Das Arbeitsschutzgesetz von Minister Heil: Jetzt alles gut? Oder besteht die Fleisch-Mafia als Mafia-light weiter?

Und wie ist sie zu beseitigen?

Die Journalisten Lina Verschwele und Christian Wernicke stellen in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung fest:

„Fleischfabrik Tönnies: Neuer Anstrich, alte Schweinereien“

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fleischfabrik-toennies-neuer-anstrich-alte-schweinereien-1.5157227?print=true

Mit ihrer Feststellung haben sie völlig Recht. Und sie belegen es. Wenn man die Verhältnisse in den Großschlachtereien in den letzten Jahres beobachtet hat und den Widerstand einiger Initiativen gegen das „System Tönnies“, dann kann man das noch drastischer ausdrücken:

Das System Tönnies ist ein Mafia-System, eines der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ wie es Arbeitsminister Laumann (NRW) nennt. Das stellte der ZDF-Journalist Adrian Peter allerdings schon 2006 in seinem Buch „Die Fleischmafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen“ fest. Daß sich diese Mafia bilden konnte, schon vor Jahrzehnten, hat seine Ursache in der Förderung und Deckung durch Parteien und Politiker des Bundestages und der Landtage. (Es gab nur wenige Politiker im Bundestag und in den Landtagen, die die Zustände in den Schlachthöfen anprangerten). Die Fleischbarone und die Subunternehmer waren „nur“ die Nutznießer dieser Gesetze und dieser Politik.

In dem Artikel der Süddeutschen Zeitung wird ein Mann zitiert: „Was kann man schon tun, um die Mafia der Schlachthöfe zu zerstören?“ Die Arbeiter fürchten, daß die Subunternehmer weiter im Geschäft bleiben: „Als Aufseher im Werk, als Hausmeister in der Unterkunft, als Anwerber daheim“. Das Mißtrauen der WerkvertragsarbeiterInnen ist berechtigt, es ist realistischer als der Optimismus vieler Gutgläubiger, daß mit der Verabschiedung der Arbeitsschutzgesetze jetzt alles in Ordnung sei.

Das System Tönnies besteht weiter, in modifizierter, verfeinerter Form. Tönnies kauft jetzt Häuser auf für die Werkvertrags- und LeiharbeiterInnen. Dadurch schafft er neue Abhängigkeiten! Nicht nur über das Arbeits- sondern auch über das Wohnverhältnis. Das verkauft er der Öffentlichkeit natürlich als Fürsorge und Wohltat für „seine“ ArbeiterInnen.

Und die Verantwortung für das Wohnen hat nicht beim Subunternehmer oder bei Tönnies zu liegen sondern bei der Kommune.

Deshalb eine kurze Antwort auf die Frage, ob das System Tönnies das zuläßt, daß „alles besser, sauberer, fairer“ wird: Nein! Es ist irreparabel. Deshalb fordern wir seit langem einen Systemwechsel. Und der heißt: Re-Kommunalisierung, also die Enteignung der Schlachthöfe. Und die Einrichtung von task-forces durch die Gewerkschaften. Und die Einsetzung von Betriebsinspektoren mit außerordentlichen Vollmachten. Und ständige Kontrollen, die jetzt im Gesetz von Minister Heil vorgesehenen sind ein Lachnummer. All das wird notwendig sein, um die Ställe bei Tönnies&Co. auszumisten.

Es wird Aufgabe der Initiativen gegen das „System Tönnies“ und der NGG  sein, die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes zu beobachten und sich zu fragen, wie die Umsetzung durchzusetzen ist. Und wie das Endziel, die Re-Kommunalisierung zu erreichen ist.

Der Staat hat keine moralischen Interessen, nur die, das Privateigentum an Produktionsmitteln zu schützen. Unsere moralischen Vorstellungen von Werten in einer Gesellschaft müssen wir dem Staat aufzwingen. Wie beim System Tönnies die Umwandlung von Wegwerfmenschen in normale LohnarbeiterInnen. Was zur Voraussetzung die Re-Kommunalisierung der Schlachthöfe hat. Dabei verbinden wir uns am besten mit anderen gesellschaftlichen Kräften, die die Re-Kommunalisierung der Krankenhäuser und der Energieversorgung anstreben.

Zum System Tönnies gehört, daß die WerkvertragsarbeiterInnen sich aufgrund der Arbeitsbedingungen nicht integrieren können, nicht deutsch lernen, nicht in Gewerkschaften sind, keine Betriebsräte bilden und dadurch fremd, schwach und ausgeliefert bleiben. Wechsel in andere Betriebe und Branchen waren deshalb selten.

In unserer „marktkonformen Demokratie“ ist es nicht strafbar, dieses System der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ zu schaffen, zu dulden, zu hegen und pflegen. Denn die Eigentümer, die Fleischbarone haben ganz legal ihre Milliardenprofite gemacht und den Standort Deutschland zum beherrschenden Exporteur von Fleisch. Das Buch von Adrian Peters – er hielt dazu damals viele Vorträge -, die Aufklärungsarbeit der Initiativen in Weißenfels (Tönnies-Standort in Sachsen-Anhalt), Rheda-Wiedenbrück und von Pfarrer Peter Kossen (Lengerich) hielt die Flamme des Widerstands in Gang, aber erst die Infizierung von über 2.700 ArbeiterInnen bei Tönnies in Rheda und in weiteren Schlachthöfen brachten den Skandal, daß sich Bundesregierung und Bundestag mit der Situation beschäftigten. Und gezwungen waren zu handeln. Mit dem Arbeitsschutzgesetz, als erstem Schritt.

Dieter Wegner

Um sich einen Einblick über die Situation in den deutschen Schlachthöfen zu verschaffen, empfiehlt es sich, dieses aktuelle Video (33 Minuten) anzuschauen:

Spirale der Verzweiflung: Rumänen in Deutschland, Asiaten in Rumänien

https://www.arte.tv/de/videos/098419-002-A/re-schuften-im-schlachthof/?fbclid=IwAR1Uj354-fzY9LzkK1M2i7cQyqvjl8sfdBe1gx5_HnuvZqcjJmxWuta61K8

Zu empfehlen ist ebenfalls das Buch, herausgegeben im Juni 2020 vom Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg:

Das “System Tönnies” – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei

https://diebuchmacherei.de/produkt/das-schweinesystem/

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