Die Corona-Pandemie

Unsere Einschätzung – Thesen – zum sozialpsychologischen Hintergrund der Krise

Von attac-Itzehoe

Seit März 2020 dreht sich das ganze Leben um ein Coronavirus. Eine Infizierung zu verhindern und das Virus zu eliminieren hat Vorrang vor allem anderen. Herrschende und Beherrschte scheinen gleichermaßen angstfixiert. Allerdings war den Staatenlenkern und der WHO das Szenario bekannt. Man hatte Expertisen geordert und bezahlt, sich aber nicht vorbereitet. Nun ist ja ein unbekanntes Virus, das potentiell tödlich sein kann, schon angstmachend genug. Es bedarf der Aufklärung, einer Darstellung des Wissenstandes bzw. des Nichtwissens. Eine nüchterne Einschätzung wäre dringend geboten gewesen, um die Menschen vor Panik zu schützen. So wie es in Schweden geschehen ist. Auch dort gab es schwere Fehler, weil das Gesundheitssystem nicht vorbereitet war. Aber ein Diktat von oben – via Notstandsgesetz – gab es dort nicht.

Seit März 2020 folgen die staatlichen Stellen einem Drehbuch, dass das Innenministerium – zunächst als VS – Verschlusssache – heute aber auf der Seite des Ministerium einsehbar – in Auftrag gab. Verfasser war ein Expertenteam des RKI, der Unis Bonn, Lausanne und Kassel, diversen Arbeitgeberverbänden sowie Experten der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik. Unter der Überschrift „Wie wir Covid 19 unter Kontrolle bekommen“ liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf einem Worst- Case-Szenario. Das wird so begründet: „Wer die Gefahren abwenden will, muss sie kennen“ – so als ob zu diesem Zeitpunkt schon viel über Natur und Verhalten des Virus bekannt gewesen wäre.

Unter 4. Schlussfolgerungen für Maßnahmen und offene Kommunikation:

4 a. Worst case verdeutlichen! -. heißt es:

„Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, denken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: «Naja, so werden wir die Alten los, die unsere Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen Glück erbe ich so schon ein bisschen früher». Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen….“

Wenn keine Gegenmaßnahmen – wie der als alternativlos verkaufte Lockdown – ergriffen würden, würde sich das Virus exponentiell vermehren und bis zum 27. April 2020 57,4 Millionen Menschen anstecken. Ohne Lockdown würden bis zum 27. April pro Tag 21.428 Menschen sterben. Da zwei Prozent der Infizierten sterben würden, gäbe es etwa 1,2 Millionen Tote. Die Experten empfahlen, die Urangst vor dem Erstickungstod zu wecken, sie beschworen die Triage usw. usf…

Mit dieser Strategie wurde Angst und Panik geschürt, die Medien gefügig gemacht, täglich, stündlich Schreckensbilder an die Wand gemalt, Szenarien bis ins Detail ausbuchstabiert, die Bilder von Bergamo in Endlosschleife in das Bewußtsein eingebrannt und Experten, die den jeweiligen Stand ihres Wissens als Wahrheit verkauften, auf die Ahnungslosen losgelassen.

In der Folge kam die Todesangst auf. Diffus, oft verdrängt, bevor man sich ihrer bewußt wird. Jeder war betroffen, aber wie stark? Es gab FreundInnen, Bekannte, Nachbarn, die saßen während des ersten Lockdown nächtelang vor dem PC auf der Suche nach Infos oder Antworten. Es kam zu irrationalen Hamsterkäufen. Dass arme Menschen in viel zu kleinen Wohnungen besonders betroffen sein würden, war von Anfang an klar. Wohlsituierte konnten sich einrichten, aber auch sie litten.

Die Angst kroch in alle Poren. Nicht, dass sie nicht vorher schon dort gesessen hätte, denn wir leben in einer „Gesellschaft der Angst“, wie der Soziologe Heinz Bude, schreibt. Konkurrenzangst, Angst vor Armut, Ausgrenzung, Kontrollverlust usw. Angst lähmt, macht hilflos, blockiert, wir kommen in Endlosschleifen. Die, die vorher schon angstvoll waren, werden vielleicht panisch. Angst macht gefügig. Doch Angst ist auch widersprüchlich. Wir wollen nicht als ängstlich erscheinen. Wir wollen cool dastehen, als IndividualistenInnen gelten, die alles unter Kontrolle halten können.

Das war das Gebräu für die die gesellschaftliche Polarisierung. Denn es gab auch Zweifler, die vielleicht auch Angst hatten, aber eine weniger starke Dosis. die sich fragten: Was geschieht hier gerade? Wem nützt das? Warum machen die das? Was ist echt, was manipulativ? Ist das alternativlos und wenn ja, was sind Alternativen? Und die, die sofort nach Schuldigen suchten, nach schnellen Antworten.

Und so kam es zur Spaltung: hier die Ängstlichen, dort die Fragenden und die Wütenden. Die Ängstlichen brauchten Halt, die Regierung bot Orientierung, klare Regeln, Sicherheit. Und die richtigen Experten. Es wurde der Notstand ausgerufen, Handlungskompetenz bewiesen. Die Wütenden verweigerten sich, viele wollten die Gefahr leugnen, sahen die Demokratie in Gefahr.

Als im April 2020 das oben zitierte Strategiepapier des Innenministeriums bekannt (und in den Medien nur ganz randständig erwähnt) wurde, war dies ein entscheidender Baustein für eine Mauer des Misstrauens bei den Fragenden. Diese wuchs, weil jede alternative Meinung, auch von Experten, aus dem öffentlichen Raum nicht nur verschwand, sondern auch offensiv ausgegrenzt wurde. Das wirkte wie ein Förderprogramm für die gesellschaftliche Polarisierung.

Es begann ein Hauen und Stechen, ein Freund-Feind-Denken – auch – oder gerade ? in linken Organisationen. Merkwürdige Begriffe wurde geboren. Plötzlich gab es eine neue Ansteckungsgefahr von Rechts. Es gab Menschen, die waren noch nicht Nazis aber „rechts-offen“ zu verstehen als „der Ansteckung von rechts ausgesetzt“. Wie immer in dieser Krise wurde reagiert und nicht reflektiert.

Von vielen, natürlich nicht von allen, bei attac, aber für uns insbesondere im Kokreis und seinem Umfeld erkennbar – wurde die Angstmache der Regierung geleugnet, sie folgten der Obrigkeit, weil dort die Wissenschaft und die Wahrheit war. Wer sich dieser Strategie verweigerte, wurde als Coronaleugner – auch so ein Unwort – wahr genommen. Wer behauptete, dass es auch eine Strategie der Eliten war, mit Virusangst die Bevölkerung auf Linie zu bringen, wurde angegriffen, war womöglich rechts-offen. Wissenschaftlichkeit wurde als absolutes Wahrheitskriterium eingeführt, als häufig endgültiges Resultat wissenschaftlicher Wahrheitsforschung ausgegeben. Dabei hat die Wissenschaft Grenzen, sie kann die Realität nur mit dem heutigen Stand der Erkenntnis abbilden, ist immer im Fluss und zusätzlich abhängig von der Interpretation wissenschaftlicher Fakten. Wissenschaftsforschung unterliegt immer auch einem vorherrschenden Paradigma. Virologie, um die es hier geht, hat in der Bewertung ihrer Erkenntnisse viel zu wenig interdisziplinär gearbeitet, andere Fachdisziplinen, wie Soziologie und Psychologie zu kaum beachtet. In der Folge wurde Gesundheit nur auf die Erhaltung der bloßen Existenz reduziert, dass mensch auch an Einsamkeit an psychischen Krankheiten infolge der Isolation zugrunde gehen kann, wurde ausgeblendet. Dies hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass das RKI ein Behörde des Staates ist, also weisungsgebunden. Dies ist in Schweden z.B. anders.

Zusammenfassung unserer Thesen:

Die Pandemie ist eine ernste Gefahr für uns alle, insbesondere aber für die Alten und Kranken. Sie muss ernst genommen werden. Abstands-Regeln, inklusive Masken, sind sinnvoll.

Wir kritisieren,

– dass Angst als politisches Mittel in der Pandemie eingesetzt wurde, dies führte zur gesellschaftlichen Polarisierung und Spaltung, dies betrifft auch Attac sehr stark.

– So konnte der Lockdown als alternativlos verkauft, Grundrechte massiv abgebaut, (u.a. alte Menschen entmündigt, eingesperrt) das Parlament beiseite gedrängt, der Notstand exekutiert werden.

– Widerspruch wurde stigmatisiert, etwa durch den Begriff „Coronaleugner/rechts offen

– ganze Wissenschaftszweige wurden sträflich vernachlässigt, Wissenschaft, die nicht den Mainstream bediente, beiseite gedrängt.

Zum Schluß ein Wort von Fabian Scheidler:

„Wir befinden uns in einer sich zuspitzenden Krise einer ganzen Zivilisation. Das bedeutet, dass alle ihre Fundamente brüchig werden: die ökonomischen, politischen und auch die geistig-ideologischen. Diese Situation kann beängstigend sein, und manche Menschen suchen Zuflucht in vereinfachten Weltbildern, zu religiösem Fundamentalismus, zu Nationalismus, zu esoterischen Lehren oder zu politischen Verschwörungsideologien.

In dieser Lage ist es meines Erachtens wichtig, auf der einen Seite die seriösen Wissenschaften zu verteidigen – etwa die Klimaforschung gegen die Diskreditierungsversuche von Klimaleugnern und fossilen Industrien –, auf der anderen Seite aber auch die technokratische Ideologie zu demontieren, eine Ideologie, die Wissenschaften missbraucht, um uns den Mythos der totalen Beherrschbarkeit der Natur zu verkaufen.

Die seriösen Wissenschaften laden uns ein, zu erkennen, wie viel wir noch nicht wissen und vielleicht auch nie wissen werden; wie unvorstellbar komplex natürliche Systeme sind; und dass es weise ist, vorsichtig mit ihnen zu sein und mit ihnen zu kooperieren, statt sie auszubeuten. Die Technokratie gaukelt uns vor, wir könnten uns mit rein technischen Mitteln aus der Zivilisationskrise herauszaubern, ohne die Fundamente unserer Ökonomie und unseres Naturverständnisses infrage zu stellen. Und das ist eine potenziell tödliche Illusion.“

Quellen:

Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.html

„Manche suchen Zuflucht in vereinfachten Weltbildern“

Von Harald Neuber

https://www.heise.de/tp/features/Manche-suchen-Zuflucht-in-vereinfachten-Weltbildern-6012107.html?seite=all

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