Einladung zum Jour Fixe am 04.04.2018 um 18 Uhr 30 im Curiohaus, Rothenbaumchaussee 15
Buchvorstellung „Aufstieg und Fall der Arbeitermacht in Russland“
Es referieren die AutorInnen: Rainer Thomann (Zürich) und Anita Friedetzky (Hamburg)
„Der Verlauf und der Untergang der SU haben die sozialen Bewegungen der Welt traumatisiert. Das konnte doch nicht der Traum der Menschheitsgeschichte gewesen sein!“ (Zitat eines Genossen)
Ausgangspunkt vor ca. drei Jahren, als wir dieses Buch planten, war die Überlegung, warum die Betriebskomitees, die in der Februar-Revolution 1917 große Macht in den Betrieben eroberten, diese nach der Oktoberrevolution sukzessive wieder verloren haben. Es war eine Entmachtung der erreichten Selbstbestimmung hin zum autoritären Kommunismus.
Wir meinen, daß das Buch viel zu sagen hat beim Neu-Erstehen von Arbeitermacht in den westlichen Ländern – deshalb die ausführliche Schilderung der Ur-Szene der Entmachtung der Betriebskomitees. Es kann vielleicht dazu beigetragen, die Traumatisierung der emanzipativen und sozialen Bewegungen zu beheben.
„Dadurch, dass sich die Arbeiter an die Selbstverwaltung in den einzelnen Unternehmen gewöhnen, bereiten sie sich auf jene Zeit vor, wenn das Privateigentum an Fabriken und Werken abgeschafft sein wird und die Produktionsmittel zusammen mit den Gebäuden, die ja auch von Arbeiterhand geschaffen wurden, in die Hände der Arbeiterklasse übergehen. Deshalb ist es notwendig, auch wenn kleine Angelegenheiten erledigt werden, sich jenes große und Hauptziel, welches das Arbeitervolk anstrebt, immer vor Augen zu halten.“
Diese Sätze stehen in einer Mitteilung des Fabrikkomitees der Putilow-Werke an die Belegschaft vom April 1917, im Zusammenhang mit der Organisierung von Werksabteilungskomitees. Die Putilow-Werke am Stadtrand von Petrograd waren damals der bedeutendste Industriebetrieb Russlands mit zeitweise mehr als 30 000 Beschäftigten. Die Sitzungsprotokolle des Putilow-Fabrikkomitees von April bis Oktober 1917 sind im Buch „Aufstieg und Fall der Arbeitermacht in Russland“ erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Sie erlauben eine ungewohnte Perspektive auf die Russische Revolution. Der Blick direkt in den „Maschinenraum“ der Revolution ist umso spannender, als in den meisten Darstellungen lediglich das Geschehen auf der „Kommandobrücke“ beleuchtet wird.
„Aufstieg und Fall der Arbeitermacht in Russland“ erzählt die Geschichte von Anfang an: Ausgehend von der Industrialisierung Russlands, die im Vergleich zu Westeuropa später und dafür beschleunigt erfolgte, von den ersten Streikwellen gegen Ende des 19. Jahrhunderts über die Revolution von 1905, die einen ersten Schwerpunkt des Buches bildet. Im Zentrum stehen die Ereignisse in der russischen Hauptstadt im Revolutionsjahr 1917, die detailliert geschildert werden. Die häufigen Szenenwechsel von der „Kommandobrücke“ in den „Maschinenraum“ und umgekehrt verfolgen die Absicht, den Verlauf der Revolution von 1917 nachvollziehbar zu machen. Die Darstellung der Geschehnisse geht bis zum Sommer 1918, als die Arbeitermacht in Russland ihre Stärke als autonome gesellschaftliche Kraft eingebüßt hatte.
Die Fabrikkomitees in Russland waren direkt von den Belegschaften gewählte Arbeiterräte. Die oben zitierten und vor 100 Jahren verfassten Sätze sind alles andere als veraltet: Beim Erledigen „kleiner Angelegenheiten“ das „grosse und Hauptziel“ nicht aus den Augen zu verlieren, das sollte auch heute die Richtschnur gewerkschaftlichen Handelns sein. Der Kampf gegen die Auswirkungen der Lohnsklaverei – wie beispielsweise Leiharbeit, Massenentlassungen und Hartz IV – darf sich nicht auf die Beseitigung der schlimmsten Auswüchse beschränken. Vielmehr geht es darum, die Abschaffung der Lohnsklaverei selbst als Hauptziel stets vor Augen zu halten.
http://diebuchmacherei.de/produkt/aufstieg-und-fall-der-arbeitermacht-in-russland/