Am 28. Februar 2017 hat der Ausschuss für Personal und Arbeit (APA) des Gesamthafenbetriebs (GHB) in Bremen beschlossen, gut ein Viertel seiner rund 2000 Beschäftigten zu entlassen. Insgesamt betroffen sind 515 Arbeitnehmer in Bremen und 89 in Bremerhaven. Erstaunlich und erklärungsbedürftig: da der APA paritätisch besetzt ist und der Beschluss einstimmig erfolgte, hat auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi den Beschluss zu verantworten. Die geplante Schließung eines Teils des GHB (betroffen ist der Bereich Distribution und Kontraktlogistik) wird seit Wochen heftig diskutiert. In einer Betriebsversammlung äußerten die Betroffenen und ihre Betriebsräte heftigen Protest. Sie organisierten am 7. März 2017 eine Protestdemonstration vor dem Parlamentsgebäude, während die Bürgerschaft drinnen auf einer Sondersitzung über sozialverträgliche Lösungen debattierte. Auf einer Pressekonferenz im DGB-Haus am 9. März 2017 stellten sich die Betriebsräte Uwe Schmidt (Gesamtbetriebsratsvorsitzender, Verdi-Gewerkschaftssekretär und für die SPD in die Bürgerschaft gewählt) und Mirco Basa sowie die Verdi-Gewerschaftssekretärin Vera Visser den Medienvertretern.
Eine lange Tradition
Rückblick: Die Gesamthafenbetriebsvereine (GHB) in den Häfen von Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Lübeck und seit der Wende auch in Rostock haben eine lange Tradition (in Bremen seit 1914) und das historische Verdienst, die in den Häfen berüchtigte „unständige Arbeit“ neu und sozialverträglich organisiert zu haben. Das funktionierte so: Hafenarbeiter und Hafenarbeiterinnen erhielten von ihrem GHB unbefristete Arbeitsverträge; der GHB wiederum verlieh die „Gesamthafenarbeiter“ (werden tatsächlich so genannt) auf Nachfrage und je nach Arbeitsanfall an die Hafeneinzelbetriebe (HEB). Diese zahlten die tarifvertraglichen Entgelte an den GHB und außerdem Extra-Beiträge, womit Ausfallzeiten beglichen werden konnten. Der GHB arbeitete kostendeckend und bildete Rücklagen für auftragsarme Zeiten. Seit 1950 wird der GHB Bremen und Bremerhaven paritätisch vom Unternehmerverband Bremische Häfen (UHB) und der Gewerkschaft (früher ÖTV, heute Verdi) verwaltet. Ursprünglich nur für die eigentlich Arbeit in den Häfen zuständig, vermittelt der GHB Bremen seit 1989 auch Arbeit im Bereich der Distribution und Kontraklogistik. Der GHB war der erste und über Jahrzehnte hinweg der einzige Arbeitsverleiher im Hafen. Seit Umsetzung der Agenda 2010 und der massenhaften Bildung prekärer Beschäftigungsverhältnisse haben sich allerdings die Rahmenbedingungen fundamental geändert. Im Umkreis der Häfen hat sich eine große Anzahl von mehr oder weniger seriösen Personaldienstleistern angesiedelt, die ihrerseits Leiharbeit anbieten und dem GHB mit dem Versprechen niedrigerer Arbeitskoten und höherer Arbeitseinsatzflexibilität das Leben schwer machen. Wie die Betriebsräte auf der Pressekonferenz erläuterten, sind die privaten Personaldienstleister an die gültigen Tarifverträge gebunden, könnten also bei den Kosten keinen Vorteil haben. Auch bei der Flexibilität habe der GHB sich längst anpassen müssen und entsprechend am 1. August 2016 mit der Gewerkschaft Verdi eine Betriebsvereinbarung für eine noch mal erhöhte Einsatzflexibilität abgeschlossen. „Sie können einen GHB-Mitarbeiter heute stündlich zur Arbeit bestellen“, so der Betriebsrat Mirco Basa, „sie können ihn noch während der Schicht zu Mehrarbeit verpflichten oder auch die Arbeitszeit verkürzen. Eine höhere Arbeitsflexibilität gibt es schlicht und ergreifend nicht, alles andere sind Märchen.“
Immer noch nicht flexibel genug?
Trotzdem: Mit dem Argument immer noch mangelnder Flexibilität hat die Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG), mit ihren Tochtergesellschaften der mit Abstand größte Hafeneinzelbetrieb in Bremen und Bremerhaven, angekündigt, in Zukunft auf 450 Mitarbeiter des GHB, die jetzt noch bei ihr in den Hochregallagern von Tschibo und Mercedes beschäftigt sind, zu verzichten. Für den GBRV Uwe Schmidt ist das Ziel klar: die Leute sollen zwar weiter beschäftigt werden, aber nicht mehr beim GHB sondern bei neuen Arbeitgebern und zu verschlechterten Bedingungen. Erniedrigend sei die Situation, dass Mitarbeiter, die teilweise schon 20 Jahre oder mehr als Packer oder LKW-Fahrer beim GHB und beispielsweise für die BLG gearbeitet hätten, bei ihrem neuen Arbeitgeber von vorn anfangen sollten. Mit einer erneuten Probezeit leisten und unter Verzicht auf ihre bisher erworbenen Rechte. Dabei herrsche im Hafen Vollbeschäftigung. Es würden Überstunden verlangt und Sonderschichten gefahren; die Zeitkonten der Mitarbeiter seien übervoll. Warum aber hat dann die Gewerkschaft Verdi dem Entlassungsbeschluss zugestimmt? Wie Gewerkschaftssekretärin Vera Visser auf der Pressekonferenz erläuterte, hätten die Arbeitgeber sich geweigert, den GHB über ihre Umlagen ausreichend zu finanzieren und so eine Verlustsituation herbeigeführt. So seien zuletzt Verluste beim GHB von ca. 300.000 Euro im Monat aufgelaufen, so dass der Geschäftsführer des GHB eine drohende Insolvenz habe befürchten müssen, was wiederum die Existenz des GHB insgesamt in Frage gestellt hätte. Verdi sei also nichts anderes übrig geblieben, als dem Entlassungsbeschluss im Ausschuss für Personal und Arbeit schließlich zuzustimmen, um Schlimmeres, nämlich Insolvenz, zu verhüten. Verbunden mit diesem Beschluss sei natürlich die klare Forderung, dass die Hafeneinzelbetriebe, allen voran die BLG, alle GHB-Beschäftigten übernehmen müssten – und zwar in reguläre, unbefristete und nach Tarif bezahlte Arbeitsverhältnisse, wobei ihre beim GHB erworbenen Rechte erhalten bleiben müssten.
An diesem Punkt wird die Krise des GHB politisch.
Da die Bremer Lagerhausgesellschaft sich zu 50,4 Prozent im Besitz des Landes Bremens befindet, hatte der Bremer Wirtschaftssenator Martin Günthner die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern am 10. März zu einer Krisensitzung eingeladen. Es sei eine Einigung erzielt, aber über das Ergebnis Stillschweigen vereinbart worden sei. Es wird also weiter verhandelt. So klar die Forderung der Gewerkschaft und der Betriebsräte nach einer Übernahme aller Beschäftigten in reguläre Beschäftigungsverhältnisse ist, so unklar und schwierig wird die Umsetzung selbst bei einer grundsätzlichen Einigung werden. Erst wenn konkrete Arbeitsverträge für jeden einzelnen in den neuen Betrieben vorlägen, könne von einer befriedigenden Lösung gesprochen werden. „Ohne konkrete Unterschriften“, so die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Vera Visser, „glaube ich nichts mehr, wenn ich die Äußerungen von Vorständen in der letzten Zeit Revue passieren lasse.“
Streik?
Falls eine einvernehmliche Lösung nicht gefunden werde, käme das einer Aufkündigung der Sozialpartnerschaft in den Bremischen Häfen gleich. „Wir haben den Eindruck auf Gewerkschaftsseite,“ so Uwe Schmidt auf der Pressekonferenz, „dass offentlich die Machtfrage gestellt werden soll. Ich weiß nicht, wo das hinläuft, das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir werden das Thema dann, wenn es notwendig ist, mit der entsprechenden Solidarität mit allen im Hafen Beschäftigten beantworten müssen.“ Im Regionalfernsehen am Abend wurde die Frage konkreter gestellt: „Heißt das Streik?“ Antwort: „Wenn die Arbeitgeber uns dazu zwingen wollen, würde das das bedeuten. Ja.“ Sönke Hundt (Bremen) in gekürzter Form veröffentlicht in der Jungen Welt v. 14.03.2017 https://www.jungewelt.de/artikel/307107.erst-flexibel-dann-gefeuert.html Zwischenüberschriften: Redaktion Gewerkschaftslinke Hamburg
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300 k? is ja n ding. uebrigens wurden im 1 quartal 2016 kurz vor
quartalsabschluss noch mal alle „Tagelöhner-Gehälter“ des vormats
ausbezahlt. waren in der summe auch um die 300k. war sicherlich ein edv-
fehler…