Jour Fixe 170

Datum: 05/12/2018
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Curio-Haus - Rothenbaumchaussee 15 - 20148 Hamburg - Hofdurchgang
Jour Fixe

Die unvollendete Revolution von 1918:

Die damals zugestandenen Arbeitsrechte müssen heute verteidigt werden!

Referent: Benedikt Hopmann

Anwalt Arbeitsrecht, Berlin

Nachdem wir uns am 14.11. bei dem Jour Fixe mit Klaus Gietinger hauptsächlich mit der Rolle der SPD in und nach dem 1. Weltkrieg befaßt haben, referiert Benedikt Hopmann über die Einführung der Arbeiterrechte nach 1918 und ihre aktuelle Bedrohung durch politische und Kapitalangriffe. Viele kennen den Referenten. Er war schon mal beim Jour Fixe, zusammen mit der Kassiererin Emmely, mit der er vor dem BAG in Kassel erfolgreich war. Er referierte anläßlich des Neupack-Streiks bei einer Soli-Veranstaltung im Gewerkschaftshaus und verteidigt aktuell die Bremer KollegInnen nach dem „wilden“ Streik bei Daimler in Bremen.

Geburtsstunde der Republik

Durch meuternde Soldaten wurde im November 1918 der 1. Weltkrieg beendet. Sie erkämpften die Menschenrechte: das Wahlrecht für Frauen, die Pressefreiheit, das Recht, die Meinung frei zu äußern, die Anerkennung der Gewerkschaften, die in der Verfassung garantierte Koalitionsfreiheit. Sie erkämpften den Achtstundentag, das Tarifvertragsrecht und die schrittweise Abschaffung der privaten Arbeitsvermittlung einschließlich des Verbots der Leiharbeit. Sie erkämpften die Republik.

Revolution und Gegenrevolution

Nach dem offiziellen Geschichtsbild war es zur Einführung der parlamentarischen Demokratie mehr oder weniger notwendig gewesen, die Revolution mit weitergehenden Forderungen, wie die der Unterdrückung des Militarismus, der Sozialisierung großen Kapitals und durchgreifender Demokratisierung auch in den Betrieben, brutal niederzuschlagen.

Wir sehen das anders. Gerade weil die Novemberrevolution eine unvollendete Revolution blieb, war die Republik von Anfang an in Gefahr, von ihren Gegnern zerstört zu werden. Die Freikorps, die die Revolution mit bestialischer Brutalität niederschlugen und allein in Berlin über tausend nur dürftig bewaffnete Revolutionäre mit schwerer Artillerie, Flammen-, Minenwerfern und bei Fliegerangriffen ermordeten, bildeten bald eine Säule der Nazibewegung.

Die Revolutionäre von 1918 waren kein kleines Häufchen von Krawallmachern, die die Diktatur einer Minderheit über eine Mehrheit anstrebten, es handelte sich vielmehr um eine breite Massenbewegung mit dem Ziel, die Ausbeutung abzuschaffen und alle Menschen am gesellschaftlichen Reichtum zu beteiligen.

Sozialisierung

Die Forderung der Novemberrevolution nach Sozialisierung des großen Kapitals ist so aktuell wie vor 100 Jahren. Wenn es darum geht, die Atomkraftwerke abzuschalten, wenn es darum geht, die Erderwärmung aufzuhalten und wenn wir abrüsten wollen, haben wir als Gegner die Energie-, Auto- und Rüstungskonzerne. Muss das immer so weitergehen, dass uns die großen Konzerne im Wege stehen?

Mitbestimmung

180.000 Betriebsräte können in den Betrieben nur deswegen gewählt werden, weil die erste gesetzliche Grundlage dafür in der Novemberrevolution erkämpft wurde. 100.000 Menschen demonstrierten 1920 während der Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes vor dem Reichstag für sehr viel weiter gehende Rechte der Betriebsräte, vor allem auch für Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Sicherheitspolizei – speziell für die Aufstandsbekämpfung gebildet und von Industrieunternehmen und Banken mitfinanziert – schoss in die Menge. 42 Menschen starben.

Das Vergangene kehrt zurück

Die erwerbstätigen Menschen arbeiten in Deutschland ganz überwiegend als abhängig Beschäftigte. Sie haben nur ihre Arbeitskraft, von deren Verkauf sie leben. Viele leben in großer Unsicherheit.

Abhängig Beschäftigte arbeiten fremdbestimmt. Sie entscheiden nicht darüber, was gearbeitet wird. Sie entscheiden nicht, wieviel und wo investiert wird. Sie entscheiden nicht über die Verteilung der Gewinne, die sie erarbeitet haben. Das Unternehmen entscheidet allein. Je mehr es um unsere Existenzgrundlagen geht, desto weniger haben wir zu sagen.

http://1918unvollendet.blogsport.eu/

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