Kommunistische Parteien in Belgien und Österreich wurden zu Massenparteien – in Deutschland nicht! WARUM?

Kommunistische Parteien in Belgien und Österreich wurden zu Massenparteien – in Deutschland nicht! WARUM?

Daß es in Europa, in zwei Nachbarländern Deutschlands, in denen eine kommunistische Partei nie über ein Mini-Dasein hinauskam, diese in den letzten Jahren zu Massenparteien geworden sind, ist sehr außergewöhnlich! Das ist geschehen bei der PTB (PvdA) in Belgien und der KPÖ (Kommunistische Partei Österreich).
Wie kam es dazu und vor allem: Warum entwickelten sich die anderen Parteien Westeuropas nicht zu kommunistischen Massenparteien, zumal einige, wie in Italien und Frankreich, es bis vor 40 Jahren noch waren?!
In der BRD kam die KPD immerhin bei der ersten BT-Wahl 1949 auf 5,3 Prozent, schon 1953 kam sie nicht mehr über die 5 Prozenthürde und wurde 1956 verboten.
Der Grund, warum die KPD schnell wieder von der politischen Bühne verschwand, lag in der Diskreditierung des Kommunismus durch Stalin, der Vertreibung von 13 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten. Die Millionen Vertriebenen, Geflüchteten verbreiteten ihre Haltung „den Russen“ gegenüber überall in den Westzonen und dann in der jungen BRD. „Russen und Sowjets“ wurde gleichgesetzt mit Kommunismus. Das war die Grundlage für den Antikommunismus in der Bevölkerung, der selbstverständlich eifrig von den Herrschenden und den westlichen Allierten genutzt wurde. Ähnlich war es in Polen, wo 10 Millionen aus den polnischen Staatsgebieten vertrieben und in Ostpreußen, Pommern, Danzig, Schlesien angesiedelt wurden.
Ausführlicher kann das an dieser Stelle nicht erörtert werden.
1968 wurde die KPD, mit politischen Zugeständnissen, als DKP wiedergegründet. Sie lag meistens im 0,x-Bereich. Mit Ausnahmen in einigen Orten.

In Italien erreichte die KPI über Jahrzehnte um die 30 Prozent und in Frankreich auch über Jahrzehnte zwischen 20 und 30 Prozent. Sie waren nicht nur Konkurrenten für die bürgerlichen Parteien sondern auch von der NATO als Gefahr angesehen. In diese Zeit fällt der Aufbau sog. Stand Behind Armeen/Gladio in West- und Osteuropa durch die USA/CIA. Diese Untergrundarmeen sollten tätig werden, wenn ein befürchteter Angriff der UdSSR stattfindet und im Hinterland subversiv eingreifen. Dafür wurden versteckte Waffenlager angelegt.

Der Kapitalismus befindet sich in ökonomischem, sozialem, kulturellem Niedergang. Besonders deutlich sehen wir das in Deutschland am Zustand des Gesundheitswesens, der Bahn, der Straßen, des Schulwesens, der Altersarmut – um nur einige Bereich zu benennen. Dieser Niedergang, der schon vor Jahrzehnten einsetzte, wurde nicht begleitet mit einem Erstarken der Arbeiterbewegung, speziell kommunistischer Gruppen oder Parteien. Und hier stellt sich die Frage nach dem Warum erneut. Hatten doch diese Gruppen bzw Parteien etliche tausend Mitglieder, die sicher das Faktum ihres Mini-Daseins und ihrer Wirkungslosigkeit immer wieder diskutierten. Warum fanden sie nicht den Ausweg wie PTB und KPÖ?
Wir halten den Fakt, heue als kommunistische Organisation erfolgreich offen in der Gesellschaft auftreten zu können als politisch sehr bedeutsam.

Vor dem Hintergrund unserer politischen Aufgabenstellung als Organisation haben wir bei Jour Fixes in den letzten Monaten in diesem Zusammenhang diskutiert :
Eine Gesellschaft ohne Opposition. Versuch einer Analyse der aktuellen Situation

Jour Fixe mit Dr. Klaus-Jürgen Bruder
https://gewerkschaftslinke.hamburg/veranstaltungen/archiv/page/5/
Gewerkschaftsführungen auf Seiten von Regierung und Kapital – Was tun WIR?
Jour Fixe mit Dejan Lazic und Felix Feistel

https://gewerkschaftslinke.hamburg/veranstaltungen/archiv/page/4/

Wir freuen uns über die Erfolge der PTB und KPÖ, der auf ihrer Basisarbeit beruht und sich in Wählerstimmen niederschlägt. Diesen Weg unterstützen wir.
Unsere Planung ist:
Ein Jour Fixe mit GenossInnen von Solidarisch Gröpelingen ist am 4. September.
Dann im Oktober und November Jour Fixes mit den GenossInnen von der KPÖ bzw PTB.

Daß KPÖ und PTB heute gerade mit dem Namen „kommunistisch“ Stimmen gewinnen können, ist in zweifacher Weise bedeutsam. Einmal zeigt es, daß die ideologischen Nachwirkungen des Stalinismus überwunden sind und zum anderen zeigt es den Niedergang der übrigen – bürgerlichen – Parteien.

Die KPÖ

Aus dem Artikel von Julian Alexander Hitschler:
Die K-Frage
Diese Einigkeit ist nicht über Nacht entstanden, sondern über Jahre gewachsen, betont Roberta Jelinek: „Es gab viele Diskussionen darüber, ob wir die Partei nicht umkrempeln müssen und ob sie nicht vielleicht einen neuen Namen braucht“, erzählt sie. „Gerade in Salzburg war das ‚K‘ im Namen lange Zeit ein großes Thema, viele waren da sehr vorsichtig. Am Anfang waren nicht alle unbedingt davon überzeugt.“
Inzwischen ist dies aber anders:
„Mittlerweile sind wir alle zusammen sehr stolz auf das ‚K‘“. Dafür verantwortlich war auch die Überzeugungsarbeit der Mitgliedschaft der KPÖ: „Die KPÖler fühlten sich von uns nicht vor den Kopf gestoßen oder nicht wertgeschätzt, sie haben uns stattdessen Zeit, Geduld und Vertrauen entgegengebracht, unsere Meinung zu ändern.“
Heute sieht auch Roberta Jelinek den Namen KPÖ als Vorteil.
„Ich glaube, das macht es uns einfacher, die Leute anzusprechen, die uns sonst nicht wählen würden“. Das Konzept „Kommunismus“ sieht sie als weniger belastet als den Begriff „Links“. Auch erregt der Name der Partei Aufmerksamkeit. „In Boulevardmedien bekommen wir damit eine relativ große Bühne“, meint die neugewählte Salzburger Stadträtin.
„Unser Name ist tatsächlich ein großer Vorteil für uns“, meint auch Sarah Pansy. „Uns Kommunisten glaubt jeder, dass wir etwas fundamental Anderes wollen.“ Damit erreicht die KPÖ auch Menschen, die mit der Parteipolitik eigentlich abgeschlossen haben.

Zentral ist der Satz: „Uns Kommunisten glaubt jeder, dass wir etwas fundamental Anderes wollen.“
„Jeder“, das heißt Sympathisanten und Gegner! Und das heißt: So können wir heute agieren! Offen als Kommunisten. Daß es sogar besser ist als nur als „Linke“ zu agieren.
Es ergibt sich zwangsläufig die Frage: Warum sind Parteien aus Deutschland wie die Partei die Linke, BSW, MLPD, DKP nicht nach Belgien und Österreich gepilgert um zu lernen? Oder haben belgische oder österreichische GenossInnen zumindest zu sich eingeladen?!

Aus dem Artikel von Hitschler ergibt sich die Frage, warum die Jugendorganisation der österreichischen Grünen zur KPÖ ging.
Interessant ist auch die Aussage von Sarah Pansy: „Wir beziehen uns nicht aktiv auf Kulturkampfthemen. Die Frage ist dann: Hält man es aus, dass die linke Szene das dann nicht besonders gut findet und viele Leute dort nicht die größten Fans von uns sind?“, so Sarah Pansy. „Wir mussten irgendwann akzeptieren, dass Menschen uns nicht so sehr aus Moralvorstellungen wählen, sondern aus Vertrauen.”
Die „linke Szene“ von der Sarah Pansy spricht, das sind in Hamburg die „Linksradikalen“ von der Antifa, IL und HBgR, die uns als nazinah, Coronaleugner und Antisemiten beschimpfen.

Jelinek und Pansy, die beide von der Jugendorganisation der Grünen (Junge Linke) kommen, beschreiben wie sie bei der KPÖ in Salzburg sechs bis sieben alte Genossen angetroffen hätten. Und der Impuls der Erneuerung dann durch die Jungen gekommen sei.
Auch dieser Fakt ist politisch wichtig! Gerade im Bezug zu uns, zum Jour Fixe. Wir hatten vor 20 Jahren gedacht, daß wir als Kritiker der sozialpartnerschaftlichen DGB-Gewerkschaften auch junge KollegInnen anziehen würden, daß diese bei uns mitarbeiten würden. Wir bekamen zwar Kontakt zu etlichen Gruppen/Organisationen mit Jüngeren, hatten auch Zusammenarbeit bei Aktionen (zB Neupack!!). Aber daß diese Jungen auf uns zukamen wie die Junge Linke in Salzburg geschah nicht. Hitschler beschreibt es: „Die Mitgliedschaft entschied sich daraufhin, sich in „Junge Linke“ umzubenennen und sich politisch neu zu orientieren. In Salzburg entschloss man sich, auf die Kommunisten zuzugehen“.

Um 1970 war das noch anders. Die jungen Menschen aus der Jugend- und Studentenbewegung fühlten sich angezogen war begierig, von älteren KollegInnen und Genossinnen zu lernen, die die Weimarer Zeit, die Nazi-Zeit und die Nachkriegszeit erlebt hatten! Diese Erfahrung der Neugierde und des Lernen-Wollens von den Erfahrereren machen wir vom Jour Fixe Gewerkschaftslinke nicht wie auch viele andere linke Gruppen/Organisationen, zu denen wir Kontakt haben. Eben das ist anders bei der KPÖ.
Fazit:
Ich ziehe den Schluß, daß auch in Deutchland möglich ist, was in Belgien und Österreich möglich ist. Die politischen Unterschiede sind nicht sehr groß wie Sarah Pansy richtig einschätzt: „Die Themenlage in Österreich unterscheidet sich nicht wesentlich von der in Deutschland. Auch die Unterschiede im politischen System sind eher gering. Die Wohnungsfrage ist in Deutschland ähnlich dringlich wie in Österreich“.
Die Genossin ist zu ergänzen: Nicht nur die Wohnungsfrage ist dringlich, auch -im Gegensatz zu Österreich- die Altersarmut, das Gesundheitswesen, die Eisenbahn!

Der Stand in Deutschland:
Erstens muß man feststellen, daß alle o.a. Parteien unterlassen haben, einen Weg zu gehen wie die belgischen und österreichischen GenossInnen. Allein das wäre interessant, die Gründe für diese Unterlassung zu untersuchen!
In Deutschland gibt es seit sieben Jahren„Stadtteilgewerkschaft Solidarisch Gröpelingen“. Solidarisch Gröpelingen macht in Praxis das, was in Österreich und Belgien die dortigen kommunistischen Parteien als Basisarbeit machen. Ohne allerdings einer Partei anzugehören. Solidarisch Gröpelingen ist Vorbild für andere Gruppen mit ähnlichem Ansatz und ist in engem Kontakt mit ihnen. Solidarisch Gröpelingen hat nicht nur eine soziale Praxis sondern eine antikapitalistische Zielsetzung.
https://solidarisch-in-groepelingen.de/selbstverstaendnis/

Hier ein wichtiger Text zur KPÖ:

Wie Salzburg dunkelrot wurde
Von Julian Alexander Hitschler
Die Barockstadt Salzburg war bisher nicht unbedingt als linke Hochburg bekannt – und schon gar nicht für ihre Affinität zum Kommunismus. Seit kurzem ist das anders. Denn am 10. März gelang der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) hier Historisches. Mit 23,1 Prozent bei den Gemeinderats- und 28 Prozent bei den Bürgermeisterwahlen verzehnfachte sie ihre Mandate auf kommunaler Ebene und ist künftig zweitstärkste Fraktion hinter der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ). Bürgermeisterkandidat Kay-Michael Dankl unterlag zwar in der Stichwahl am 24. März seinem sozialdemokratischen Mitbewerber – erreichte aber mit fast 40 Prozent einen Achtungserfolg und wird Vizebürgermeister.
https://www.links-bewegt.de/de/article/840.wie-salzburg-dunkelrot-wurde.html

Die PTB/PvdA
Die PTB ist als maoistische Partei in den 1970er gegründet, wie auch einige in der BRD. Sie kam über ihr Sektendasein nicht hinaus, hatte aber einen Arbeitsbereich Medizin für das Volk. Während die Partei bei Wahlen stagnierte, florierten die medizinischen Zentren. 2003 gab es erneut bei den Parlamentswahlen ein Desaster. Es begann eine Diskussion: Erneuern oder Verschwinden. Einige hartnäckige Verweigerer des Erneuerungsprozessen wurden ausgeschlossen. Ein Kampagne im Gesundheitssektor stieß auf gesellschaftliche Resonanz.
2005 beteiligte sich PTB an den Protesten gegen die Rentenpläne der Regierung.
Heute ist die PTB eine Partei mit angeschlossener Gesundheitsorganisation. Diese hat 11 Gesundheitszentren mit 250 Beschäftigen! Schwerpunkte sind Arbeiterkommunen.
Für die PTB ist die Verankerung in der Klasse wichtiger als das Parlament.
Optimistischer Ausblick:
„Ich bin überzeugt, dass Historiker in 200 Jahren sagen werden: Es gab eine Zeit, in der wir im Kapitalismus lebten. Es war der Profit, der darüber entschied, wohin die Ressourcen in der Gesellschaft gingen, nicht um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern um mehr Profit zu machen. Und die Leute werden sagen, dass wir verrückt waren. Archäologen werden sich fragen, wie unsere Welt so überhaupt funktionieren konnte.“ Raoul Hedebouw, Präsident der PTB/PvdA

Hier wichtiger Text zu PTB/PvdA:

Belgien: Eine marxistische Linke kann erfolgreich sein
Das Beispiel der belgischen Partei der Arbeit (PTB/PvdA)
Arbeiterstimme Nr. 220 aus 2023
„Einzig die belgische Partei der Arbeit (PTB)“, so Bierbaum, „scheint auf dem Weg zu sein, aus dem Zehn-Prozent-Getto auszubrechen. Sie hat einen erstaunlichen Wandel von einer ehemals maoistischen Organisation zu einer in der Arbeiterklasse verankerten Partei der Arbeit durchgemacht und ist zum politischen Repräsentanten der sozial Benachteiligten geworden“.
https://www.arbeiterstimme.org/2023/119-nr-220/122-die-linke-kann-erfolgreich-sein

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ (Albert Einstein)

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