Betriebsgruppe verdi bei Amazon Winsen: kämpferisch und viele Mitglieder! Vorbild für ganz verdi?!

Von Dieter Wegner
Die Amazon-Streiks sind etwas Besonderes. Sie stimmen kaum mit dem gewohnten Bild von „deutschen“ Streiks überein. Der Hauptgrund ist, daß die Belegschaft und damit die Streikenden aus 90 Nationen stammen, die meisten aus arabischen und afrikanischen Ländern.
Zur Schicht um 19 uhr 30 kamen die ersten Busse schon eine halbe Stunde früher an mit ihrer „Fracht“, die sie am Bahnhof Winsen aufgenommen hatten. Die KollegInnen waren aus Richtung Hamburg und Lüneburg gekommen.
Auf einem Platz vor dem Amazon-Eingang hatten verdi-Kollegen einen überdachten Stand aufgebaut. Dort konnten sich die Streikenden in die Listen für das Streikgeld eintragen.
Als die Busse ankamen, bot sich ein spannendes Bild. Während Vorarbeiter versuchten, aus dem Bus Kommende zum Amazon-Eingang zu lenken, skandierten die Unterstützer und schon anwesende Streikende lautstark: Streiken! Streiken! Man kannte sich ja und auf den Eingang Zusteuernde wurde eingeredet und am Ärmel gezogen: Komm streiken! Manchmal mit Erfolg. Auch gesellten sich etliche zu den Streikenden und wurden verdi-Mitglied!
Dann warteten wir auf den nächsten Bus. Bei lauter Musik und in ausgelassener Stimmung, trotz Kälte und Wind, wurde getanzt und gesungen.
Nachdem der letzte Bus gekommen war gingen die Streikenden, es waren etwa 120, zur Einfahrt, an dem die LKW ankamen. Die ankommenden LKW-Fahrer hielten an und es bildete sich in den nächsten Stunden ein langer Stau, denn die LKW kamen in dichter Reihenfolge.
Wir rechneten mit dem Eintreffen der Polizei. Aber es kam keine. Was mag der Grund gewesen sein? Waren alle Einsatzkräfte beim Schutz der Winsener Weihnachtsmarktes? Oder wollten sie Solidarität üben mit den Streikenden? Oder gab es eine Polizei-Weihnachtsfeier?
Jedenfalls beschlossen die Streikenden: Nun ist genug! Unterkühlt aber zufrieden fuhren sie heimwärts. Es standen ja auch noch zwei weitere Schichten mit Streiks bevor.
Sie gaben dann den Warenfluß durch die LKW zu den Weihnachtskunden wieder frei!
Wieweit die Streiks bei Amazon in Winsen und anderswo materiell Jeff Bezos treffen, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall sind sie Aktionen der Aufklärung über die Arbeitsverhältnisse! Für die Belegschaften sind sie ein Zeichen: Wir können uns wehren. Und unsere Forderungen werden bekannt.
In der Mitgliederzeitschrift Publik von verdi wird jedesmal die Zahl von Eintritten in Bezirken angegeben – obwohl die Gesamtmitgliedschaft schrumpft, seit vielen Jahren! (Mit der Ausnahme dieses Jahres, wie die Redaktion von Publik mitteilt).
Um dem abzuhelfen, sollten sich verdi-Gremien vielleicht ein Beispiel an Amazon Winsen nehmen! Vor vier Jahren waren es dort nur 30 Mitglieder, jetzt sind es 500 und es werden immer mehr! Wodurch? Weil Hauptamtliche/AktivistInnen und UnterstützerInnen eine lebendige und kämpferische Gewerkschaftspraxis betreiben!
Ich höre oft bei Gewerkschaftsverzagten und Ausgetretenen: Das ist so ein bürokratischer Apparat! Nichtkämpfen kann ich auch alleine!
Sollten sich nicht alle Gewerkschaftsgremien und -vorstände nicht Amazon Winsen als Vorbild nehmen? Nur eine kämpferische Gewerkschaft macht den immer mehr Bedrängten in den Betrieben Mut und ist überzeugend für einen Eintritt!
Und vielleicht haben die Amazon-Streiks Signalwirkung auf andere Logistik-Firmen, in denen die Arbeitsbedingungen noch schlechter sind.

Warnstreik bei Amazon in Winsen (Luhe) ab Sonntag, 17. Dezember 2023 um 19:30 Uhr bis Montag, 23:15 Uhr
„Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in Niedersachsen-Bremen ruft am Sonntag, den 17.12.23, und am Montag, den 18.12.23, die Amazon-Beschäftigten am Standort in Winsen (Luhe) durchgängig zum Streik auf. In Winsen beginnt die Aktion am Sonntag um 19:30 Uhr in der Nachtschicht und wird bis Montag, 23:15 Uhr fortgesetzt. Der Grund für die Aktion mitten im Weihnachtsgeschäft: Amazon weigert sich nach wie vor, die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels Niedersachsen anzuerkennen und einen Tarifvertrag „Gute und gesunde Arbeit“ zu verhandeln.
https://www.labournet.de/politik/alltag/gesundheit/macht_krank/warnstreik-bei-amazon-in-winsen-luhe-ab-sonntag-17-dezember-2023-um-1930-uhr-bis-montag-2315-uhr-gegen-krankmachende-arbeitsdichte-im-weihnachtsgeschaeft/

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