Zeit schafft ihre Bedingungen für die Ausführungen von Völkermord.
Man nehme die weißen Siedler bei der Ausrottung der Indianer, die Deutschen bei der Ausrottung der Herero und Nama, die Türken bei der Ausrottung der Armenier, die Nazis bei der Einrichtung der Vernichtungs-KZ´s.

Wie es den Nazis darum ging, Deutschland „judenrein“ zu machen und dabei auch mit den Zionistenführern in Interessengleichheit zusammenarbeitete (von 1933 an, fast zehn Jahre lang!), damit möglichst viele Juden nach Palästina auswanderten, so geht es heute der israelischen Führung darum, daß Israel „palästinenserrein“ wird. Während die Juden damals noch die Chance hatten, nach Israel auszuwandern, werden die Palästinenser aus Gaza heute in die Wüste geschickt, in den Negev oder Sinai.
Israel plante und führt den Völkermord durch seit seiner Gründung im Jahre 1948.
Wie die Nazis die passende Ideologie hatten: Herrenmenschen und Untermenschen, so haben auch die Israelis die passende Ideologie: den Zionismus mit den Inhalten des Kolonialismus und Rassismus und den Glauben seit 2000 Jahren, Gottes auserwähltes Volk zu sein.
Dann die Behauptung durch Herzl: Wir sind ein Volk ohne Land für ein Land ohne Volk. Und das ist Palästina.
Aber Palästina war besiedelt, überwiegend durch Araber, auch Juden und Christen. Die lebten seit 2000 Jahren friedlich zusammen. Das änderte sich als reiche Juden den Arabern das Land abkauften, die Bauern vertrieben, Kibbuze einrichteten. Bis zur Nakba. Aber es blieben noch 2,5 Millionen Palästinenser in Westjordanland und 2,3 Millionen im Gaza-Streifen.

Gegen diese Ureinwohner wurde seit 1948 der sukzessive Völkermord betrieben: Terror und Vertreibung durch Siedler, Polizei und Militär.
Die Definition der UNO zu Völkermord: »die eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zerstört«.
https://www.voelkermordkonvention.de/voelkermord-eine-definition-9158/
Den brutalen Höhepunkt erleben wir seit dem 7. Oktober mit der Bombardierung von Gaza, das flächenmäßig halb so groß ist wie Hamburg und 2,3 Millionen Einwohner hat. Die Einwohner von Gaza waren unter Führung von Hamas&Co ausgebrochen aus dem „Freiluftgefängnis“, Botschafter Chas Freeman nennt es sogar KZ.

Sie haben keine Chance sich zu befreien gegen eine der bestgerüsteten Armeen der Welt und den Zustand des Gefängnisses/KZ zu beenden. Aber sie mußten nach 16 Jahren Erniedrigung, Nicht-Menschentum ihrem Zustand Ausdruck geben. Gaza explodierte wie ein Dampfkessel.
Botschafter Chas Freemann vergleicht – zu Recht – den Gaza-Aufstand mit dem Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto. Niemand käme heute auf die Idee, den Warschauer Aufstand als Krieg des Ghettos gegen das Großdeutsche Reich zu bezeichnen! Aber das geschieht jetzt, wenn vom Krieg zwischen Gaza und Israel geschrieben wird.

Auf eine Wesensgleichheit von Nationalsozialismus und Zionismus bin ich schon eingegangen.
Hier weitere: In Israel diskutieren Politiker über eine „Ausdünnung“ der Bevölkerung Gazas auf das „minimale Niveau“:
https://taz.de/Fortsetzung-des-Krieges-in-Gaza/!5973809/
Das war eine geplante Strategie der Nazis. Sie hatten nach dem Endsieg vor, Millionen Menschen in Weißrussland, der Ukraine und Polen umzubringen, dh, diese Gebiete „auszudünnen“, um dort deutsche Bauern anzusiedeln.
Ein weiteres Gemeinsames: Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant bezeichnet die Gaza-Aufständischen als „menschliche Tiere“, was der Nazi-Ideologie entspricht, die damit vor allem Juden und Slawen bezeichneten.

Während die Nazis noch versuchten, ihren Völkermord heimlich zu begehen – viele Deutsche wußten von den Vernichtungs-KZ´s nichts oder ahnten es nur – begeht Israel den Völkermord weltöffentlich, vermittelt durch social-media und TV.
Das können sie, weil sie die Rückendeckung der USA und Deutschlands haben. Nachdem Deutschland zwei Mal am Völkermord schuldig war, an den Herero und Nama (in Deutsch-Südwestafrika) während des Kaiserreiches und den Juden, macht es sich jetzt zum dritten Mal mitschuldig!

Nach 1945 und Bekanntwerden des Ausmaßes des Holocaust hieß es: Das darf nie wieder passieren! Jetzt erleben wir, daß es wieder „passiert“, aus deutscher Staatsraison zu Israel – Völkermord, diesmal an den Palästinensern.
Ideologisch wird er getragen von Politikern und mitgetragen von den Medien und allen, die vom Verteidigungsrecht Israels fabulieren.

Weltweit demonstrieren Millionen Menschen im Mitleiden mit dem Schicksal der Palästinenser. Chas Freeman weist darauf hin, daß es immer mehr junge Menschen sind, die auf die Straße gehen. Ein Fünkchen Hoffnung auf Humanität und Vernunft!

Chas Freeman (ehem. US-Botschafter in Saudi-Arabien und stellv. Kriegsminister der USA): Israel versucht nicht einmal, seinen Völkermord zu verbergen
https://www.youtube.com/watch?v=EHEpd_cbBFY

2 Replies to “Warum Israel den Völkermord an den Palästinensern nicht industriell wie seinerzeit die Nazis an den Juden ausführt!”

    • Die Tatsache, dass Torsten Bewernitz von der Express- Redaktion seine Gedanken zur Distanzierung des „Express“ vom Jour Fixe schickt, nehme ich als Zeichen der Diskussionsbereitschaft. Ich möchte gerne verstehen, warum sich mittlerweile offensichtlich politische Gräben aufgetan haben, die anlässlich eines recht nebensächlichen Anlasses (der Veröffentlichung eines Artikels, über den man geteilter Meinung sein kann), als offensichtlich unüberwindbar betrachtet werden.
      Bewernitz steigt mit dem Verweis auf Jürgen Elsässer und einem von diesem während des Libanonkrieges im Jahre 2006 veröffentlichten Artikel ein. Warum? Was hat Elsässer damals geschrieben? Was hat das mit dem Jour Fixe zu tun? Es hätte gutgetan, wenn Bewernitz es nicht bei Andeutungen belassen hätte: „rechtsdrehend“ sind Joghurtkulturen, aber keine Texte. Die Lektüre einer eigenen Broschüre zu empfehlen, ist in Ordnung, aber nicht, wenn sich erst dort das Geheimnis der eigenen Position enthüllen wird.
      Warum muss ich erstmal selber recherchieren, um dann eine Vermutung aufstellen zu können, was Bewernitz sagen will? Interpretationen, die wieder Missverständnisse in sich tragen können.
      Den Artikel von Elsässer „Alte Feinde, neue Feinde“ konnte ich auf der Webseite des Antikriegsforums Heidelberg finden:
      http://antikriegsforum-heidelberg.de/palest/hintergrund/alte_neue_feinde_elsaesser.html
      Nach der Lektüre habe ich mich gefragt, was an diesem Text „rechtsdrehend“ sein soll. Die ideologischen und psychologischen Wendungen eines Jürgen Elsässer habe ich nicht im Detail verfolgt und es ist unstrittig, dass er heute in einem rechten Milieu agiert. Aber wie kann ich das logisch aus diesem Text ableiten? Was schrieb er denn? Er steigt ein mit der Einreihung des israelischen Angriffs auf den Libanon in die westlichen Kriege in Afghanistan und Irak und behauptet, all diese Kriegsschauplätze seien Teil einer weltweiten Front in einem globalen Krieg. Im zweiten Abschnitt beschreibt er das Zusammengehen antideutscher Kreise um die Zeitschriften Bahamas, Jungle World und Konkret mit CDU- Politikern. In dieser Koalition hatten die „Linken“ die Rolle der Scharfmacher, die sich in schrillen Tönen bis hin zur Forderung der atomaren Vernichtung des Gegners steigerten (Bewernitz nennt das weiter hinten euphemistisch „Politikberatung“…). Anschließend fragt er sich, warum diese ideologischen Scharfmacher so viel Resonanz (und gut bezahlte Posten) in den großen Medien bekommen und erklärt das mit dem Aufstieg der Neokonservativen in den USA: „Der große Karrierevorteil der Antideutschen ist, daß nur sie so kaltschnäuzig Auschwitz instrumentalisieren können wie die in Washington tonangebenden Neocons“.
      Elsässer fragte folgend die Antifa, warum sie in der Frage ihrer Bündnispartner mit zweierlei Maß messe: „Während NPD-Anhänger auch dort, wo sie bestimmte linke Forderungen teilen (»Weg mit Hartz IV«), richtigerweise konsequent ausgegrenzt werden, demonstrieren Antifa-Gruppen gerne zusammen mit Antideutschen etwa gegen rechtsradikale Strukturen“. Diese Haltung sei ein strategisches Problem. Sie folge aus einer falschen Auffassung vom Wesen des Faschismus: Die Antifa verstünde ihn als ideologische Erscheinung, als Konsequenz eines entfesselten Nationalismus mit „Antisemitismus als Hauptmoment“. Auf der Erscheinungsebene habe dies historisch für den deutschen Nationalsozialismus zugetroffen. Gerade wenn man das Diktum der „Singularität“ ernstnehme, bedeute sie, dass der Nationalsozialismus in dieser Konstellation nicht wiederkehren werde. Im wesentlichen begründete das Elsässer damit, dass Faschismus primär ökonomisch bedingt ist und nicht ideologisch. Dementsprechend schrieb er, dass die NSDAP nicht als Ergebnis eines Reichstagssturmes durch eine ideologisch motivierte Massenbewegung an die Macht gekommen sei, sondern ihr die Macht vom Großkapital übertragen wurde. Es gab die Schlägerbanden der SA, die seien aber nur deshalb wirkmächtig gewesen, weil sie die Rückendeckung des industriellen Großkapitals hatten. Heute sei die Konstellation eine andere. „Deutsches“ Kapital habe in Zeiten des Finanzkapitalismus, nur noch dann eine Chance auf dem Weltmarkt, sofern es sich dem „US-Imperialismus“ unterordne. Dieser sei der Sachwalter des Finanzkapitals, das jeden Bezug zu realer industrieller Produktion verloren habe. Das US-Militär erzwinge die dominante Stellung des Dollars im internationalen Währungsgefüge und ermögliche darüber die Ausplünderung des Rests der Welt. Diese Bereitschaft zur gewaltsamen Ausplünderung der Welt erfülle die Definition eines Faschismus. Auf den möglichen Einwand, dass die westlichen Länder aber doch Demokratien und keine Diktaturen seien, antwortete er mit einem Zitat des Friedensforschers John Galtung: »Die USA sind ein geofaschistisches Land. Es ist auf der Weltebene faschistisch, obwohl es zu Hause demokratische Züge hat. Es ist ein Fehler zu glauben, bei Demokratie im Inland gibt es keinen Faschismus. Ich sehe Faschismus als Gewaltfrage: also bereit zu sein, eine beliebige Menge von Leben zu opfern zur Erreichung politischer Ziele…«
      Ideologisch habe sich das US- dominierte Finanzkapital vom Nationalismus weitgehend gelöst. Der Antisemitismus habe während des Nationalsozialismus‘ ideologisch die wirtschaftliche Eroberung Osteuropas begleitet. Darum gehe es heute nicht mehr. Deshalb habe das Feindbild des „Moslems“ das des „Juden“ als „wichtigste Haßideologie“ ersetzt.
      Im letzten Teil skizziert er seine Strategie: „Selbstverständlich muß die Linke die Abgrenzung zu Nazis und Antisemiten in allen Spielarten aufrechterhalten. Aber von den Einflüsterungen der Antideutschen, jeden unter Naziverdacht zu stellen, der von Nation und Gott nicht lassen kann, sollte sie sich nicht länger beeinflussen lassen. Die Fußballfans mit den Deutschlandfahnen, die vielen Linken wochenlang schlaflose Nächte bereiteten, waren ganz normale Mitbürger, und die – das zeigen die Umfragen – lehnen den aktuellen Krieg ab. Will man sie für Demonstrationen gewinnen– oder beschimpfen und dem Gegner in die Arme treiben?
      Im Libanon kämpfen Islamisten, Nationalisten und Linke Schulter an Schulter gegen die Aggressoren. Natürlich ist das zunächst nur ein Zweckbündnis zwischen Gruppierungen, die sich bis dato oft spinnefeind waren. Ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg, als die Antipoden Stalin und Churchill samt ihrer Anhängerschaft auch gemeinsame Sache machen mußten, obwohl sie das ursprünglich gar nicht wollten. Sie waren dazu gezwungen, wenn sie überleben wollten. So ist das nun mal in einer Weltkriegssituation.“
      Ohne mir die empfohlene Broschüre von Bewernitz gekauft zu haben, vermute ich, dass er diese Strategie als Weg in den aktuellen „Nazismus“ von Elsässer betrachtet:
      „Meine Kernaussage war, dass die Reaktionen in Deutschland auf das im Nahen Osten Geschehende, und zwar die philosemitischen („antideutschen“) genauso wie die antisemitischen, letztlich nur Bestandteil einer Rekonstruktion des deutschen „Volkes“ sind.“
      Ja, ein Stückchen weit würde ich mitgehen: Die Wahrnehmung von Kriegen in anderen Regionen der Welt hat viel damit zu tun, wie stark diese mit unserer Gesellschaft zu tun haben. Dem Krieg in Nahost wird hierzulande größere Aufmerksamekeit gewidmet als andere Kriege auf der Welt. In Frankreich wird traditionell auch Konflikten in Nordafrika größere Aufmerksamkeit geschenkt als Geschehnissen in Osteuropa. Das Erbe der Kolonialgeschichte spielt dabei sicherlich eine wichtige Rolle. Nun könnte ich sagen, dass in allem, was in Frankreich zu bspw. Algerien gesagt wird, um die Identität der französischen Nation gerungen würde. Überzeugte das?
      Zurück zu Deutschland: Materiell ist die deutsche Regierung nach den USA die größte Unterstützerin der israelischen Regierung und deren Kriegsmaschinerie. Geopolitisch steht die deutsche Regierung auf Seiten einer Koalition, die sich gegen eine Vielzahl von Gegnern stellt: Syrien, Libanon, Jemen, Irak, Iran. Der Konflikt in Gaza ist Teil mindestens eines regionalen Konfilktes,
      Ideologisch und / oder identitätspolitisch spielt die „deutsche“ Geschichte des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle, auf jeden Fall. Es spielen aber auch andere Aspekte eine Rolle, etwa die Identifikation der bürgerlichen „Zivilgesellschaft“ mit der vermeintlich „einzigen Demokratie im Nahen Osten“, also eine identitäre Gegenüberstellung von Zivilisation vs. Barbarei. Es spielt eine Rolle, dass für viele Migranten aus dem Mittleren Osten das Schicksal „Palästinas“ heute als Kristallisationspunkt für die Identität als Opfer westlichen Kolonialismus‘ dient. Es spielt die offensichtliche Heuchelei der Herrschenden eine Rolle, hinter deren Moralisieren gnadenlose Machtpolitik steckt.
      Aber welches „Volk“ wird „rekonstruiert“?
      Die materielle Ebene blendet Bewernitz schonmal gänzlich aus. Für jemanden, der sich als Publizist mit Klassenpolitik beschäftigt hat, bemerkenswert. Auf der identitätspolitischen Ebene sortiert er ebenfalls aus: Die Identifikation vieler Migranten mit Palästina fällt weg, die Identifikation der bürgerlichen Zivilgesellschaft mit der israelischen „Demokratie“ fällt weg – übrig bleibt allein ein Motiv für „Deutsche“, sich als „Volk“ von der historischen Schuld reinzuwaschen, indem die eine wie die andere Seite sich diesmal auf die vermeintlich richtige Seite der Geschichte stellt. Meines Erachtens in dem ganzen Schlamassel heute gerade der schwächste Punkt. Es gibt diese Rhetorik, ja. Es gibt Sätze wie den „Fliegenschiss in der deutschen Geschichte“ von Alexander Gauland oder der von Annalena Baerbock, die auf den Schultern ihres bis zum Schluss standhaften nazistischen und Wehrmachtsgroßvaters die Freiheit Europas gegen die Barbaren aus dem Osten verteidigt. Bewernitz folgt aber selbst in dieser Beschränkung damit erstens einem auf „die Deutschen“ beschränkten Blick und zweitens will ich mal in Frage stellen, dass die Auseinandersetzung mit „Kollektivschuld“ heute noch tatsächlich diese überwältigende Wirkungsmacht hat, die sie vielleicht noch bis in die 80er Jahre hatte, als viele der Täter und der Opfer noch lebten. Die Beliebigkeit, mit der heute alle Seiten mit Nazivergleichen hantieren, stellt das in Frage. „Janna aus Kassel“ ist Nazi, Björn Höcke ist Nazi, Elsässer ist Nazi, protestierende Bauern sind Nazis, die Hamas sind Nazis, Putin, Assad, Erdogan, Netanjahu u.v.m. sind Hitler…
      Bewernitz will als nächstes darauf hinweisen, dass der Krieg im Nahen Osten nur einer unter vielen sei. Ja, ist er. Worin unterscheidet er sich von diesen vielen anderen Kriegen und wo hat er Gemeinsamkeiten? In der Zahl der Opfer? Die Kriege im Sudan und im Jemen haben sehr viel mehr Menschenleben gefordert. Was hat die Politik Chinas gegen einen uigurischen Separatismus in dieser Reihung zu suchen? Welche Bürgerkriege in Lateinamerika sind gemeint? Der Krieg in Nordost- Syrien? Welches Kriterium hat Bewernitz? Man könnte feststellen, dass der Krieg in Gaza ein urbaner Krieg ist. Eine Kriegsführung, die die völlige Zerstörung der Infrastruktur zur Folge hat und das Elend natürlich sichtbarer werden lässt, als wenn in ländlichen Gebieten Menschen getötet und vertrieben werden. Wenn ich das als Vergleich heranziehe, komme ich vielleicht auf den Kampf um Grosny oder die Zerstörung von Falludscha, Sirte, Mossul und Raqqa – mit jeweils zehntausenden von Opfern. Und alles „Antiterroreinsätze“. Und die beiden letzteren unter Beteiligung der „kurdischen Zivilgesellschaft“. Also, was ist das Kriterium? Was soll man ohne ein solches von der lapidaren Feststellung halten, dass überall auf der Welt Menschen getötet werden? Wo soll das hinführen, wenn man nur noch über alle Kriege sprechen darf, aber nicht über einen spezifischen? Erwähnt Bewernitz, wenn er den Krieg in Nordost- Syrien oder „Putins Krieg“ thematisiert, gleichzeitig zwangsläufig alle anderen Kriege in der Welt? Entweder stelle ich immer einen globalen Zusammenhang her, oder es ist Nonsens.
      Bewernitz‘ Kritik an dem Polczyn – Artikel würde ich insoweit teilen, als das Polczyn auch nur eine Erklärung der (Macht-)Verhältnisse aus einer wirkmächtigen Ideologie heraus anbietet (Zionismus und historisch Nationalsozialismus). Was hat Bewernitz jedoch dagegenzusetzen? Hat er einen Blick auf die Klassenverhältnisse und wie die nationalen und religiösen Spaltungen von oben eingesetzt werden? Auch auf Israel bezogen kann man vereinzelt solche Analyse von Teilaspekten finden, etwa zur Ökonomie des Siedlungsbaus (Digital und kolonial: Israels Siedlungen als lohnendes Geschäft, in Le Monde Diplomatique, 11.08.2006, https://taz.de/!392800/ ) oder zur Ökonomie der Tunnelwirtschaft in Gaza ( https://adamtooze.substack.com/p/chartbook-251-israels-national-security )
      Hat er einen Blick auf die geopolitischen Hintergründe? Leider nein, dabei wären beides Schritte über das fatale argumentative Pingpong- Spiel hinaus. Bei ihm gibt es leider nur „Faschisten“, die sich darin unterscheiden, dass die einen Faschisten gerne „viele viele Israelis“ töten würden, aber nicht können und die anderen Faschisten zwar viele viele Palästinenser töten, aber das eigentlich nicht wollen, es ihnen lediglich egal ist. Was soll das heißen? Was ist das für ein Erkenntnisgewinn?
      Ein Körnchen Wahrheit steckt in seiner Infragestellung des Begriffs „Befreiungsnationalismus“; auch der Zionismus sei einer gewesen und wenn ich den ablehne, müsste ich auch den palästinensischen, ukrainischen oder kurdischen Nationalismus ablehnen. Mal beiseitegelassen, dass ein zionistischer Befreiungsnationalismus, der sich seine „Nation“ nicht gegen die „deutsche Nation“ erkämpfte, sondern gegen Menschen, die auf einem anderen Fleck Erde lebten, ein etwas verdrehter Begriff von Befreiung beansprucht. Aber ja, lieber Herr Bewernitz, dann buchstabieren Sie das doch mal durch – gerade auch in Bezug auf aktuelle Projektionsflächen linker metropolitaner Befreiungsvorstellungen! Es gab mal historisch kurze Zeiten, in denen sich Menschen als Arbeiter und Bauern emanzipieren wollten und nicht als Ukrainer, Russe oder Kurde. Die Tragik ist heute, dass es diese Vision kaum mehr gibt und erst wieder gewonnen werden muss.
      Im letzten Teil offenbart Bewernitz, dass es ihm nicht nur um die Auswahl der im Jour Fixe – Info bereitgestellten Texte geht, sondern um mehr:
      Er kleidet rhetorisch in eine Frage die Feststellung, dass die Redaktion des Express befürchtet, dass der Jour Fixe, „denselben Schwenk machen könnte wie seinerzeit Jürgen Elsässer“. Welchen Schwenk von Elsässer meint er genau? Die Forderung, sich nicht grundsätzlich davon abschrecken zu lassen, wenn Leute anlässlich einer Fussballmeisterschaft mit Nationalfahnen schwenken? Das heißt ja nicht, dass man selber mit Fahnen vorweg laufen muss, um im Wasser zu schwimmen – was Elsässer ja zu machen scheint. Eine Anerkennung, dass gerade die europäische Binnenmigration viele Probleme auf dem Arbeitsmarkt und für die national verfassten Sozialsystemen ergibt, bedeutet ja nicht, dass man Mauern an den Grenzen einfordert, um anerkannt zu werden. Wenn man die Kriege „unserer“ Staaten ablehnt, bedeutet das nicht, die russische Armee sehnlich zu erwarten. Denkt Herr Bewernitz das?
      Ausgeführt wird das von Bewernitz nicht. Etwas deutlicher er, wenn er „Beißreflexe“ gegen die Antifa konstatiert. Schlecht gewählte Metaphern sind ärgerlich. Ein Hund mit Beißreflexen beißt die Hand, die ihm zu nahe kommt, auch wenn die Leckerlis bringt. In diesem Fall ist die Antifa gar nicht da, sondern der Hund rennt los, um sie aufzuspüren und zu beißen. Bewernitz unterstellt dem Jour Fixe also keinen Beißreflex, sondern einen Beißtrieb.
      Über die psychologischen Beweggründe des Gegenübers zu spekulieren, ist beliebt, lenkt aber ab und bleibt Spekulation … Die Veröffentlichung des Textes von Polczin sei als Provokation gegen die ungeliebte Antifa zu betrachten, „die schon in der Beurteilung der Corona-Politik und bei dem Kampf gegen das Putin-Regime in ihrer Position nicht so sehr von der Positionierung der Bundesregierung abwich bzw. abweicht. Diese „Systemnähe“, so die Kritik, sei dann ja gar kein wirklicher Antifaschismus mehr“.
      Indem Bewernitz dem Jour Fixe eine bestimmte Motivation bei der Veröffentlichung des Polczin- Artikels unterstellt, vernebelt er tatsächlich, was wer selber sagen will. Ihn stört die Kritik des Jour Fixe gegenüber der Staatsnähe seitens von Teilen der Antifa an Punkten wie der Corona-Politik oder des Ukraine-Krieges. Bewernitz verteidigt die System- und Regierungsnähe der entsprechenden Antifa- Fraktionen, da im Bündnis mit den bürgerlichen Parteien sowie „nicht-parteiliche[n] und übergreifende[n] Organisationen wie die Gewerkschaften des DGB“ immerhin die parlamentarische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigt werden könne.
      „Man bezieht keine ideologische oder parteiliche Position, wenn man sich antifaschistisch positioniert“. Genau – eine fehlende Positionierung zu den politischen Entwicklungen der letzten Jahren ist sicherlich ein großes Problem dieses betrieblich-zivilgesellschaftlich Teils der Linken, für die Bewernitz spricht! Da freut man sich schon fast über Express- Beiträge, die offen für Krieg plädieren!
      Zum Schluss fügt er noch eine Kritik an der letzten Veranstaltung des Jour Fixe zum Thema „Politischer Streik“ an. Er klagt, dass es doch aus der „Gewerkschafts- und betrieblichen Linken zahlreiche kompetente Referent:innen“ gegeben hätte, statt „Autoren neuer rechter Medien“. Lassen wir mal die Beurteilung von Medien, für die auch viele „zertifizierte“ Linke schreiben, mal beiseite. Die kompetenten Referenten hätten allerdings sicherlich keinen „politischen Streik gegen die Unterstützung der Ukraine oder Israels ins Spiel“ gebracht. Ja, warum eigentlich nicht? Er meint lapidar, dass es keine Basis für einen solchen politischen Streik gäbe. Ja, warum gibt es keine Bewegung in den Betrieben gegen Krieg und Militarisierung? Kann es mit der Ächtung und Repression auch in den Betrieben zusammenhängen, mit der abweichende Meinungen belegt werden? Mit betrieblichen Sanktionen, Abmahnungen, Entlassungen bis hin zu Kontensperrungen oder Entzug der Finanzierung von Vereinen und Verbänden, auf die gerade prekär Arbeitende angewiesen sind? In der „Corona- Frage“ gab es gerade in Gesundheitseinrichtungen Proteste; haben die „gewerkschaftlichen und betrieblichen Linken“, von denen er spricht, irgendwie dagegen gekämpft, dass die „Pflege-Engel“ in den Medien und auch auf Gewerkschaftsebene auf einmal als „Todes-Engel“ beschimpft wurden? Hat die genannte Linke eigentlich mal linke Positionen wie Antimilitarismus verteidigt? Nein, leider nicht – viele haben sich aktiv daran beteiligt, Positionen, die sich gegen die Regierungspolitik gewendet haben, von ihren Veranstaltungen und Mobilisierungen und „Sozialprotesten“ präventiv auszuschließen. Die Augen vor den realen Machtverhältnissen fest geschlossen, kann Bewernitz dann trefflich die Marx‘ und seine Untersuchung der „wirklichen Bewegung“ mitschwingen lassen und gegen jeden „Idealismus“, jede politische Positionierung in Stellung bringen. Zumal „Idealismus“ für ihn auch noch mit Rechts konnotiert ist. „Diese bewusste rechte Öffnung betrieblicher und linksgewerkschaftlicher Diskussionszusammenhänge halte ich für deutlich fataler als einen der inflationären Holocaust-Vergleiche, an die man sich – erschreckenderweise – schon gewöhnt hat“. Einer Diskussion über die Möglichkeiten, in Betrieben gegen die Militarisierung einzutreten, mag man Traumtänzerei und Idealismus vorwerfen, aber warum bedeutet sie eine Öffnung nach rechts?
      Warum fühlt sich Bewernitz so im Recht? Um notgedrungen auch mal eine Vermutung zu formulieren: Er repräsentiert einen Teil der an betrieblichen Auseinandersetzungen orientierten Linken, der sich in den letzten Jahren an Kämpfen und Organisierungsversuchen vor allem in ehemals staatssozialistischen Ländern orientiert hat. Die aus den Kämpfen (oftmals mit Unterstützung westlicher Institutionen und Sponsoren) hervorgegangenen Organisationen haben leider in politisch zugespitzten Situationen die falsche Abzweigung genommen: Die Funktionäre der ägyptischen Freien Gewerkschaften haben 2013 den Militärputsch und die Massaker an tausenden Menschen unterstützt; die ukrainischen Funktionäre der freien Gewerkschaften unterstützen bis heute ein nationalistisches und neoliberales Regime. Sollen wir diesen Weg mitgehen?

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