Tönnies hatte für Samstag, 7.9. in Kellinghusen (Holstein) zu einem Sommerfest eingeladen, wie er das in vielen seiner Produktionsstätten macht. Ein Fest mit viel Kinderbelustigung und Wurstständen und Betriebsführungen. Sommerfest im Schlachthof (für diesen Tag keine Schlachtungen!) – schon aus ästhetischen Gründen kommt einem die Galle hoch. Wie makaber ist es, ein Sommerfest mit Hüpfburgen und anderen Kinderbelustigungen auf einem Schlachthof zu machen – wo an diesem Tag die Arbeiter frei bekommen haben und ausnahmsweise keine LKW´s Schlange stehen auf denen die Schweine um ihr Leben quiecken?
Die Tierrechtsgruppe animal save hatte vor dem Schlachthof eine Kundgebung angemeldet. Wer das Fest besuchen wollte, muß durch ein Spalier von ca. 100 DemonstrantInnen von animal save und peta aus Kiel, Lübeck, Flensburg und natürlich auch Kellinghusen. Direkt am Eingang war ein Zelt aufgebaut mit Info-Material und einem Lautsprecher. Immer wenn eine Gruppe zur Werksbesichtigung ging, wurden das Todesquieken von Schweinen abgespielt.
Es kamen etwa 200 BesucherInnen, aus Kellinghusen und Umgebung, etliche mit ihren Kindern. Die Situation ist völlig anders als in Groß- und Mittelstädten. Außer einer Eisdiele und ein paar Gaststätten am Samstag und Sonntag ist nichts vorhanden. Tote Hose.
Da geht man schon in einen Schlachthof mit Kinderbelustigung und Essen, wenn sowas geboten wird.
An die BesucherInnen wurden von der Initiative Saustarkes Kellinghusen und vom Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg Flugblätter verteilt. Außer einigen Verbiesterten nahmen fast alle das Flugi, mit etlichen kam man in interessante Gespräche. Es waren Kellinghusener BürgerInnen, die aus Neugier gekommen waren und mit denen man völlig dacor war. Es waren auch Bauernfamilien aus der Umgebung gekommen, die einerseits sahen, daß Tönnies die Bauern kaputt macht zugunsten großindustrieller Landwirtschaft „Ich liefere an einen Schlachter in Itzehoe, der noch ein Handwerksbetrieb ist“ – andererseits die Zustände im Schlachthof bagatellisierten, „Unfälle kommen in jedem Großbetrieb vor und geprügelt wird sich immer mal“. Das war die Reaktion zu meiner Argumentation, daß sich ein rumänischer Werkvertragsarbeiter die Hand verstümmelt hatte (Tönnies hatte ihm darauf Selbstverstümmelung unterstellt!) und mindestens zwei Rumänen von Vorarbeitern zusammengeschlagen worden waren.
Ich sprach auch mit vielen der Tierrechtler. Einige haben weniger die Arbeits- und Lebenssituation der Werksvertragsarbeiter im Blick, waren oft kam darüber informiert sondern sind fokussiert auf den Umgang mit Tieren, hier den Schweinen. Sie ließen sich aber doch beeindrucken, wenn man ihnen schilderte, daß die – meist rumänischen – Werksvertragsarbeiter in der Hierarchie der Lohnabhängigen in diesem Lande ganz unten stehen, in welchen Verhältnissen sie arbeiten und wohnen müssen. Einig war man sich dann in der Einstellung gegen die industrielle Landwirtschaft und der Schließung der Großschlachtereien. (DW)
Der Bericht der Kollegin Gabriele vom „Stützkreis“ in Kellinghusen:
Moin,
es waren gestern knapp 200 Tierrechtsaktivisten, Bürgerinitiativenmitglieder, Politiker und tönnieskritische Bürger vor dem Schlachthof. Und damit waren es weit mehr als Besucher, die in erster Linie aus Mitarbeitern (Rumänische Familien, Fahrer etc. ) und Geschäftspartnern bestand. An den Begehungen des Schlachthofs nahmen viele kritische Bürger, grüne Politiker der LAG Mensch und Tier und Tierrechtsaktivisten teil. Entsprechend wurden unbequeme Fragen gestellt, die nur mangelhaft und/oder nicht zufriedenstellend beantwortet wurden.
Das Tierleid wurde sogar offen zugegeben und die Schuld dem Verbraucher zugeschoben, der ja Billigfleisch haben will. Ich könnte noch endlos über die Eindrücke und das beklemmende Gefühl der Menschen, die sich das Schlachthaus angesehen haben berichten. Für ALLE war dieser Ort als Arbeitsplatz unvorstellbar.
Ich habe mit sehr vielen Menschen, die die Begehung gemacht haben gesprochen.
Eine junge Frau bekam einen Weinkrampf, eine andere bekam Atemnot in der Betäubungshalle aufgrund der Luft dort und drohte ohnmächtig zu werden. Die meisten waren sprachlos und geschockt.
Die Tatsache, dass mehr Menschen VOR dem Schlachthof standen als auf dem Gelände waren, ist bezeichnend und lässt mich hoffen. Bleiben wir dran…..
Wichtig ist, dass sich die Interessengruppen der Menschenrechtler, Gewerkschaften, Tierrechtsaktivisten, Tier- und Umweltschützer und Bürgerinitiativen aller Art zusammen schließen und gemeinsam kämpfen bis sich endlich die Politik bewegt und den gesetzlichen Rahmen schafft, damit diese ganzen Verfehlungen der Tierindustrie ausgemerzt werden (können). Bei Tönnies (stellvertretend für die gesamte Fleischindustrie) wird sich NIE freiwillig etwas ändern. Das ist mein persönliches Resümee der letzten 1,5 Jahre. Dies geht nur mit zügig verabschiedeten Gesetzen und den entsprechenden Kontrollen, ob diese denn auch eingehalten werden.
In diesem Sinne
Herzliche Grüße
Gabriele Piachnow-Schmidt
Flugblatt der Ini Saustarkes Kellinghusen:
Was hat der Regenwald mit dem Schlachthof von Tönnies (mit uns) zu tun?
Der Regenwald brennt und brennt…
In Südamerika wüten verheerende Waldbrände. Viele wurden gelegt, um Platz für Tierfuttersoja-Anbauflächen und Weiden zu schaffen.
Hunger auf Fleisch
Fleisch ist des Deutschen liebstes Gemüse. 88 Kilogramm pro Person werden hier jährlich verzehrt. Mehr als 100 Millionen Tiere werden in Deutschland Jahr um Jahr geschlachtet, benötigen große Mengen an Kraftfutter. Für Schweine und Geflügel in Deutschland besteht dies zu mehr als 30 Prozent aus Soja. Deutschland ist Import-Weltmeister für Tierfuttersoja aus Südamerika. Allein zur Fütterung der deutschen Masttiere mit Soja braucht es in Südamerika eine Anbaufläche größer als Brandenburg. Permanent werden Anbauflächen erweitert, dafür wird weiterhin Regenwald zerstört – auch mit Brandrodungen. Wir empören uns zurecht über die verheerenden Brände im Amazonasgebiet. Sie sind verheerend für das Klima, treiben die Erderhitzung weiter an. Aber wird nicht hier in Deutschland für die industrielle Fleischproduktion in den großen Mastbetrieben das auf den brandgerodeten Äckern Brasiliens angebaute Soja an die Tiere verfüttert? Um ein Kilogramm Hühnerfleisch zu erzeugen, wird fast ein Kilogramm Soja verfüttert, 650 Gramm für Schweine und 230 Gramm beim Rind. Damit sind wir durch unseren Fleischkonsum hier in Europa mitverantwortlich an diesen verheerenden Bränden. Der Schlachthof in Kellinghusen – Teil der industriellen Fleischproduktion
In Kellinghusen darf die Unternehmensgruppe „Tönnies Holding“ 6.000 Schweine pro Tag schlachten. Das sind ca.1.8 Millionen im Jahr.
Dem Schlachthof verdankt die Stadt Kellinghusen wiederholt negative Berichterstattungen in den Medien. Angefangen von unwürdigen und katastrophalen Bedingungen in den Unterkünften der im Betrieb beschäftigten überwiegend rumänischen Werksvertragsarbeitern bis hin zu Arbeitsunfällen im Betrieb im August 2018 (NDR Sendung „Markt“, Anfang 2019). Diese Berichte zeigen auch, wie extrem die Tiere, die in Großschlachtereien wie Tönnies enden, unter den dafür notwendigen Massentierhaltungen leiden.
Warum sollte der Schlachthof gut für Kellinghusen sein?
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erhält die Stadt Gewerbesteuer?
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hat er Arbeitsplätze geschaffen?
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die Anwohner sind dem Gestank, dem Lärm durch Kühlaggregate und auch durch das panische Angstschreien der Tiere ausgesetzt. Dazu kommt die Belastung durch LKW-Verkehr (Lärm, Feinstaub, Abgase, kaputte Straßen).
Die Bürgerinitiative „SAUstarkes Kellinghusen“ befürchtet, dass aus dem Abwasser des Schlachthofs nicht alle Schadstoffe, seien es Chemikalien, Hormone und Medikamente (insbesondere Antibiotika), entfernt werden können und diese in die Stör oder ins Grundwasser gelangen.
Die Bürgerinitiative SAUstarkes Kellinghusen fordert:
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Ausstieg aus der industriellen Fleischproduktion mit Massentierhaltung und Massentierschlachtung
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Verbot des unmenschlichen Werkvertragssystems im Schlachthof
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Offenlegung eines Alarm- und Gefahrenabwehrplans bei Unfällen wie beispielsweise bei Austritt von giftigem Ammoniak, wie bereits an anderen Orten geschehen.
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Messung der Feinstaubbelastung im Wohngebiet am Schlachthof und Reduktion von Gestank
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Keine weitere Verschwendung von kostbarem Trinkwasser für Schweinetransportlaster
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Umwandlung des Schlachthofs in einen für die Stadt attraktiven Freizeitparkt mit innovativen Spielflächen für Kinder oder einen Gewerbepark für kleine und mittlere umweltfreundliche Unternehmen (Innovationspark)
V.i.S.d.P. Bürgerinitiative SAUstarkes Kellinghusen
Hier das vom Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg verteilte Flugblatt:
Clemens Tönnies ist nicht nur ein Rassist sondern das System Tönnies ist Menschenschinderei!
Die rassistische Äußerung von Clemens Tönnies hat große Aufmerksamkeit ausgelöst: „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ Dafür bekam er Beifall auf dem Handwerkertag in Paderborn.
Eines ähnlichen Jargons befleißigte sich Fürstin Gloria von Thurn und Taxis mit ihrem unsäglichen „Der Schwarze schnackselt gern“.
Eine derartige Ausdruckweise ist also nicht nur an Stammtischen sondern auch unter der gesellschaftlichen Prominenz in Deutschland üblich.
Clemens Tönnies ist nun nicht nur seit 2001 Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04 sondern auch Inhaber von Deutschlands größtem Fleischkonzern mit weltweit 16.000 Beschäftigten, 6,65 Milliarden Umsatz und einem Vermögen von 1,4 Milliarden Umsatz (US-Magazin Forbes).
Die beleidigende und rassistische Äußerung gegen AfrikanerInnen von Tönnies – die immerhin keinem schadet sondern nur etwas über sein Niveau aussagt – steht bei uns aber nicht im Mittelpunkt sondern die Zustände, die in seinen Großschlachtereien herrschen. Er beschäftigt tausende WerksvertragsarbeiterInnen mittels Subunternehmern, die unter entwürdigenden Zuständen leben und arbeiten.
Auch in seiner „Stapelfelder Rede“ kritisierte Prälat Peter Kossen (Lengerich) präzise die Zustände bei Großschlachtereien.
Die Kommunen benennend, fragt Peter Kossen: „Wie weit reicht hier der Arm eines Clemens Tönnies?“
Das ist eine Horrorwelt, die wir kennenlernen, wenn wir uns mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der WerksvertragsarbeiterInnen befassen. In Kellinghusen sind rumänische Werksvertragsarbeiter von Vorarbeitern zusammengeschlagen worden, ein rumänischer Kollege, George Berca, hatte einen Unfall, bei er sich die Hand verstümmelte. Tönnies dazu: Selbstverstümmelung!
Diese Zuständen sind zwangsläufige Folgen des Werkvertragssystems in der Fleischindustrie und des System Tönnies. Präses Peter Kossen hat für die überausgebeuteten WerksvertragsarbeiterInnen deshalb den Namen Wegwerfmenschen gefunden. Zu Recht.
Wir vom Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg beteiligen uns deshalb beim „Stützkreis“ in Kellinghusen, einer Initiative, die sich für bessere Arbeits- und Wohnbedingungen der WerksvertragsarbeiterInnen bei Tönnies einsetzt und gegen das Werksvertragssystem, das solche Zustände erst möglich macht. Der Stützkreis trifft sich seit über einem Jahr.
Wir haben im Januar ein Jour Fixe zum Thema „Arbeits- und Lebensbedingungen bei Tönnies“ gemacht, dabei waren Aktive aus Kellinghusen, von Initiativen aus Rheda-Wiedenbrück und Gütersloh. Ebenso waren wir beteiligt an der Demo und Kundgebung gegen Tönnies im Frühjahr in Rheda-Wiedenbrück.
Über die Zustände bei Großschlachtereien wie Tönnies, über die Auswirkungen des Werkvertragssystem berichten wir kontinuierlich in unseren Jour Fixe Infos und Treffen.
Wir sind also dauerhaft dran am Thema Tönnies &Co.
Seit fünf Jahren gibt es außerdem einen Kreis „GewerkschafterInnen gegen Fertigmacher/Union Busting“, der bisher drei Konferenzen oder workhops ausrichtete. An diesen Kreis können sich Betroffene oder am Thema Interessierte wenden!