Strafmaßnahmen gegen widerspenstige MAN-Belegschaft in Steyr

Strafmaßnahmen gegen widerspenstige MAN-Belegschaft in Steyr

Weil die Belegschaft gegen die Kapitalslogik aufbegehrt!

Wir haben in unserem letzten Grätzlblattl (Stadtteilzeitung) vom Kampf gegen die angedrohte Schließung vom MAN Truck & Bus Werk in Steyr berichtet, wo sämtliche LKW der leichten und mittelschweren Reihe der Marke MAN, sowie schwere Sonderfahrzeuge produziert werden. Ferner liefert der Standort Steyr Komponenten für den internationalen MAN Produktionsverbund und betreibt insbesondere Europas größte Lackieranlage für Lkw-Kunststoffbauteile.

Nachdem die Belegschaft das schlitzohrige Angebot von Siegfried Wolf mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt hatte, hat sich der Konflikt nun weiter zugespitzt. Weil die Belegschaft nicht nach der Pfeife von MAN und Wolf tanzen will, wurde unmittelbar nach der Urabstimmung zu Strafmaßnahmen gegriffen: Die Kündigung der 278 überlassenen Arbeitskräfte (LeiharbeiterInnen) wurde in zwei Etappen angekündigt, obwohl die Auftragsbücher voll sind und Überstunden angeordnet werden, um den Auftragsstau abarbeiten zu können. Auch als Racheaktion wurde gegenüber dem langjährigen Betriebsratsvorsitzenden Erich Schwarz, der unlängst in Pension ging, ein bislang nicht übliches Betretungsverbot für das Werk Steyr ausgesprochen. Dann wurde lautstark hinausposaunt, dass das Werk jetzt ohne Wenn und Aber geschlossen werde. Aber dies alles hat die Belegschaft nicht besonders erschüttert.

Nach wie vor besteht der Plan des MAN-VW-Konzern das Werk in Steyr zu schließen und in Polen zu produzieren um noch mehr Profite zu machen. Bis zur Produktionsaufnahme in Polen 2023 sollen die Beschäftigten bei MAN-Steyr willig arbeiten. VW will sich die Kosten der vertraglich zugesicherten und einseitig aufgekündigten Standortsicherung bis 2030 von bis zu rund 2 Milliarden Euro ersparen. Zusätzlich sollen die Beschäftigten ab sofort bei Siegfried Wolf billiger produzieren durch Kündigungen, Lohn- und Gehaltsverzicht. Das geht nicht bei bestehenden Verträgen, umso mehr, wenn die Belegschaft noch einige Zeit gebraucht wird. Stellt sich also für den VW-Konzern die Frage, was tun? Wie könne bei laufendem Betrieb die Produktion mit weniger Arbeitskräften billiger gemacht, die lästige Standortsicherung bis 2030 ohne langes Warten auf unsichere Gerichtsurteile ausgehebelt werden?

Da kommt dann Siegfried Wolf ins Spiel, der bis Ende Mai 2021 mit MAN-VW eine Exklusivitätsvereinbarung für Verhandlungen als Investor für den Standort Steyr hat. Obwohl Wolf sich nach dem Nein der Belegschaft zu seinem ersten Angebot zurückzog, will er jetzt auf einmal doch nachbessern, denn er soll ja im Auftrag und in Kooperation mit MAN-VW den Standort Steyr mit viel weniger Beschäftigten bei erheblichen Lohn- und Gehaltskürzungen übernehmen und weiterführen. Im neuen, „nachgebesserten“ Angebot sollen 150 Menschen nun in eine Arbeitsstiftung kommen. Richtig stellte dazu der MAN-Steyr-Angestelltenbetriebsrat fest, dass diese Leute aber dann jedenfalls schon aus dem Betrieb weg seien, also eine Art LeiharbeiterInnenstatus bekommen würden. Also landen wir doch wieder bei der garantierten Übernahme von nur 1.250 Beschäftigten vom ersten Angebot. Auch der dort festgeschriebene Gehaltsverzicht soll weiterhin aufrecht erhalten bleiben. Weiters sprach Wolf auch von einer Altersteilzeitregelung, „bei der sich niemand beim Arbeitsamt anstellen wird müssen.“ Angekündigt hat Wolf in einem ZIB-Interview auch, dass „alle MitarbeiterInnen mit Netto-Ausgleichszahlungen dem deutschen „Sozialplan“ gleichgestellt würden“. Mehr Details ließ sich der Investor jedoch öffentlich nicht entlocken.

Doch die von MAN-VW gekündigte, milliardenschwere Standortvertragsverpflichtung bis 2030 ist mehr wert als jeder jetzt in die Diskussion geworfener „Sozialplan“! Und Siegfried Wolf will und muss weiter mit MAN-VW kooperieren. MAN habe ihm zugesichert, dass er bis zu 18 Monate für den bis ins Detail getakteten Übergang Zeit hätte. So lange würde auch MAN-VW die Arbeitskräfte der Steyr-Beschäftigten brauchen um die Verlagerung nach Polen über die Bühne zu bringen. Was danach geschieht, steht in den Sternen, da will auch Wolf keine Zusagen machen.

Eine Zustimmung zum Wolf-Konzept bedeutet für die Steyr-Belegschaft nach wie vor Verlust der Standortsicherung und ihrer allfälligen milliardenschweren Abgeltung und erst recht keine Perspektive nach 2022/2023. Verbindliche Zusicherungen gibt es von Wolf überhaupt keine. Das alles zeigt, dass die Manager und Investoren das Werk Steyr nur mehr als Spekulationsobjekt statt als Produktionsstätte sehen. Und es zeigt, dass sie keine Verantwortung übernehmen und sich ihren Verpflichtungen entschlagen wollen. Ihnen allen ist kein Vertrauen entgegenzubringen!

Im Ringen um den Erhalt der 2.300 Arbeitsplätze des von der Schließung bedrohten MAN-Werks in Steyr wird abseits der Verhandlungen derzeit vor allem mit Gutachten versucht, den Druck auf die jeweils andere Seite zu erhöhen. Ob die betriebsbedingten Kündigungen rechtens sind, könnte demnächst die Gerichte beschäftige: Der Betriebsrat werde beim Arbeits- und Sozialgericht in Steyr eine Klage einbringen, bekräftigte Alois Stöger, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der Produktionsgewerkschaft ProGe am 20. Mai. Ein entsprechender Beschluss dazu sei bereits gefallen. „Wir sind nicht mehr bereit, unsere Zeit totzuschlagen mit nutzlosen Verhandlungen. Wir verhandeln natürlich, aber es muss sich auch etwas bewegen“, meint der Gewerkschafter. Doch ein Rechtsstreit dauert lange, und ist im Regelfall meistens auch nutzlos bis kontraproduktiv, dient doch das Recht – wie wir leider allzu oft beobachten konnten – den Geldsäcken. Auch wenn der Linzer Uni-Rektor Meinhard Lukas es als gegeben ansieht, dass im Falle von betriebsbedingten Kündigungen, was durch ein teilweises oder ganzes Zusperren von MAN-Steyr gegeben wäre, der Eigentümer MAN-VW in der Pflicht genommen werden müsste und alle Ansprüche aller Gekündigten bis Ende 2030 bezahlen müsste, so gibt es viele und noch mehr „Rechtsgelehrte“, die genau das Gegenteil von dem behaupten. Also was tun?

Die MAN-Belegschaft in Steyr hat gezeigt, dass sie mit sich nicht einfach so fuhrwerken lässt und sie weiß was sie kann und wert ist. In Wirklichkeit führen die ArbeiterInnen und Angestellte tagtäglich den Betrieb. Ohne sie würde kein einziger LKW das Werk verlassen. Gestärkt durch die Urabstimmung können die Beschäftigten und ihre BetriebsrätInnen leichter den Begehrlichkeiten und Einflüsterungen aus Politik, Wirtschaft und mancher Sozialpartnern, die vorgeben es alle gut mit ihnen zu meinen, zurückweisen und so Wege finden, die ihren eigenen Interessen entsprechen.

Auf was die MAN-Belegschaft vertrauen kann ist vor allem ihre Kampfbereitschaft und Organisationskraft, die sie im Warnstreik und bei der Protestkundgebung mit 5.000 TeilnehmerInnen unter Beweis gestellt hat. Sie hat weiters die Unterstützung aus der ganzen Region und von vielen BetriebsrätInnen aus Betrieben aus ganz Österreich. Sie kann sich stützen auf ihr kräftiges Nein aus der Urabstimmung; das Damoklesschwert der Fälligstellung der milliardenschweren Standortverpflichtung für den MAN-Konzern; die Komponentenherstellung im internationalen MAN-Produktionsverbund; den Betrieb Europas größter Lackieranlage für Lkw-Kunststoffanbauteile und nicht zuletzt auf einen Streikbeschluss der Gewerkschaften, den sie jederzeit einsetzen kann.

Völlig richtig sagte der frühere und jetzt pensionierte MAN-Betriebsratsvorsitzende Erich Schwarz: MAN produziert im Verbund. Sollte es nötig sein abzustellen, dann steht die ganze MAN.“ Sollte es nötig sein abzustellen, und wir sollten uns alle darauf vorbereiten, dann ist Solidarität mehr als gefragt. Denn dann braucht die Belegschaft bestmögliche und breiteste Unterstützung aus ganz Österreich und darüber hinaus international!

23.05.2021 Peter Haumer, Wien

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