Redebeitrag auf der Veranstaltung der GEW „Rechtsoffen- reales Problem oder Kampfbegriff“

Redebeitrag auf der Veranstaltung der GEW „Rechtsoffen- reales Problem oder Kampfbegriff“

1. Ich habe 1974 in Berlin nach dem Studium Berufsverbot bekommen. Die Vorwürfe der Schulbehörde beruhten auf Verfassungsschutzberichten, die eine linksextreme Gesinnung belegen sollten. Die Anhörung verlief nach dem Muster: Ich bestätige die Vorwürfe, dann bekomme ich Berufsverbot. Oder ich widerlege sie, dann bin ich nicht glaubwürdig, bekomme auch Berufsverbot.

2. Heute: Vorwürfe werden erhoben gegen das Hamburger Forum und das Jou Fixe der Gewerkschaftslinken aufgrund von im Wesentlichen Internetquellen: Ihr seid rechtsoffen. Die Widerlegung dieser Vorwürfe durch die konkrete Praxis dieser Gruppen wird nicht akzeptiert, weil sie nicht glaubwürdig sei. Oder wie die hlz-Redaktion schreibt (11-12/2023): „…eine gewisse Beharrlichkeit dieses Personenkreises sich einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit dem Problem der Offenheit gegenüber rechten oder damit assoziierten Personen überhaupt zu stellen.“ Motto: Ihr müsst schon zugeben, dass ihr rechtsoffen seid!

3. Die hlz schreibt weiter: „Für die Wirksamkeit eines antifaschistischen Selbstverständnisses reichen dann keine Bekenntnisse, es muss sich in unserer Praxis widerspiegeln; im Ziehen einer klaren Grenze gegen rechte Haltungen, Medien und Gruppierungen.“ Also werden doch Bekenntnisse verlangt! Eine antifaschistische Praxis besteht doch nicht aus Grenzziehungen! Wenn schon Bekenntnisse verlangt werden: Ich als GEW-Mitglied und Teilnehmer des Jour Fixe bekenne mich dazu – ich hoffe gemeinsam mit Vorstand und Redaktion-, dass Faschismus aus dem Kapitalismus erwächst und daraus die Praxis folgt, dass wir uns gemeinsam gegen die sozialen Angriffe auf die Lohnabhängigen wehren müssen. Und deshalb nehme ich auch am Jour Fixe teil. Das Jour Fixe unterstützte z.B. den Neupack-Streik, die Kämpfe der Amazon-Beschäftigten, die Arbeiter bei Tönnies, um nur einige zu nennen; wenn ich alles aufzählen würde, bräuchte ich wahrscheinlich eine Viertelstunde. Das ist antifaschistische Praxis!

4. Woher kommt denn die Rechtsoffenheit in der Bevölkerung? Wir müssen doch zugeben, dass die ganze Gesellschaft zurzeit rechtsoffen ist. Sie kommt daher, dass die Menschen in der Verteidigung ihrer sozialen Interessen im Stich gelassen werden. Wenn die Leute auf die Straße gehen, wenn sie nicht einverstanden sind mit der Regierungspolitik – bei Corona z.B. viele Eltern und Pflegekräfte wegen der Impfpflicht – und die Gewerkschaften keine Orientierung bieten, dann kommen eben die Rechten mit ihren Parolen. Deshalb gingen einige vom Jour Fixe zu den Kunsthallendemos, um sie nicht den Rechten zu überlassen.

5. Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass der Vorwurf der Rechtsoffenheit einen anderen, tieferen Grund hat. Es scheint mir nicht zufällig, dass beim Jour Fixe die Coronapolitik der Regierung und beim Hamburger Forum der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen. Beide Male gab es Kritik an der Politik der Bundesregierung und beide Male wird die Kritik als rechts gebrandmarkt. Also, die Regierenden führen Krieg gegen Russland, wie Baerbock sagt, und das soll jetzt links sein? Und die Kritik daran rechts? „Frieden durch Menschenrechte“ nennt das die hlz-Redaktion. Die Gewerkschaften sind doch keine Transmissionsriemen der Bundesregierung!

6. Zum Schluss: Aufrüstung und Krieg gehen nicht gleichzeitig mit sozialem Frieden. Aufrüstung und Krieg bedeuten immer Sozialabbau und Angriff auf die Lohnabhängigen. Wenn wir diesen Zusammenhang als Gewerkschaften nicht begreifen, sind wir verloren.

Manfred

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