Der Aufruhr der Bauern und die Arbeiterklasse

Von Dieter Wegner

Im Zusammenhang mit diesen, meinen Zeilen hört euch bitte dieses Video mit den Reden von Özdemir und Rukwied an (16 Minuten) im Artikel der Berliner Zeitung:
und lest diesen Artikel in der Berliner Zeitung: https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/haushalt-proteste-aufruhr-droht-war-die-standpauke-der-bauern-gegen-cem-oezdemir-erst-der-anfang-li.2170888

Man nimmt dem Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied seine Radikalität durchaus ab und auch die Wut der Bauern ist glaubhaft.
Als ich mir den Film angeschaut habe, dachte ich, daß ich noch nie einen höheren DGB-Funktionär mit so einer Wutrede gegen die Regierung gehört habe, obwohl die Mitglieder oder Lohnabhängigen ähnlich wütend waren wie hier die Bauern. „Unsere“ DGB-Führer halten höchstens mal schimpfende Scheinreden, anderes können sie gar nicht mehr als Sozialpartner von Regierung und Kapital.
Außerdem erinnert mich das an die Wut der Handwerker im vorigen Jahr, die durch Protestveranstaltungen der Kreishandwerkerschaften in Dessa-Roslau und Harz-Bode zum Ausdruck kam. Es ging um die gestiegenen Energiekosten durch die von Seiten der USA zerstörten Nordstream-Pipelines. https://netzwerk-linker-widerstand.ru/magma/2022/07/aufruf-der-handwerker-fuer-den-frieden/

Es ist beschämend für die deutschen Gewerkschaften und die deutsche Arbeiterschaft, daß sie bisher nicht zu einem Aufruhr wie die Bauern und Handwerker fähig waren. Aber vielleicht gehen die rebellierenden Bauern und Handwerker der Arbeiterklasse nur voran?

Und es stellt sich die grundlegende Frage, warum in Deutschland Bauern die Vorreiter sind im Aufruhr. Angesichts dessen, daß es um ihre Existenz geht. Das liegt darin, weil die Arbeiterklasse in den DGB-Gewerkschaften durch deren Hauptamtliche gezähmt wurde, seit Ende des 2. Weltkrieges. Und wenn es klassenbewußte gibt, kämpferisch und anti-sozialpartnerschaftlich, dann drohen ihnen Kündigungen – wie dem verdi-Kollegen Orhan Akman. https://orhan-akman.de/. Und Orhan ist nur einer von denen, die es in den letzten Jahrzehnten getroffen hat! Diese Warnschüsse wirken natürlich auf alle anderen Hauptamtlichen.

Bei den Bauern und Handwerkern gibt es diese breite Bürokratie nicht. Das Interesse der Basis schlägt hier glatt durch! Rukwied hält hier keine Scheinrede, er meint es bitterernst wie die Bauern, die er vertritt.

Unsere Aufgabe ist es, diese DGB-Gewerkschaften zu unseren Gewerkschaften zu machen, zu Gewerkschaften, die die Interessen der Arbeiterklasse vertreten und nicht die von Regierung und Kapital. Eigentlich sollen sie ja als Vertreter der Arbeiterklasse ja deren Sozialpartner sein!

Kurz zum Bauernverband und ihren Präsidenten: Vorgänger von Rukwied waren u.a. Rehwinkel, Constantin Heereman von Zuydtwyck, Sonnleitner, alles Großagrier und eng verbunden mit der CDU. Ruwied hingegen ist auf einem kleineren Hof aufgewachsen, den er erbte. Die Vorgänger Rukwieds sind in ihrer Verschmolzenheit mit der CDU/CSU verantwortlich für die politische Begleitung beim Höfesterben seit über 70 Jahren: Im Jahr 1950 gab es in der damaligen Bundesrepublik Deutschland 2 Millionen Bauernhöfe, 2017 waren es nur noch 270.000. Die Betriebe, die heute aufgeben müssen, sind nicht nur Kleinbetriebe sondern auch mittlere. Nur die ganz Großen sind ungefährdet.
Die Zahl der Landwirte mit ihren Familien ist in den letzten 70 Jahren von einer beträchtlichen Bevölkerungsgruppe mit etwa zehn Millionen Menschen auf 450.000 geschrumpft. (Dazu kommen noch ca. 500.000 landwirtschaftliche ArbeiterInnen).
Die Bauern hatten früher größeren politischen Einfluß als Wählerschicht. Daß seit den 1950er Jahren die großen Bauern die kleinen übernahmen, wurde von Bonn, Brüssel, Berlin subventioniert und Proteste konnten gedämpft werden. Heute, in der Finanzkrise, ist die Fahnenstange erreicht und auch die Bauern sollen zur Kasse gebeten werden. Es geht um die Existenz zigtausender landwirtschaftlicher Betriebe. Daher die noch nie dagewesene Radikalität.
Es gibt heute 43 Millionen Lohnabhängige. Die haben ihre potentielle Macht aber aktuell nicht ausgespielt wie einige Handwerker-Gruppen und jetzt die Bauern. Aber aufgrund der Verschlechterungen und der sich entwickelnden Wut kommt es vielleicht auch hier bald zu Aufruhr und Rebellion? Und zur Bildung von Klassenbewußtsein!
Während die Bauern mit ihrem Protest immer innerhalb des kapitalistischen Systems bleiben müssen, weil sie Eigentümer von Produktionsmitteln sind und in ihren Bedrängungen den Ausweg in Parteien rechts von der CDU suchen, ist der Ausweg der Lohnabhängigen in Richtung Sozialismus. Und es besteht die Möglichkeit, daß die Bauern sich einer wiedererstarkten Arbeiterbewegung anschließen.

Während heute noch bei Gewerkschaftstagen Regierungsvertreter eingeladen und beklatscht werden und Gewerkschaftsvorsitzende wie Huber (IGM) von Kanzlerin Merkel zu dessen 60. Geburtstag ins Kanzleramt eingeladen werden, wird das dann wohl unüblich werden, sobald die DGB-Gewerkschaften zu Klassenkampforganisationen geworden sind.
Wobei es natürlich offen ist, ob durch eine erstarkende Arbeiterbewegung nicht ganz neue Strukturen entstehen, neben und gegen die DGB-Gewerkschaften.
Der Weg dahin sind der verbandslose und der politische Streik. Da diese neoliberalen Regierungen nie ein Streikrecht im Interesse der Arbeiterklasse schaffen werden, müssen wir uns unsere Recht nehmen, durch Handeln. (DW)

In dem Artikel der Bild-Zeitung gibt es eindrucksvolle Bilder der Demo in Berlin: Diesel-Aufstand gegen Regierung ++ 1700 Trecker in der Hauptstadt. Tausende Bauern pfeifen Özdemir aus
Von Dirk Böttger
https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/diesel-demo-in-der-hauptstadt-6000-bauern-und-1500-trecker-in-berlin-86470058.bild.html

Informationen zur deutschen Landwirtschaft

https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/so-hat-sich-die-deutsche-landwirtschaft-entwickelt/
https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/landwirtschaft/geschichte_der_landwirtschaft/index.html

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