Das System der Werksverträge – auch „Schweinesystem“ genannt
Am 29. März organisierten zeitgleich Initiativen gegen die Großschlachterei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh/NRW) und in Kellinghusen (Holstein) Kundgebungen und Demo. Es ging um Protest gegen die Arbeits- und Lebensbedingungen der WerkvertragsarbeiterInnen und die Umweltschäden, die diese Firma anrichtet. Im folgenden sollen die Reden, die in Rheda gehalten wurden, das Flugblatt, das in Kellinghusen verteilt wurde und die Widerspiegelung in der örtlichen Presse dokumentiert werden.
Anlaß für die Kundgebung/Demonstrationen in Rheda-Wiedenbrück und Kellinghusen war folgender Film im NDR:
https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Schwerer-Unfall-im-Schlachthof-Kellinghusen,schlachthof464.html
In Kellinghusen (Kleinstadt 60 km nördlich von Hamburg) hat sich vor knapp einem Jahr die Bürgerinitiative „Stützkreis“ gegründet. Grund waren die schlimmen Arbeits- und Wohnverhältnisse von WerksvertragsarbeiterInnen aus Rumänien, die in der dortigen Großschlachterei Tönnies arbeiten. Als diese in den Blick der Öffentlichkeit gerieten, wurde im Bürgerhaus eine Informations- und Protestversammlung einberufen.
Bericht dazu: https://gewerkschaftslinke.hamburg/2018/06/14/protest-gegen-gross-schlachterei-toenniessubunternehmer-und-vermieter-dethlefsen/
In Kellinghusen gibt es eine weitere Initiative gegen Tönnies: „Saustarkes Kellinghusen“, die hauptsächlich Umweltthemen in Zusammenhang mit dem Schlachthof Tönnies thematisiert. „Saustarkes Kellinghusen“ organisierte auch die Kundgebung am 29.3. vor den Toren von Tönnies.
In Rheda-Wiedenbrück gibt es schon seit 2013 eine Initiative gegen Tönnies: IG Werk fair träge . Wiedenbrück ist der Hauptsitz von Deutschlands größter Großschlachterei.
In Gütersloh wurde im vorigen Jahr das Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterung gegründet.
Die Kreisstadt Gütersloh grenzt direkt an Rheda-Wiedenbrück.
Vorweg eine Einführung zum Thema:
Günter Wallraff veröffentlichte 1985 das Buch: Ganz unten. Er schilderte das Leben der Lohnabhängigen aus der Türkei in der Bundesrepublik. Falls er damals den Begriff „Wegwerfmenschen“ für die TürkInnen gebraucht hätte, hätte er daneben gelegen, es waren „nur“ Lohnabhängige 2. und 3. Klasse, eben Menschen ganz unten, die die Drecksarbeit bei uns zu machen hatten.
Prälat Peter Kossen bezeichnet heute die Werkvertragsarbeiter aus Osteuropa, besonders die in den Großschlachtereien, in Betrachtung der Realitäten als „Wegwerfmenschen“.
Durch die Osterweiterung der EU nach 1989 mußten für das Kapital genehme gesetzliche Regelungen geschaffen werden, damit es die Ware „osteuropäische ArbeiterInnen“ für sich nutzen.kann. Es waren dies:
Die „Entsenderichtlinien“
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/176818/entsenderichtlinie
Die Bolkestein-EU Dienstleistungs-Richtlinien (hier bei labournet):
http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/bolkestein_infos.html
Das System der Werkverträge
Wie wikipedia zu Recht schreibt, war das 1900 bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) noch eine „unproblematische Kontraktform“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Werkvertrag_(Deutschland )
Als Ergebnis des Imports von Millionen ArbeitnehmerInnen müssen wir konstatieren, daß hier nicht nur ein Heer von Lohnabhängigen 2. oder 3. Klasse geschaffen wurden, sondern daß darüber hinaus die Bezeichnung „Wegwerfmenschen“ von Prälat Kossen zutrifft.
Ein Werksvertragsarbeiter verdient gesetzlich aktuell 9,19 Euro Mindestlohn, wobei die Subunternehmen Tricks anwenden, um diesen Lohn zu unterlaufen.
In den meisten Großschlachtereien sind nur 20 Prozent der Beschäftigten Stammbelegschaft, 80 Prozent WerksvertragsarbeiterInnen.
In Deutschland werden 60 Millionen Schweine pro Jahr geschlachtet, das sind 120 Prozent unseres Eigenbedarfs. Der Export geht auch nach Rumänien, welch ein Wahnsinn!
Bernd Maiweg, Referatsleiter Fleischbranche der NGG, drückt es so aus: Wir importieren billige Arbeitskräfte und exportieren billiges Fleisch“. So wurden wir zu führenden Wirtschaftsnation Europas!
2015 unterzeichneten die sechs größten Fleischkonzerne eine Selbstverpflichtungserklärung „für attraktivere Arbeitsbedingungen“. Ziel war, den Anteil der Stammbelegschaften zu erhöhen. Diese Selbstverpflichtungserklärungen geschahen auf Druck des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich aufgrund vieler Skandale dazu genötigt sah. Ob sich der Anteil seitdem erhöht hat ist unbekannt. Dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden Torsten Isernhagen bei Vion Food North GmbH ist zuzustimmen wenn er formuliert:
„Wofür brauchen wir einen Werkvertrag? Da wird gern das Lied der Flexibilität gesungen…Wenn man Schwankungen ausgleichen will, macht man mit seinem Betriebsrat eine Vereinbarung über Arbeitszeitkonten. Damit kann man das ganze Jahr über perfekt Schwankungen ausgleichen“.
Interessante Berichte und konkrete Fallbeschreibungen können wir auf der Seite von „Faire Mobilität“, einer Einrichtung des DGB unter „Broschüre zum download Zur Situation in der deuschen Fleischindustrie“ nachlesen. Besonders hervorzuheben ist ein Bericht über ein Verfahren von Werksvertragsarbeitern gegen Tönnies Rheda-Wiedenbrück, wo dieser eine schmähliche Rolle spielt. (S. 14). Da muß Herr Bocklage, der vor einigen Monaten neu eingestellte Syndikus von Tönnies, aber sehr viel kuscheln, um Tönnies beschämende Rolle zu überlagern.
https://www.faire-mobilitaet.de/ueber-uns/++co++e3a0377c-346f-11e6-86d3-525400e5a74a
Früher Zwangsarbeiter aus dem Osten, heute „Wegwerfmenschen“ aus dem ehemaligen Ostblock!
Diese „Wegwerfmenschen“ haben ihre Vorläufer: Die Zwangsarbeiter aus den von Nazi-Deutschland zwischen 1939 bis 1945 eroberten und besetzten Gebiete. Einziger Unterschied zwischen damals und heute: Von den ZwangsarbeiterInnen in der deutschen Wirtschaft starben Hunderttausende. Heute werden sie nach Verschleiß zurückgeschickt und Neue geholt.
Prälat Kossen vergleicht zu Recht das Werksvertragssystem für ArbeiterInnen aus Rumänien mit dem Prostituierten-System: Die Not und Perspektivlosigkeit der Frauen wird ausgenutzt, um sie unter falschen Versprechen nach Deutschland zu locken und in Bordellen „arbeiten“ zu lassen. Sie werden in den Bordellen in verschiedenen Städten in Deutschland als „Frischfleisch“ (Zuhälterausdruck) gereicht und als kaputte Menschen zum Schluß nach Rumänien zurückgeschickt. Die Bundesregierungen haben dafür gesorgt, daß Deutschland zum Bordell Europas wurde. Hier wurden für Zuhälter und BordellbesitzerInnen die günstigsten Bedingungen geschaffen.
Die Bundesregierungen, egal in welcher Parteienzusammensetzung, haben in den letzten Jahrzehnten ebenso optimale Ausbeutungsbedingungen für Großschlachtereien geschaffen und ziehen damit die Ansiedlung auch ausländischer Großschlachterein in Deutschland an.
Hervorragend wird das mafiöse System der Großschlachtereien in 2 Büchern beschrieben:
Adrian Peter: Die Fleischmafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen.
Eine Hauptrolle dabei spielt Tönnies.
https://www.swr.de/report/ueberuns/team/adrian-peter/-/id=1197364/did=17251460/nid=1197364/1agpmto/
Und Günter Wallraff, Hrsg.: Die Lastenträger.
https://www.kiwi-verlag.de/buch/die-lastentraeger/978-3-462-04625-0/
Darin das Kapitel von Albrecht Kieser: Selbstschlachten und Ausbeinen, Herrscher übers Schweineland
Heute wie früher: Methode Zeitschinden
Vor einigen Monaten hat Tönnies Rechtsanwalt Bocklage als Syndikus eingestellt. Er ist jung (41 Jahre), dynamisch und versteht es, mit einem Kuschelkurs Eindruck zu schinden. So bei einer Podiumsdiskussion in Itzehoe, beim Runden Tisch in Kellinghusen. Sein letzter Schritt: Er kommt – zusammen mit dem BR-Vorsitzenden – ins Büro von Fair Mobility in Rheda-Wiedenbrück und bietet Gespräche an, es seien Fehler in der Vergangenheit gemacht worden, jetzt solle alles besser werden. Die Methode ist leicht zu durchschauen: Es geht um Zeitschinden, um Monat für Monat, Jahr für Jahr die bisherigen Verhältnisse zu erhalten. Aber es gibt nicht nur den Kuschelkurs, es gibt auch die Peitsche: Kritiker bekommen Unterlassungsaufforderungen mit Zwangsgeldandrohung(?) für ihre Texte wegen angeblich falscher Tatsachenbehauptungen. So Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg, IG Werkfairträge und das Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterung in Gütersloh. Diese Methode des Zeitschindens ist sehr erfolgreich, denn die mafiösen Zustände in der Fleischindustrie bestanden schon vor 2006, als Adrian Peter sein Buch veröffentlichte. Und auch nach 2015, dem Jahr der Selbstverpflichtung von Tönnies & Co., hat sich nichts Wesentliches verändert.
Und die DGB-Gewerkschaften sind machtlos – aus guten Gründen
Die DGB-Gewerkschaften standen als Teil der Herrschaftselite und als Sozialpartner des Kapitals Pate bei der Schaffung der gesetzlichen Regelungen für den Import der „Wegwerfmenschen“ aus Osteuropa. Gewerkschaftssekretäre an der Basis, hier besonders von der NGG (Gewerkschaft Nahrung, Genußmittel, Gaststätten) und Fair Mobility liefern einen aussichtslosen Kampf gegen die Fleischkonzerne mit ihrem Sub-, Sub-, Subsystem. Für einzelne AusländerInnen, die Opfer des Werkvertragssystems geworden sind, können sie oft Hilfe leisten, gegen das System an sich sind sie machtlos.
Es klingt nicht nur zynisch, es ist zynisch: Gewerkschaftsführungen waren nicht nur Pate des Systems und jetzt begleiten sie es, indem sie schwadronieren: Wir müssen es zusammen mit dem Kapital gestalten. (Und für die Betreuung der Opfer sind dann die Basissekretäre zuständig!)
Genauso ist der Kampf von Polizei, Zoll und Arbeitsämtern letztlich erfolglos, mit dem Einsatz von hunderten oder tausenden Beamten gegen Subunternehmer und Schlachterei-Konzerne wird nicht das System beseitigt sondern es werden bestenfalls einige kriminelle Bosse festgesetzt und die Staatsanwaltschaften und Gerichte bekommen viele Verfahren zugeschanzt. Es ist die nutzlose Tätigkeit des Sisyphus.
Die Kundgebung in Rheda am 29.03.2019:
Rede von Prälat Peter Kossen: 20190329 Rede Kossen Rheda
Rede von Dieter Wegner (Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg): 20190329 Rede Wegner Rheda
Rede von Emanuel, fridays for future: 20190329 Rede Fridays for Future Rheda
Rede vonCamilia, Bündnis gegen Tönnies-Erweiterung, PETA: 20190329 Rede Camila Rheda
Artikel aus „Neue Westfälische“, Lokalzeitung Rheda-Wiedenbrück:
https://www.nw.de/lokal/kreis_guetersloh/rheda_wiedenbrueck/22416824_Moderner-Sklavenhandel-Demo-gegen-Toennies-in-Rheda-Wiedenbrueck.html
Die Kundgebung in Kellinghusen am 29.3.:
Flugblatt: 20190329 Saustark. Die Schweinerei in Kellinghusen geht weiter
Artikel aus „Norddeutsche Rundschau“ (Itzehoe)
http://zeitung.shz.de/norddeutscherundschau/2050/article/878671/10/3/render/?token=488982447372652e514e1092a5020c59
Diesen Menschen sollte man mit seiner Familie enteignen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Hier offenbart sich am Beispiel Tönnies die ganze dreckige Kungelei mit den von der Politik und durch Politiker geschützten Menschenverachtern. Hauptsache am Ende stimmt die Höhe der Parteispende.