Skandalstück des Bundestages: Coronafälle in Schlachthöfen

Am 13.5.2020 wurde ein makabres Schauspiel im Bundestag aufgeführt: „Corona-Skandal in den Schlachthöfen“.

Makaber ist, daß das Stück jetzt aufgeführt wird. Der Stoff ist eine alte Kamelle. Makaber ist weiterhin, daß die Täter in den Rollen von Kümmerern und Krisenlösern agieren. Ob nicht viele hinter die Masken schauen?

Schon 2006 veröffentlichte der ARD-Journalist Adrian Peter das Buch: „Die Fleisch-Mafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen“. Er hatte jahrelang Material gesammelt und markierte die Schuldigen: Das Werkvertragssystem, die Fleischbosse, die Subunternehmer. Das Vorwort hatte die Grünen-Ministerin Renate Künast geschrieben: „Den Fleischmarkt transparent und nachhaltig gestalten“.

Seit 2013 skandalisiert Prälat Peter Kossen die Zustände in den deutschen Schlachthöfen. Auch schon 2013 gründete Inge Bultschnieder in Rheda-Wiedenbrück, also am Sitz des Tönnies-Konzerns die Initiative IG Werkfairverträge. Prälat Kossen bezeichnete die WerkvertragsarbeiterInnen als „Wegwerfmenschen“, spricht von Sklavenhalterzuständen. Die Opfer sind körperlich kaputt und seelisch erniedrigt, viele sind trotz Verletzungen und Verätzungen zur Arbeit gegangen. Kein Wunder, wenn sie in ihrem Zustand Opfer der Pandemie werden.

Es geht um das System Tönnies, die exorbitante Ausbeutung der WerkvertragsarbeiterInnen durch Subunternehmen. Tönnies ist dabei der Erfolgreichste und Profitabelste, daher der Name: System Tönnies. Zum System gehört auch, daß die Fleisch-Bosse ihre Hände in Unschuld waschen, wenn Mißstände aufgedeckt werden: Die Schuld wird auf die Subunternehmer geschoben.

Arbeitsminister Laumann, NRW, ließ 2019 unangemeldete Kontrollen in den dortigen Großschlachtereien durchführen. Es wurden tausende (!) Mängel festgestellt. In einem Interview mit der Journalistin Christiane Kaess vom Deutschlandfunk gibt er -zu Recht- die Schuld dem System der Werkverträge. Und verweist auf die Mehrheiten im Bundestag: „Aber der Deutsche Bundestag war ja immer der Meinung in der Mehrheit, dass solche Werkverträge in Ordnung sind. Ich persönlich bin der Meinung, dass das Problem wahrscheinlich in der Struktur liegt, wie wir Schlachthöfe organisieren und wie die Schlachtwirtschaft sich selber organisiert hat“.

https://www.deutschlandfunk.de/corona-hotspot-kein-vertrauen-in-die-arbeitsbedingungen.694.de.html?dram:article_id=476413

Statt daß es am 13.5. eine Stunde der Wahrheit gab, in der die Akteure bekannten: Wir haben alles gewußt aber wir haben über 20 Jahre lang weggeschaut und alles toleriert, machen sie aus der Tragödie ein Schmierenstück.

Minister Laumann attestiert den Akteuren im Bundestag zu Recht: Ihr seid die Täter.

In den Hauptrollen des Bundestags-Stückes waren Kanzlerin Merkel, die von „erschreckenden Nachrichten“ aus der Fleischindustrie sprach. Ihr Arbeitsminister Heil (SPD) sagte: „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen.“ Und Hofreiter von den Grünen verlautete: „Die Betriebe müssen häufiger und besser kontrolliert und die Hauptverantwortlichen der Konzerne konsequenter zur Rechenschaft gezogen werden“. Für alle, die die Zustände in den Schlachthöfen kennen, sind diese Aussprüche und Zitate unglaubhaft. Für sie ist die Aufführung der Staatsschauspieler nur makaber. Für sie ist es eine Tragödie, die sich seit über 20 Jahren abspielt. Aktuell gibt es zwar viele Infizierte, die in Quarantäne müssen, aber wirkliche Opfer gibt es seit Jahrzehnten: Verletzte, Verätzte, körperlich und psychisch Kaputte!

Das Stück am 13.9. im Bundestag hatte kein happy end. Dies hätte es gehabt, falls der Bundestag die Abschaffung des Werkvertragssystems auf den Weg gebracht hätte!

Von den osteuropäischen WerkvertragsarbeiterInnen wird sich wegen mangelnder Deutschkenntnisse keine/keiner das Stück im Bundestag angeschaut haben. Was wären ihre Gedanken, falls jemand es ihnen gedolmetscht hätte? „Diese Leute haben doch all die Jahre geduldet, daß wir nicht gleichgestellt waren mit der Stammbelegschaft. Das sind doch nur Krokodilstränen und ist keine echte Besorgnis um uns. Und jetzt sind sie durch Corona gezwungen, über uns zu diskutieren! Und werden sie was ändern? Auf welcher Seite stehen sie, auf Seiten der Fleisch-Barone und Subunternehmer oder auf unserer?“

Dieter Wegner. Aktiv bei Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg

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