Als bekannt wurde, daß am 1. Mai in Bremen ein Vorsitzender der Polizeigewerkschaft (GdP) Hauptredner sein sollte, kam von KollegInnen, besonders der IG Metall Protest dagegen auf. Das scheint üblich zu werden, daß die Vorsitzenden der GdP die Hauptredner am 1. Mai werden. Auch in Kiel!
In Hamburg am 1. Mai vom Friedhof Ohlsdorf zum Museum für Arbeit laufen? Das kam mir sehr depressiv vor. Und dann noch Katja Karger anhören, die mit höchsten Tönen kürzlich Bürgermeister Scholz in sein Ministeramt (mit der schwarzen Null) nach Berlin verabschiedet hatte und den Alibi-Linken im IGM Vorstand Hans-Jürgen Urban, da überlegte ich mir, nach Bremen zu fahren, hatte kürzlich den Aufruf von Bremer IG Metall-KollegInnen gegen das Auftreten am 1. Mai in Bremen des GdP-Vorsitzenden von Niedersachsen, Dietmar Schilff mitbekommen: „Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung! Der 1. Mai ist unser Tag!“ und dann das Rauschen im Bremer Blätter-(Medien)Wald. Ich dachte mir: Das wird in Bremen bestimmt spannender als in Hamburg. Und etliche KollegInnen aus Bremen kenne ich auch, die man treffen könnte. Gesagt, getan.
Etwas anderes als in Hamburg ist der 1. Mai in Bremen schon, noch sozialdemokratischer! Es ging los am Weserstadion. Als erster sprach der Bürgermeister (SPD) ein Grußwort, dann ein halbstündige Rede vom Präsidenten von Werder Bremen, eine Lobrede für Werder. Alle Redner duzten sich, redeten sich mit Vornamen an, wohl alles Sozis. Den aufmüpfigen IG-Metallern gelang es nicht sich an die Spitze des Zuges zu setzen. Die erste Reihe blieb den Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften und SPD-Promis vorbehalten, den Redner, Dietmar Schilff hatten sie in ihre Mitte genommen. Dann dahinter ca. 15 Polizisten, natürlich in zivil, mit sieben grünen GdP-Fahnen.
Weiter hinten der größere IG-Metall-Block mit eine Musikgruppe „Roter Pfeffer“ mit verjazzten Arbeiterliedern.
Und wie in Hamburg, ein relativ großer Block mit Schildern, die sie als Kurden, Türken, Aleviten auswiesen.
Dann ein kleiner Block von SPD-Anhängern mit zwei riesigen roten SPD-Fahnen, den größten auf der Demo. Jede 1. Mai-Demo ist auch eine Widerspiegelung der realen politischen Verhältnisse im Ort.
Erfreulich: Viele trugen im Zug Schilder „Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung“, viele Plakate dieses Inhalts rechts und links der Straße. Auch erfreulich: Viele KollegInnen aus dem Medizin-Bereich machten plakativ auf den Notstand in den Krankenhäusern aufmerksam.
Weniger erfreulich: Das Wetter. 8 Grad, dummerweise hatte ich keine Handschuh mit und keinen Pullover.
Auf der Demo mitgehört: „Ich bilde auch Azubis aus. Die hatten keine Ahnung von der Geschichte des 1. Mai. Und die Betriebsräte bei uns auch nicht?!“ „Das kommt wohl daher: In den Schulen werden sie wohl absichtlich politisch dumm gehalten“.
Dann im Zentrum, am Domhof angekommen das gleiche wie auch immer in Hamburg: Man unterhielt sich und kaum jemand hörte zu wenn auf dem Podium jemand redete. Das wurde schlagartig anders als Dietmar Schilff angekündigt wurde. Ab dann gellendes Pfeifkonzert – während der ganzen 35 Minuten, die Schilff redete. Nicht nur von den IG Metallern sondern auch von vielen Jugendlichen, Autonome, solid-Jugend, Falken. Nur selten übertönte er die Trillerpfeifen und man hörte Wortfetzen: Demokratie, Polizei dein Freund und Helfer, gegen Extremisten.
Danach gingen wir. Keine Rangelei mit Herrn Schilff, seinen Kollegen und den Ordnern. In den Seitenstraßen konnte man keine Polizei sichten, auch das ist anders als in Hamburg.
Wie ich mitbekam, gehen viele Linke nicht mehr auf DGB- oder 1. Mai-Demos, um sich die Sozialpartnerschafts- und Demokratiebeschwörungsreden nicht anhören zu müssen. Vielleicht wird dieser 1. Mai für die linken Gruppen ja Anlaß, sich den 1. Mai im nächsten Jahr selber zu gestalten nach dem Motto: Unser 1. Mai – Polizei nicht dabei! Und es kommen KollegInnen zu Wort, die von diesem System betroffen sind und Widerstand leisten. Und keine Sozialpartnerschaftsapologeten und Polizeivorsitzenden. Ein Tip: Man geht die Demo noch gemeinsam und steuert dann den eigenen Ort an.
So sehr der Aufruf der IG Metall-KollegInnen zu begrüßen ist, ein Kritikpunkt ist allerdings angebracht. Im Aufruf steht: „Wir haben vielmehr die Diskussion in unseren Gewerkschaften darüber zu führen, die Gegner (geschichtlich wie auch aktuell) der Arbeiterbewegung und auch unserer Jugend aus unseren Reihen auszuschließen. Dies ist ein unerläßlicher Schritt, wenn wir die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen machen wollen“.
Dieser Satz verursachte das Rauschen im Blätter-/Medienwald! Die Aufrufer hatten nicht nur den Medien sondern auch dem DGB und allen DGB-Gewerkschaften eine Steilvorlage gegeben für einen Gegenangriff.
Es wäre schlauer gewesen, nicht den Holzhammer rauszuholen und den Ausschluß der GdP aus dem DGB zu fordern sondern das Florett zu gebrauchen. Also Schilff zu kritisieren und seinen Auftritt in Bremen abzulehnen, weil er der IG Metall den Mund verbieten wollte, weil die sich hinter einen Kollegen gestellt hatte, dem von Polizisten zweimal der Unterschenkel gebrochen wurde während eines Protestes gegen den AfD-Parteitag in Hannover.
Aber auch die Kritik im Aufruf an der Politik der GdP-Führung ist berechtigt und zu unterstützen. Wenn „wir die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen machen wollen“, ist es auch „ein unerläßlicher Schritt“, daß die Gewerkschaftsführungen keinen Sozialpartnerschafts- sondern einen Klassenkampfkurs verfolgen.
Aber was unterscheidet die Führung der GdP in ihren politischen Positionen von den Führungen der übrigen sieben DGB-Gewerkschaften? Von deren Sozialpartnerschafts- und Nationalpartnerschaftskurs? Falls man konsequent wäre, müßte man auch bei diesen den Ausschluß aus dem DGB fordern.
Das ist Logischerweise ein Unding. Soll man fordern, die gewerkschaftlichen Gremien in den Rüstungsfirmen Heckler&Koch, Airbus und Blohm&Voß aus der IG Metall auszuschließen, weil die ArbeiterInnen Waffen herstellen? Aber wir müssen mit allen KollegInnen, ob in der Waffenproduktion tätig oder als Polizist, diskutieren und sie fragen: Welches Produkt, welche Dienstleistung produzierst du? Welche Wirkungen hat dieses Produkt?
Wir müssen anerkennen, daß die Gewerkschaftsspitzen in der Wolle eingefärbte Sozialpartner sind, also politisch auf der Gegenseite stehen. Unsere Aufgabe ist es, geduldig zu sein und die KollegInnen aufzuklären über diese Situation. Es ist der Ausgangspunkt unserer gewerkschaftlichen Arbeit. Es ist ein Krieg um die Köpfe und wir dürfen dem Gegner keine offene Flanke bieten.
Trotz dieses Fehlers: Der Aufruf hat bewirkt, daß über innergewerkschaftliche Demokratie, über Arbeitsinhalte und gewerkschaftliche Inhalte diskutiert wird – in Bremen und hoffentlich darüber hinaus!
Übertragen auf Hamburg, hätte das geheißen: Hartmut Dudde, Einsatzleiter bei G 20 in Hamburg hätte die Hauptrede am 1. Mai gehalten. Aber das traut sich der hiesige DGB (noch) nicht. Aber für Überraschungen war der DGB bei der Planung des 1. Mai ja immer gut: Am 1. Mai 2013 war Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE Hauptredner. Die Rede ging auch in Pfiffen unter, organisiert von Beschäftigten von Neupack und ihren Unterstützern, die was hatten gegen diese Inkarnation von Sozialpartnerschaft, der verantwortlich war für den Abbruch des Streiks bei Neupack mittels Flexi-Streik (Flexi-Verarschung) und damit der Demütigung der KollegInnen, nach drei Monaten geschlagen, gedemütigt und von der IG BCE-Führung ausgetrickst wieder reingehen zu müssen.
Und wie sieht die Demo-Route 2019 in Hamburg aus? Diesmal umgekehrt vom Museum für Arbeit zum Ohlsdorfer Friedhof. Immer mehr KollegInnen wollen sich das nicht antun, weder die Route noch die Redner und stimmen buchstäblich mit den Füßen ab, sie gehen abends zur „Revolutionären 1. Mai Demo“. Wo die Polizei dann garantiert dabei ist, zuerst in den Seitenstraßen und dann im Einsatz.
Hier der Aufruf und das folgende Rauschen im Blätterwald:
1. Mai in Kiel, Bericht von Kuddel
http://www.chefduzen.de/index.php?action=printpage;topic=329215.0
Dieter Wegner, Hamburg