Zuerst chaotisch, jetzt enormes Konfliktpotenzial

Von L.H., Hersteller technischer Infrastruktur für Industriebetriebe (Hamburg)

Der Betrieb, in dem ich arbeite, ist eine Niederlassung einer mittelständischen Firma, die im Bereich der technischen Infrastruktur für Industriebetriebe, aber auch bspw.Krankenhäuser, arbeitet. Die Niederlassung ist eher klein, es arbeiten Leute in der Verwaltung, Vertrieb, Ingenieur, Techniker, Monteure und ich im Lager. Die meisten Kollegen wohnen im Umland, fast alle haben Kinder und es arbeiten in der Regel beide Eltern.

Zu Beginn war die Situation etwas chaotisch; für Spannungen gesorgt hat das plötzliche Umschalten vom Normalbetrieb auf Panik: In der Verwaltung normalerweise entweder häufiges kurzzeitiges Kranksein wegen Erkältung, gleichzeitig bei denen, die was werden sollen und sich unabkömmlich zeigen wollen, auch gerne schwer verschnupft zur Arbeit kommen, weil wichtiger Termin….

Die Monteure sind normalerweise auch öfters krank, aber das hat eher mit Rückenproblemen zu tun. Gut, dann von einem auf den anderen Tag auf Seiten der Angestellten nackte Panik, die sich noch gesteigert hat.

Einige ins Home Office, andere können eben eine Tür hinter sich zumachen. Die Techniker/ Monteure können das nicht, müssen in andere Betriebe gehen, um dort zu arbeiten. Manchmal alleine, manchmal zu mehreren. Komplette Distanzierung lässt sich da nicht einhalten. Im Lager ist es irgendwie dazwischen: Bin viel alleine, aber natürlich kommen nach wie vor Kurierdienste und LKW vorbei, Techniker holen sich Sachen raus usw. Es gab also Konflikte zwischen Büroangestellten, die sich eh besser isolieren können und Arbeitern, die das nicht können, aber auf einmal Vorwürfe bekamen, sie würden das alles nicht ernst nehmen…

Dazu die plötzliche materielle Unsicherheit – es ist nicht abzusehen, wie sich die Firma in der Krise halten kann. Oder Ehepartner, die kurzarbeiten. Dazu die offenen Fragen, wie die Kinderbetreuung organisiert werden kann. Und, es ist auch ein Unterschied, ob jemand ein Eigenheim mit Garten hat oder eine kleine Mietwohnung, wo die Kinder auf einmal den ganzen Tag rumrennen.

Nach einer Zeit hat hat sich das etwas eingeruckelt. In der Firma sind die Arbeiten etwas entzerrt, wie gesagt, Home Office für die einen, für die anderen die Ansage, möglichst nicht zu Bürozeiten da zu sein. Es gab die eine oder andere Krankschreibung, aber auch bei manchen (Arbeitern) so etwas wie Arbeiten aus Verantwortungsgefühl – es geht ja auch um Krankenhäuser und Lebensmittelbetriebe. Man kann das nicht völlig trennen von der Angst um den Arbeitsplatz, aber das Empfinden, jetzt wichtig für die Gesellschaft zu sein, ist auch ein Aspekt.

In der letzten Woche schienen mir andere Probleme an Wichtigkeit zu gewinnen, etwa Probleme mit pflegebedürftigen Eltern, für die es momentan kein Pflegepersonal gibt. Ich merke allgemein, dass die Nervosität steigt, wie innerhalb von Familien mit unterschiedlichen Einstellungen zum richtigen Verhalten gegenüber Kindern, Pflegebedürftigen u.a. umgegangen werden soll. Da gibt es ein enormes Konfliktpotenzial.

L.H., Hamburg

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