Wie ist es zum Streik der Kolleginnen und Kollegen am CTB/Burchardkai gekommen?
Die Belegschaft des ersten und größten Containerterminals im Hamburger Hafen hatte schon immer ein großes Selbstbewußtsein. Waren sie es doch, die die wichtigste und größte Anlage am laufen hielten. Und das unter immer schwierigeren Bedingungen. Seit über 10 Jahren ist das Terminal eine Großbaustelle, verschleppte Instandhaltung der Geräte, ständige Umorganisationen durch ein chaotisches Management und seit 2020 ein zunehmender Rationalisierungsdruck durch Automatisierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit. Das alles hat die Belegschaft an die Grenze ihrer Frustrationstoleranz gebracht. Das Ganze gipfelte nun in der Entscheidung des Senates, das ganze Unternehmen an MSC zu verkaufen. Ob zur Kenntnis genommen wurde, dass die Bundesversammlung von ver.di und die Landesbezirksleitung den Verkauf in Veröffentlichungen ablehnten ist schwer zu beurteilen. Auf der Demonstration am 20.09.2023 haben sich die Beschäftigten erst einmal deutlich Luft gemacht.
Aber was ist dann geschehen? Auf Ebene des Fachbereiches in Hamburg wurde Pläne gemacht, dem Verkauf etwas entgegen zu setzen. Ein offener Brief wurde an die Wirtschaftssenatorin geschrieben, Wahlveranstaltungen von Tschentscher wurde besucht, ver.di Funktionär*innen führten Gespräche mit der Wirtschaftssenatorin und SPD-Vertretern.
Zur Beruhigung trug das nicht bei. Menschen merken, wenn sie in den Augen derjenigen, die die politische und wirtschaftliche Macht haben, keine Rolle spielen.
Der Vorstand der HHLA goss noch einmal Öl ins Feuer, als er zur wirtschaftlichen Situation der HHLA erklärte, dass die HHLA dringend das Kapital von MSC benötige. Für die Beschäftigten hieß das, die HHLA ist vor der Pleite.
Der endgültige Auslöser…
war die veröffentlichte Entscheidung der ver.di-Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat der HHLA, dass sie dem Verkauf an MSC zugestimmt hätten.
Daraufhin war das Mass voll und die zweite Schicht legte am 06.11.2023 die Arbeit nieder. Es war eine mutige und selbstbewusste Entscheidung, in der Annahme, dass nun der Druck auf HHLA-Vorstand und den Senat, die Dinge ins Rollen bringen würden. In betrieblichen Fragen hat das in der Vergangenheit, sei es durch Mehrarbeitsboykott oder Go-Slow auch oft funktioniert. Jetzt aber fehlten alle Erfahrungen, wie die Situation einzuschätzen war und welche Forderungen die richtigen sind, um Vorstand und Senat unter Druck zu setzen. Die alleinige Forderung ‚Kein Verkauf an MSC’ taugt dazu nicht. Egal, wie laut sie vorgetragen wird.
Ebenfalls war den Kolleginnen und Kollegen nicht bewusst, dass nach einem Besuch des Personalvorstandes der HHLA Torben Seebold (vormals Leiter der Bundesfachgruppe Maritim bei ver.di) beim ver.di Bundesvorstand in Berlin, das Vorstandmitglied Christine Behle, offenbar in Absprache mit ihm, eine Überleitungstarifvertrag zum Verkauf der HHLA an MSC („MSC-Transaktin“) forderte.
Entgegen dem Beschluss des ver.di Bundeskongresses und anderer ver.di Gremien ‚Kein Verkauf der HHLA an MSC’, verfolgte der Bundesvorstand die Abwicklung des von der Hamburger SPD-Führung beschlossenen Verkaufes.
Ohne, dass es ihnen bewusst war, sassen die Kolleginnen und Kollegen plötzlich zwischen zwei Fronten.
Dass von Seiten ihrer Gewerkschaft ver.di, ausser wortreichen Erklärungen nichts zu erwarten war, haben wohl auch die Beschäftigten des CTA (Container Terminal Altenwerder) und des CTT (Container Terminal Tollerort) gespürt. Denn beide Belegschaften beteiligten sich nicht an dem Streik. Die Kontaktversuche waren nicht erfolgreich. Allerdings haben diese beiden Belegschaften weit weniger Erfahrung in Auseinandersetzungen mit der Unternehmensleitung als die Beschäftigten am CTB (Container Terminal Burchardkai).
Wie kann es jetzt weitergehen?
Die Kolleginnen und Kollegen haben den Streik beendet, bevor er auseinanderfiel und in einer Presseerklärung ihre Forderungen gestellt.
Finanzsenator Dressel hat sich zu einem Gespräch bereit erklärt, wenn es in ver.di Räumlichkeiten unter der Verantwortung von ver.di statt findet. Und er weiß warum.
Denn ver.di schreibt auf ihrer Internetseite in aller Deutlichkeit:
HHLA-Verkauf: Wichtige Punkte durchgesetzt
Nach dem Verkauf von Anteilen der HHLA an die mächtige Reederei MSC hat ver.di die Beschäftigten in wesentlichen Punkten absichern können.
Diese müssen nun in einem Tarifvertrag festgehalten werden.
Für den ver.di Bundesvorstand ist das Thema also erledigt. Man ist also auf SPD-Linie.
Mit Genuss wurde das auf der Bürgerschaftssitzung am 08.11.2023 seitens der SPD der Opposition vorgehalten, dass ver.di als Vertretung der Beschäftigten, doch einverstanden sei.
Dass seitens der Gewerkschaft ver.di den Kolleginnen und Kollegen immer wieder in Veröffentlichungen mitgeteilt wird, man sei gegen den Verkauf ist eigentlich pervers.
Es ist auffallend, dass in der Presseerklärungen der Streikenden jede Kritik an ihrer Gewerkschaft fehlt. Es ist allerdings auch verständlich, ist es doch ihre Gewerkschaft von der sie sich Unterstützung und Sicherheit erwarten, denn sonst wären sie allein auf sich gestellt.
Wesentlich für den Abbruch des Streiks ist nicht die Repression des HHLA-Vorstandes.
Es fehlte die Erfahrung einzuschätzen, mit wem habe ich es zu tun, welche Forderungen ergeben sich daraus, die ich auch mit meinen Kräften erreichen kann und auf wen kann ich mich verlassen.
Und es fehlte der Mut, sich gegen eine Gewerkschaftsführung zu wehren, die sich hinter dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen auf die Seite des Senates und des Unternehmers geschlagen hat.
Ob und wie die der Kundgebung am Samstag, 11.11.2023 um 11:00 Uhr. auf dem Rathausmarkt neue Impulse geben kann oder nur noch einmal Enttäuschung und Wut heraus gelassen werden kann, wird sich zeigen.
Noch muss die Bürgerschaft entscheiden. Und ob der ver.di Bundesvorstand es durchhält, sich gegen die Interessen der Mitglieder durchzusetzen, darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
g.m. 09.11.2023