Von Rainer Dietrich
Der Text „Bremer Bürgerschaftswahlen 2023 – superdemokratisch?“ entstand vor den Bürgerschaftswahlen in Bremen am 14.5.2023. Es gab und gibt aktuell keine breite Arbeiterbewegung. Die Funktionäre der um die Woche am 1. Mai gerade streikenden Beschäftigten der öffentlichen Verkehrsbetriebe in Bremen (BSAG) trotteten mit ihren Trillerpfeifen auf der 1. Mai Demo brav hinter dem Bürgermeister Bovenschulte, (so zu sagen ihrem Aufsichtsratschef) hinterher, der in der ersten Reihe mit den DGB-Funktionären das Schild mit dem Aufruf zur Arbeitersolidarität trug. So gab es auch keine Grundlage für eine Partei in Bremen, deren Aufgabe es gewesen wär, das Wirken einer breiten Arbeiterbewegung auch parlamentarisch abzusichern. Es standen nur die traditionell schon etablierten Parteien und einige „Kopfgeburten“ zur Wahl, die nicht aus gesellschaftlichen Bewegungen hervorgegangen sind, und nichts repräsentieren.
Es werden im Text nur ausgewählte Einzelheiten der Bereiche des täglichen Lebens geschildert, die laut eigener Programmatik den Regierungsparteien besonders wichtig sind. Es ist exemplarisch, weil in Bremen die bürgerlichen Reformparteien – wie man so sagt – „alle Zeit der Welt“ hatten, ihre Reformversprechen durchzusetzen: Die SPD konnte nun seit über 70 Jahre die Bildungspolitik gestalten und fast ebenso lange die Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik, zuletzt seit 16 Jahren zusammen mit den Grünen. Die Grünen sind nun seit 16 Jahren u.a. für die Verkehrspolitik zuständig. Anders als im Bund hindert keine FDP den Reformeifer, sondern die Linke unterstützt ihn als kleinster Koalitionspartner.
Trotzdem haben sie fast nichts von ihren Zielen verwirklicht.
Der Hinweis, dass Bremen unverschuldet in Not geraten und jetzt so arm sei, und deswegen seine Reformziele nicht hätte erreichen können, stimmt nicht. Die öffentlichen Einnahmen pro Einwohner liegen auf bundesdurchschnittlicher Höhe. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_deutschen_Bundesl%C3%A4nder_nach_Steuereinnahmen
Die beiden Städte (Bremen und Bremerhaven) des Landes Bremen gehörten bis Ende der 1960er Jahren zu den reichsten Gemeinden Europas. Ihr Abstieg ins Jammertal, der zu hämischem Gespött landauf, landab anregt, ist durchaus auch subjektiven Faktoren geschuldet.
Noch heute rechtfertigen die Apologeten unter den Verantwortlichen die tatsächliche Misere der Bevölkerung sozusagen mit „Schicksalsschlägen“, die auch ein Spitzensportler durch eine schwere Krankheit erleiden kann. Diese Krankheit des kleinen Landes sei die Werftenkrise gewesen. Als Vergleich werden die Verwerfungen des Ruhrgebietes herangezogen. Deren Wirtschaft, die auf Kohle und Stahl beruht habe, habe sich auch noch nicht von der Schließung der Kohlezechen voll erholt. Der Vergleich hinkt. Die Werftenkrise hatte einen ganz anderen Charakter als die Kohlenkrise. Das kann man im Vergleich mit der Meyer-Werft in Papenburg sehen. Sie baut mitten in Niedersachsen in Papenburg an dem kleinen Flüsschen Ems riesige Kreuzfahrtschiffe und schleppt die Rohbauten ans Meer. Wenn an einem dafür so miserablen Standort sich eine der führenden Kreuzfahrtschiff-Werften der Welt über Jahrzehnte entwickeln und auch nach der sogenannten Werftenkrise nicht nur halten sondern auch reüssieren kann, dann wäre so was in Bremen oder Bremerhaven erst recht möglich! Bremen hat auch eine sehr vielfältige Wirtschaftsstruktur z.T. mit Zukunftsbranchen, die wachsen und nicht an bestimmte natürliche Standortbedingungen gebunden wären, und an denen es hier etwa mangelte.
Nein, es ist eine bestimmte Verfasstheit der Kapitalstruktur, die die Chancen nicht wahrnimmt, die in Bremen genauso wie anderswo auch gegeben sind. Die damalige Gründung der Universität Bremen und der damit zusammenhängende Austritt der FDP aus dem Senat 1971, sowie die Verschuldungspolitik Bremens, führten dazu, dass sich „das Kapital“ gegen Bremen als eine Metropole (Zentrum für Entscheidungen über Kapitalangelegenheiten) entschieden hat. Das Kapital hat sich für Hamburg als ihre Hochburg im Norden entschieden und Bremen zum Tief gemacht. Die Verschmelzung der Reedereien von HAPAG aus Hamburg und der etwa gleich großen Norddeutscher Lloyd aus Bremen schließlich in Hamburg war nur eine der Folgen. Andere, dass es in Bremen keine Börse und praktisch keine Banken außer der Sparkasse mehr gibt. Alles andere sind Filialen, die, wie die Norddeutsche Landesbank, auch noch geschlossen werden. Ohne deren hohen Einkommensbezieher*innen, fehlen selbstverständlich zunehmend aller Luxus und Glitter.
Trotzdem soll auch der Hinweis nicht fehlen: In Bayern, mit einer vergleichbar langen Tradition einer dominierenden Mehrheitspartei, der CSU, gibt es z.B. das Polizeiausführungsgesetz, das Präventivhaft bis zu 30 Tagen auf Anordnung der Polizei ohne Gerichtsurteil ermöglicht. In der Zeit der Corona-Pandemie wurden fast 200 Mal Leute so eingesperrt. Mit dem Gesetz, das offiziell gegen mutmaßliche „islamistische Terroristen“ in Stellung gebracht wurde, werden jetzt mutmaßliche „Klimakleber“ aus ihren Wohnungen geholt und in Zellen verfrachtet. Solche diktatorischen Ermächtigungen gibt es in Bremen nicht. Also auch unter kapitalistischen Verhältnissen gibt es unterschiedlich mögliche politische Entscheidungen, die sich auf das konkrete Leben der Menschen unterschiedlich auswirken. Und konkretes Missmanagement kann man kritisieren, auch wenn es nicht unmittelbar vom Grundwiderspruch abzuleiten ist und auch unter kapitalistischen Verhältnissen durchaus besser gemacht werden könnte.
Trotz der scheinbaren Demokratisierung mit den vielen Wahlmöglichkeiten ist die Wahlbeteiligung in Bremen und erst Recht in Bremerhaven sogar auf 40% weiter zurückgegangen. Und viele Bewohner*innen – ohne EU Pass – durften ohnehin nicht wählen. Welche Koalition immer gebildet wird, sie wird schon vom Ansatz her nur eine Minderheit der hier Lebenden (Kinder sowieso ausgeschlossen) repräsentieren. In Bremerhaven würde selbst eine Allparteienkoalition ohne „Bürger in Wut“, AfD und „die Partei“, die auch einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung errungen hat, von SPD, CDU, FDP, Grüne und Linke nur noch 29% der wahlberechtigten Bevölkerung repräsentieren. Jede andere Konstellation noch weniger.
Ich habe mir die „Analyse der Bürgerschaftswahl“ bei der Friedrich Ebert Stiftung am 16.5.2023 unter Mitwirkung des Bremer SPD Landesvorsitzenden Reinhold Wetjen angehört. Es gab dort keinerlei Problembewusstsein. Es gab nur die übliche Koalitionsarithmetik.
Ob die SPD auch im Land Bremen wie in Berlin die Koalition wechselt, war das einzige, was interessierte – bzw. als Machtpoker in die Diskussion geworfen wurde.
Wie legitim ist denn eine Wahl wenn die Wahlbeteiligung unter 60% liegt und in Stadtteilen wie Gröpelingen in denen die „Armen“ Menschen leben und viele Menschen die garnicht Wählen dürfen weniger wie 40% gültige Stimmenzettel abgegeben wurden. Jetzt haben wir eine Linke die sich in ihrer angepassten Politik, denn „Auch wir können Wirtschaft“ bestätigt fühlen obwohl gut 21000 Stimmen verloren gegangen sind und das vor allem in den Stadteilen wir Gröpelingen oder auch Huchtig. Hier in Gröpelingen ist die Linke mit Einzug der Regierungsverantwortung komplett abgetaucht und war nicht mehr ansprechbar, nur einige Wenige haben sich hier und da noch stark gemacht, was der Parteiführung aber ein Dorn im Auge war Beispiel ist da die Gegenwehr zum Bau der Kläschlammverbrennungsanlage oder der Versuch zur Verhinderung einer Bahnwerstatt auf dem ehemaligen Friedhof von sowjetischen Krieggefangenen. Die BIW (konservativ Rechts) hat jetzt in Gröpelingen 13% geholt und in Bremen gesamt 7,4%. Wäre vor 4 Jahren undenkbar gewesen. Als die 2019 in Gröpelingen auftauchten gab es immer tumulte und wurden von uns Linken weggejagt, bei dieser Wahl war das anders. Sogar in den Dönerbuden und den türkischen Bäckerrein lagen deren Flyer aus. Die Linke schreit jetzt auf, wir müssen was gegen den Rechtsruck tun. Eine Frage ist warum hat das vor der Wahl nicht interessiert. Gröpelingen ist meiner Meinung nach nicht rechter wie 2019 nur ist die Spirale hier in Gröpelingen in Bezug auf allem stark nach unten gegangen und die Menschen haben die schnauze voll. Einen Teil der biw Wählern ist es gar nicht bewusst gewesen das sie konservativ Rechts gewählt haben und für andere ist es der Mittelfinger an die Regierenden. Die SPD ist in Bremen wieder Sieger der Wahl und von daher wird sich auch in den nächsten 4 Jahren nichts ändern. Klare verlieren waren hir die Grünen. Bei einer höheren Wahlbeteiligung wäre die Wahl anders ausgegangen.