Montag 27.3. beginnt der große Streik der russischen Trucker

Existenzkampf: Selbstbehauptung oder Übernahme durch Großfirmen

Eine kleine Gruppe russischer Trucker machte in diesen Tagen eine Rundreise durch einige Städte in der BRD: Berlin, Kiel, Hamburg, Bremen. Und das, obwohl sie am kommenden Montag vor einem großen Streik stehen. Sie setzen damit ihren Widerstand gegen Platon fort, das ist eine Art Mautsystem, das sie existenziell bedroht. Mit Platon und weiteren Steuern sollen die Trucker fertiggemacht werden, damit die großen Logistikfirmen ihren 75 prozentigen Marktanteil übernehmen können. In Rußland sind die meisten Trucker Kleinunternehmer mit ein oder höchstens zwei LKW´s. Ihr gewerkschaftsähnlicher Zusammenschluß heißt OPR, in dem etwa 10.000 Fuhrleute organisiert sind.

Von November 2015 an hatten sie in Moskau ein fünfmonatiges Camp mit ca. 40 LKW durchgestanden. Durch einen dreigliedrigen Polizeigürtel wurden sie in dieser Zeit überwacht. Mehrere hundert weitere Trucker hielten sich streikend im Gebiet von Moskau auf. Ihr Kampf gegen die ihnen drohende soziale Vernichtung war landesweit bekannt geworden und sie hatten viel Unterstützung durch Spenden und Besuche bekommen. Dennoch mußten einige der Fuhrleute einen LKW verkaufen, um den Kampf durchzustehen. Ein Zurück gibt es für sie nicht. Die meisten von ihnen sind bei den Banken oder Autohändlern verschuldet.

Lohnarbeitende Kollegen aus großen Logistikfirmen teilten gerade mit, daß die großen Firmen Angst bekommen hätten, ihre Fahrer als Streikbrecher Gewalt auszusetzen. Und gesagt hätten, dass sie während des kommenden Streikes die Gütertransporte stoppten!

Mit dem Streik von Montag nächster Woche gehen die Trucker einen Schritt weiter und rechnen damit, daß sich andere Berufsgruppen ihrem  Kampf anschließen: Moskauer Taxifahrer und Bauern, die auch gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit in ihren Gebieten kämpfen.

Ganz Rußland ist gespannt wie es weitergeht: Ob es gelingt, eine spontane Streikwelle auszulösen und die Regierung zum Einlenken zu zwingen oder ob die es auf eine Bürgerkriegsübung ankommen läßt.

Den russischen Kollegen kam es bei ihrem Besuch darauf an, Kontakte zu KollegInnen und zu GewerkschafterInnen in Deutschland zu bekommen. Einige Kontakte sind geknüpft worden, aber sie bekamen einen realistischen Einblick, daß es in Deutschland fast keine effektiven Truckerorganisationen gibt und keine wirksame Arbeiterbewegung.

Ein deutscher Kollege bemerkte: In den deutschen Truckerforen sieht es finster aus. Dort sieht man die russischen Kollegen als Konkurrenten, ja als Feinde. Man würde sie am liebsten aus dem Land prügeln und anschließend den eisernen Vorhang wieder hochziehen.

Die Kollegen in Rußland sind auf sich gestellt. Alles, was sie an landesweiter Organisation bisher auf die Beine gestellt haben, trotz der Diffamierungen von Seiten der Medien, geschah aus eigener Kraft. Eine Unterstützung durch die Staatsgewerkschaft gibt es natürlich nicht. Von Parteien erwarten sie auch keine Hilfe. Während des Protest-Camps seit November 2015 hätten sie noch Illusionen über Unterstützung durch Organisationen gehabt, jetzt vertrauen sie nur noch auf ihre eigene Kraft und ihren Durchhaltewillen und die Solidarität aus der Bevölkerung.

Außer diesem Bericht, der mit der Unterstützung der Dolmetscherin Olga Reznikowa entstanden ist, bitte die anschaulichen Schilderungen der zweiten Dolmetscherin Ute Weinmann lesen! (die links befinden sich unten).

Weitere Infos:

Die website der Trucker: http://opr.com.ru/
Mehr zu den Hintergründen steht auf deutsch bei labournet: http://www.labournet.de/internationales/russland/arbeitskaempfe-russland/truckerprotest-in-russland/

Ein Filmemacher hat 2015/2016 die Trucker begleitet. Sein Film heißt: Chronik einer Revolution, die nicht stattfand. Hier der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Z0ViM8Kq2KA Der Film lief schon erfolgreich auf russischen Festivals. („Haulier“ kann man frei mit „Trucker“ übersetzen)

Die KollegInnen vom MPZ (medienpädagogisches Zentrum), wo die Trucker am Sonntag, 19.3. berichteten, treten mit dem Filmemacher in Verbindung, um den Film demnächst in Hamburg zu zeigen.

Hier zwei Artikel (1 Jahr alt) von der Journalistin Ute Weinmann, die bei Veranstaltungen in der BRD dolmetschte:
https://utka.noblogs.org/post/2016/02/04/wildcatstreik-der-lasterfahrer/
https://utka.noblogs.org/post/2016/02/04/flustern-von-der-revolution/

Fotonachweis: http://de.labournet.tv/video/7046/streik-und-selbstorganisierung-der-trucker-russland

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