Eindrücke von der Podiumsdiskussion „Rechtsoffen“ – reales Problem oder Kampfbegriff?

Eindrücke von der Podiumsdiskussion „Rechtsoffen“ – reales Problem oder Kampfbegriff?

Dem „Hamburger Forum“ wurden von Seiten des Landesvorstandes der GEW-HH sowie anschließend vom Gewerkschaftstag ein Raumverbot* für die Nutzung des Curio-Hauses erteilt und dies wurde im Frühsommer 2023 auch auf den JourFixe übertragen. Die Begründung lautete, wir grenzten uns nicht genügend von rechten Parteien und Strömungen ab, wir seien ‚rechtsoffen‘.

Gleichzeitig beschlossen die gewerkschaftlichen Gremien, darüber im Rahmen einer Podiumsveranstaltung inhaltlich eine GEW-interne Debatte zu eröffnen.

Diese Veranstaltung hat am 10.01. stattgefunden und es sollen hier einige Eindrücke dargestellt werden:

Die Räume A/B des Curio-Hauses waren voll besetzt, d.h. es werden um die 70 bis 80 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter anwesend gewesen sein. Damit war die Behauptung der hlz-Redaktion in ihrer jüngsten Ausgabe widerlegt, es handele sich um ‚zwei, drei Handvoll Personen‘ unter 10 000 Mitgliedern der GEW-HH, die mit dem Raumverbot nicht einverstanden seien, sich überhaupt für die Problematik interessierten.

Auf dem Podium saßen neben einem externen Moderator der Referent Andreas Speit und der 1. Vorsitzende der GEW-HH, Sven Quiering. Der 2. Referent, Peter Wahl, war online zugeschaltet, weil er wegen des Bahnstreiks nicht aus Süddeutschland anreisen konnte.

Peter Wahl wurde eingeladen, weil er die von JourFixe und Hamburger-Forum vertretene Position einer offenen Bündnisarbeit in vielfältigen Publikationen und Diskussionen teilt. Die Vorstandsposition und die eines Teils der Mitglieder, vor allem der ‚Jungen GEW‘, wurde von dem Hamburger Journalisten Andreas Speit vertreten. In seiner Kolumne ‚am rechten Rand‘ in der TAZ geht er hart ins Gericht mit der Partei ‚die Basis‘, die er dem rechten Lager zuordnet. Rechten Netzwerken und Publikation sowie deren Kontakte zu rechten Persönlichkeiten gilt sein Augenmerk. Außerdem analysiert er Texte und Aussagen aus diesem Milieu auf völkisch-nationalistisches Gedankengut hin, kurz er gilt als Experte in Sachen Rechtsextremismus.

War die Bedrohung durch die wachsende Bedeutung von AFD auch unter den anwesenden Gewerkschaftsmitgliedern allgegenwärtig, so zeigten die beiden Referenten unterschiedliche Strategien im Kampf dagegen auf.

Peter Wahl sieht es angesichts des Zerfalls linker Zusammenhänge als zwingend nötig an sich einzumischen, wenn Teile der Bevölkerung sich zu wehren beginnen. Auf humanistischer Basis solle versucht werden, Einfluss zu gewinnen. Mit rechten Organisationen allerdings schließt er jegliche Zusammenarbeit aus.

Andreas Speit zeichnet viel schneller eine rote Grenze auf. Seine Recherche basiert vor Ort darauf, Transparente und Personen auf Demonstrationen mit seiner Ansicht nach vorhandenen Bezügen zu rechten Strukturen zu fotografieren und so die Organisatoren von Protesten in seiner Kolumne der Rechtsoffenheit zu bezichtigen. Neben namentlich nicht gezeichnete Blogs von Antifa und Antira waren dies die wichtigsten Quellen für die vom GEW-Vorstand verhängten Raumverbote.

Jour Fixe und Hamburger Forum erhielten die Gelegenheit, kurz zu den Vorwürfen gegen sie Stellung zu beziehen. Für den JF ist die aktuelle Rechtsentwicklung darauf zurückzuführen, dass sich große Teile der Bevölkerung bei der Verteidigung ihrer sozialen und materiellen Interessen von Parteien und Gewerkschaften alleingelassen fühlen. Durch die aktuellen Kriege werde der soziale Frieden gefährdet. Gruppen, die dagegen Widerstand leisten, werden als ‚rechtsoffen‘ gescholten, die Entwicklung der gesamten Gesellschaft, der etablierten Parteien nach rechts hingegen finde keine Beachtung.

Sprecher des HF wiesen darauf hin, dass die Vorstände von DGB und Verdi Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützen. Das Geld, dass in die ‚Kriegstüchtigkeit‘ Deutschlands gesteckt werde, fehle für Ausgaben in Bildung und Soziales. So werde der Spielraum für soziale Kämpfe massiv eingeschränkt. Zugleich wurden Vorwürfe gegen Andreas Speit erhoben, dieser habe in der TAZ behauptet, die Partei ‚die Basis‘ habe eine Friedensdemonstration im Herbst 2023 mit organisiert. Das HF verwehrte sich massiv dagegen, sie allein organisierten ihre Demos. Darauf entgegnete A.S., er könne ein Foto von einem Transparent der ‚Basis‘ als Beweis vorlegen, das im Demozug getragen wurde.

Zu den beiden Referaten: während die Thesen von Peter Wahl – obwohl teilweise etwas zu ausführlich – nachvollziehbar waren, gab es gerade im ersten Teil Verständnisprobleme bei Andreas Speit. Jedenfalls wurde mir dies auf Nachfrage mehrfach bestätigt. Nicht allen Anwesenden wurde deutlich, warum eine detaillierte Untersuchung der weitgehend unbekannten Zeitschrift ‚Demokratischer Widerstand‘ zum Verständnis der Gefahr von rechts so notwendig war, ebenso die Analyse völkisch-nationalistischer Aussagen führender Vertreter der rechten Szene. Speit zeichnete ein Netzwerk nach, das schrittweise subtil Einfluss zu gewinnen versucht in links-gewerkschaftliche Zusammenhänge und Protestbewegungen, diese unterwandern will.

In der anschließenden lebendigen, sehr emotional geführten Diskussion wurde deutlich, dass das Publikum gespalten war: in einigen Diskussionsbeiträgen wurde deutlich, dass eine große Angst vor einer noch stärkeren gesellschaftlichen Entwicklung hin nach rechts vorhanden war. Die AFD lache sich ins Fäustchen, dass hier die enorme Gefahr von rechts naiv ignoriert werde. Eine pessimistische Einschätzung der aktuellen Entwicklung vor dem historischen Hintergrund der widerstandslosen Auflösung der Lehrergewerkschaft vor den Nazis Anfang 1933 wurde vorgenommen. In mehreren Diskussionsbeiträgen wurde Forderung nach einer Aufhebung des Raumverbotes erhoben.

Ein Vertreter des Friedensausschusses der GEW mahnte mit Nachdruck an, dass die vorhandenen friedenspolitischen Beschlüsse der GEW -HH angesichts der dramatischen Weltlage dringend mit mehr Leben gefüllt werden müssten und diese Diskussion dieselbe Gewichtung erlangen müsse wie die der Rechtsoffenheit.

Abschließend ist festzustellen, dass in den lebhaften, teilweise sehr emotionalen Redebeiträgen die Kontroverse aus verschiedener Perspektive deutlich geworden ist. Wenn ich versuche, die Haltung unter den Anwesenden im Hinblick auf das Raumverbot oder gewerkschaftliche Strategien gegen rechts am Ende der Veranstaltung einzuschätzen, so mögen die Unterstützer unserer Position geringfügig überwogen zu haben. Dies drückte auch der 1. Vorsitzende in seinem Schlusswort aus: er verspüre einen starken Druck in Richtung Aufhebung des Raumverbotes. Dies liege jedoch nicht allein in seiner Macht, die gewerkschaftlichen Gremien hätten darüber zu befinden.  (B.K.)

  • Korrekt heißt es: für die Raumnutzung wird eine Miete von 100€ pro Stunde fällig, was weder von JF noch von HF aufzubringen ist.

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