Es organisiert sich Solidarität und Widerstand durch BürgerInnen!
Am Donnerstag, dem 27.6. traf sich die Soli-Initiative für die ausländischen KollegInnen im Schlachthof Tönnies in Kellinghusen, die sich Stützgruppe nennt. Sie war von Anja Halbritter initiiert worden. Am 12.6. hatte es im Bürgerhaus eine proppevolle Protestversammlung mit wohl 160 TeilnehmerInnen gegeben, von denen viele zu dem Treffen der Stützgruppe kamen. Es waren über 30 TeilnehmerInnen. Für eine Kleinstadt mit 7.000 viel Engagement! Die Initiative hat es sich zur Aufgabe gesetzt, für die Arbeits-, Lebens- und Wohnbedingungen der ausländischen KollegInnen einzutreten, die in Werkverträgen für Subunternehmer bei Tönnies arbeiten. Die Berichte und Photos auf der Versammlung im Bürgerhaus hatten damals alle berührt, ja geschockt: Solche Zustände in unserem Kellinghusen, in unserem Steinburg dürfen wir nicht dulden!
Bei der Großschlachterei Tönnies gibt es keine gewerkschaftlichen Strukturen, keinen Betriebsrat, keine Vertrauensleute! Von Seiten der Stützgruppe gibt es allerdings etliche Kontakte zu ausländischen KollegInnen.
Die Protestversammlung im Bürgerhaus war von Dr. Susanne Uhl vom DGB Schleswig-Holstein und von Norbert Wagner (DGB Itzehoe) und seiner Frau Lucia organisiert worden. Alle drei waren auch auf dem Treffen am Donnerstag. Es war eine geballte Kompetenz versammelt: Nicht nur die Organisatorinnen der Stützpunkt-Gruppe, die KollegInnen vom DGB, auch engagierte und beobachtende Nachbarn des Tönnies-Geländes, eine Tierärztin und etliche VertreterInenn der Parteien: Grüne, SPD, Linkspartei und sogar ein CDU-Vertreter, die meisten mit Funktionen im Stadtrat, Kreistag oder Landtag.
Es wurden Papiere verteilt „Verhaltenskodex der Fleischindustrie“, „Standortoffensive deutscher Unternehmen der Fleischwirtschaft – Selbstverpflichtung der Unternehmen für attraktivere Arbeisbedingungen“. Die KollegInnen, mit denen ich an dem Abend gesprochen habe, waren abwartend kritisch eingestellt gegen „Selbstverplichtung der Unternehmer“ und „Runder Tisch“.
Damit werden sich zwei Arbeitsgruppen beschäftigen, die sich bei dem Treffen bildeten diskutieren und auch Infos, die von der Kollegin Uhl verteilt wurden. Wie bekannt wurde, hat Tönnies Kommunalpolitikern einen Runden Tisch angeboten. Der Stützkreis wird das beobachten. Die Treffen werden fortgesetzt! Die Stützgruppe ist kein Debattierklub, der sich heiß redet und es dann dabei beläßt, wie die Kollegin Halbritter es ausdrückte. Der Kreis wird geprägt von Frauen, deren Antrieb Empörung und Empathie für ausländische KollegInnen ist. Vielleicht hat diese Stützgruppe mehr Kraft und Dynamik und kann mehr bewirken als manche „rein gewerkschaftliche“ Gruppe, weil sie gesellschaftliche Breite hat und Energie und Frische verkörpert.
Es ist ein überaus positives Ereignis, da sich keine Skandalisierung und kein Widerstand aus dem Betrieb heraus gegen die Arbeits- und Wohnbedingungen der ausländischen KollegInnen gebildet hat, daß sich das menschliche Herz der Stadt zeigt mit seinem Engagement gegen Tönnies, Subunternehmer und Vermieter!
Vielleicht findet Kellinghusen Nachahmer, daß sich in anderen Orten, wo es in Betrieben keine gewerkschaftliche Organisierung oder gewerkschaftliche Strukturen mehr gibt, BürgerInnen engagieren gegen Firmen, die die Notlage von KollegInnen grenzenlos ausnutzen, Neoliberalismus und Ausbeutung pur praktizieren.
Berichte von der Veranstaltung am 12.6.2018 im Bürgerhaus:
http://sh-nordwest.dgb.de/presse/++co++decdbfba-6fa2-11e8-9148-52540088cada
Dieter Wegner, Jour Fixe Gewerkschaftslinke. Hamburg, früher Kellinghusen