Der politische Kampf der GDL um die Sozialpartnerschaft

1. Mai 2021 in Berlin - Foto: UK Bahner
1. Mai 2021 in Berlin – Foto: UK Bahner

Es sollte eine ganz normale Tarifrunde 2021 werden, die sich die GDL (Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer) noch Anfang 2020 auf die Fahnen geschrieben hat. Was sich nunmehr daraus entwickelt hat, ist ein Kampf um die führende Rolle als Sozialpartner mit dem Management der Deutschen Bahn AG.

Abzusehen war, dass diese Tarifrunde eine große Herausforderung beinhaltet. Denn der Pakt der Sozialpartnerschaft zwischen DB einerseits und den zwei Gewerkschaften EVG (Eisenbahnverkehrsgewerkschaft) und GDL endete am 31.12.2020 um 23:59 Uhr. In diesem Pakt aus Management und Gewerkschaften teilten sich die Gewerkschaften ihre Vertretungsansprüche auf die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn auf. Die GDL tarifierte und vertritt vordergründig das Zugpersonal bei der DB. D.h. vom Lokführer bis zum Bordgastronomen tarifierte die GDL ihre Mitglieder. Den überwiegenden Rest der Belegschaft die EVG. Fahrdienstleiter, Werkstattbeschäftigte, Büroangestellte, Service- und Sicherheitsarbeiter usw. Ab 2021 sollte dieser Pakt eigentlich fortgeführt werden.

Und dann die Corona-Krise: finanzpolitisch “Land unter“ in der DB

Doch da kam die Corona-Krise und mit ihr die davon verdeckte Wirtschaftskrise über das Land und das DB Management rief um stattliche Hilfe, denn kaum ein Fahrgast war noch in der Krise in den Zügen der DB unterwegs. Ob S-Bahn, Regio, oder ICE, die Züge erwirtschaften keine Profite mehr. Diese waren jedoch notwendig, um die Kredite der DB zu bedienen. 30 Mrd. Euro Schulden hat die DB seit ihrer Privatisierung im Jahr 1994 angehäuft. Ein normaler Zustand in den Betrieben und Konzernen hierzulande, denn von Krediten und deren Zinsen lebt bekanntlich die Finanzwirtschaft und damit der Kapitalismus.

Jetzt hieß es aber finanzpolitisch “Land unter“ in der DB, bei der Bedienung der Kredite. Und so sollte der Staat als Eigener der DB aushelfen, wie er es bei allen anderen Unternehmen und Konzernen während der Krise tat. Nur verband die Regierung mit ihrer 500 Mio. Euro Hilfe für die Bahn gleichzeitig einen Beitrag der Beschäftigten bei ihrer Hilfsaktion für die DB. So rief das DB-Management Mitte 2020 die Gewerkschaft EVG und GDL an die Tisch, um die Einsparungen bei den Beschäftigten mit ihnen zu vereinbaren, obwohl die laufenden Tarifverträge noch bis Februar 2021 liefen. Die EVG nickte eine fette Minusrunde, d.h. 0% Lohnerhöhung für 2021 – bei einer gleichzeitig erwarteten Inflation von 2,5% für 2021 – sofort ab. Ohne ihren Mitgliedern überhaupt zu versuchen dies als Notwendigkeit zu verkaufen oder gar darüber zu diskutieren. Die GDL verwehrte dem DB Management den Handschlag für einen Verzicht der Beschäftigten, wenn nicht auch das Management seinen Beitrag beim Verzicht leistet. Das steht aber bis heute nicht zur Disposition beim DB Management. Im Gegenteil, 10% Gehaltszuwachs hat sich zeitgleich der DB Vorstand bewilligt. 10% bei einem eh schon hohen Gehaltsniveau, weit weg von den Gehältern der Eisenbahner im Betrieb. Die Folge:

Der Pakt zwischen der DB und ihren Gewerkschaften platzt im September 2020

Jedoch mit Ausnahme der EVG. Und der GDL wurde vom Bahnvorstand angedeutet, dass sie nun mit dem Ende der Sozialpartnerschaft bei der DB rechnen muss, wenn sie nicht beim kollektiven Gehaltsverzicht für die Beschäftigten mitmacht. Dazu bedient sich die DB dann auch des Tarifeinheitsgesetzes. D.h. es kann nur eine Gewerkschaft im Betrieb geben, die Tarifverträge mit der DB abschließt und die heißt EVG. So hieß es für die GDL nunmehr einen Verteidigungskampf gegen die DB zu führen, oder zum Angriff zu blasen. Wie in 2007/08, als die Partnerschaft wegen fehlendem Verzichtswillen der GDL damals von Mehdorn aufgekündigt wurde, hieß es seit November 2020, Angriff ist die beste Verteidigung bei der GDL. Die GDL öffnete sich für alle für den Betrieb der Bahn relevanten Berufsgruppen. Also die Beschäftigten in den Stellwerken, Werkstätten, bei der Infrastruktur, den Service- und Sicherheitsbereiche sollen neben denen der EVG zukünftig auch mit Tarifverträgen der GDL beglückt werden können. Dies geschieht im Zuge der aktuellen Tarifrunde 2021, indem dort nun von der GDL modifizierte EVG Tarifverträge beim Management für fast alle Bereiche der Bahn eingefordert werden.

Da die Sozialpartnerschaft bei der DB nun allein noch mit der EVG besteht, kämpft die GDL nun darum, die Sozialpartnerschaft bei der DB zurück zu erlangen. Dazu gibt es das Mittel des Streiks, als altbekanntes Mittel einer Gewerkschaft, was jedoch eine Gewerkschaft nie überreizen will und wird, wenn sie denn zukünftig Sozialpartner im Unternehmen werden will. So bedient sich die GDL auch dem politischen Arm einer möglichen zukünftigen Regierungspartei. Die Regierung hat bekanntlich immer maßgeblichen Einfluss auf die Bahn, wenn auch nicht offenen sichtbar. Sollte es zukünftig, wie von vielen Menschen angenommen wird, eine schwarz-grüne Regierung geben, wird auch die politische Rückendeckung der SPD für die EVG als DGB-Gewerkschaft wegfallen.

So sieht die GDL nun eine politische Partnerschaft bei den GRÜNEN

Daraus ergibt sich wohl auch die plötzliche Forderung der GDL Führung, die Trennung der Infrastruktur vom Fahrbetrieb der Deutschen Bahn, wie es die GRÜNEN fordern. D.h. mit der Infrastruktur der Bahn darf kein Profit gemacht werden, wogegen der rollende Betrieb der Bahn vollends privatisiert werden soll. Sollte mit einer schwarz-grünen Regierung auch die Partnerschaft zwischen GDL und GRÜNEN zustande kommen, wird sich manch ein Bahnvorstand nach dem neuen politischen Wind zu richten haben, oder die Vorstände werden womöglich von der neuen Regierung ausgetauscht. Darin liegt die Absicht der GDL beründet, die eigentliche Auseinandersetzung mit dem DB Management so dicht wie möglich an die Bundestagswahl im September hinauszuzögern. Denn wenn die DB Vorstände ihre Felle wegschwimmen sehen, werden sie schneller gegenüber der GDL einlenken, als wenn es noch offen ist, ob die SPD als Regierungspartei ihre schützende Hand über die EVG behält. Sollte es auch im August, September oder gar Oktober noch ungewiss sein, welche Regierung kommen wird, wird auch die Wahrscheinlichkeit von Streiks der GDL bei der DB steigen.

Bekanntlich will kaum eine sozialpartnerschaftliche Gewerkschaft hierzulande wirklich streiken, es sei denn ihre Existenz als Wirtschaftspartner für soziale Angelegenheit im Unternehmen hängt davon ab. Um die jetzigen GDL Mitglieder und all die anderen Beschäftigten, die zukünftig noch Mitglieder des neuen federführenden Sozialpartners bei der DB werden sollen, jedoch nicht mit einem so offensichtlichen Lohnverzicht zu verprellen, wie es die EVG mit ihren 0% Lohnerhöhung getan hat, fordert die GDL aktuelle 1,4% mehr Lohn in 2021. Also einen nicht so starken Verlust wie bei der EVG. Dennoch ist auch das ein Reallohnverzicht von „nur“ 1,6%, bei einer diesjährig erwarteten Inflation von 3%. Noch zu Beginn der Tarifrunde waren es 4,8% Gehaltszuwachs, den die GDL begründet in der zu erwartenden Inflation für 2021 auf ihrer Forderungsliste plazierte. Jetzt, wo die Partnerschaft mit der neuen Regierung im Kampf um die Sozialpartnerschaft gesucht wird, ist es nur noch der Abschluss des öffentlichen Dienstes, der von der GDL in deren Forderungskatalog steht.

Alles was nun für und gegen einen Streik der GDL spricht, sind die Umfragewerte für die eine oder andere neue Bundesregierung. Man sieht aber auch, dass die GRÜNEN vom Kapital noch nicht vollumfänglich als Regierungspartei akzeptiert werden. Zu viele Unsicherheiten stecken noch in der grünen Partei, als es bei der SPD oder auch FDP der Fall ist. Der GDL Führung bleibt aber noch ein Weg offen. Und der heißt Streik. Nicht dass die Eisenbahner keine Gründe hätten zu streiken, womit auf eine Zustimmung für Streiks in der laufenden Urabstimmung zu rechnen ist, doch sollte es zu Streiks kommen, so sind die hier dargestellten Punkte mit den Streikenden auf jeden Fall noch zu diskutieren. Zum Spielball der Politik wollen sich die wenigsten Kollegen machen lassen, auch nicht in deren Abhängigkeit geraten. Und schon gar nicht von den Öko-Kapitalisten der Partei der GRÜNEN. Denn darin sehen viele Kollegen ihr neues Unheil kommen. Sie erkennen sehr genau, dass sie für die neuen Öko-Industrie letztendlich zahlen sollen. Ob mit ihren Löhnen oder auch Arbeitsplätzen.

Die Situation bei der S-Bahn in Berlin

Bei der S-Bahn in Berlin sind sich Gewerkschaften und Beschäftigten jedoch noch in einem Punkt einig: Die von den GRÜNEN dort forcierte Ausschreibung, Zerschlagung und Privatisierung der S-Bahn lehnen sie gemeinsam und die Belegschaft zu fast 100% ab. Damit stehen dort auch die GDL Mitglieder der Marschrichtung ihrer Gewerkschaftsführung – pro GRÜNE – entgegen. Sie gehen sogar noch weiter. Die Forderung an ihre Gewerkschaftsführung, sie solle endlich erkennen, dass die Privatisierung der Deutschen Bahn gescheitert ist und für eine Bahn als Daseinsfürsorge der BürgerInnen kämpfen, wurde dort vernommen. Die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder haben daher auch wieder das Ziel im Kampf und Streik der GDL zu sein und keine politischen Interessen- und Machtkämpfe um eine soziale Partnerschaft mit der DB AG. Wer heute als skrupelloser Manager der Bahn berechtigt von der GDL angegriffen und verteufelt wird, kann morgen nicht der Partner einer Gewerkschaft werden, denn die Ursachen für die berechtigten Angriffe sind damit nicht beseitigt. Dieser Widerspruch ist und wird noch vielen auf die Füße fallen. Auch eine Linkspartei kann nicht widerspruchsfrei den Kapitalismus abschaffen wollen und sich gleichzeitig dessen rein repräsentativer Politik für eine politische und wirtschaftliche Partnerschaft mit dem Kapital bedienen.

Perspektive für die DB-Beschäftigten

Die Perspektive für die Arbeitenden bei der Deutschen Bahn wäre eine Gewerkschaft, die in ihrer Rolle als deren Interessengruppierung die Klassenwidersprüche erkennt, benennt und danach mit ihren Mitgliedern die Forderungen zur Überwindung dieser Widersprüche aufstellt und nur mittels Streiks diese überwindet. Die Bahn als Daseinsfürsorge für alle BürgerInnen beinhaltet auch die Sicherheit der Eisenbahner, eine Arbeit zu verrichten, die morgen und auch übermorgen noch von den BürgerInnen gebraucht wird und nicht missbraucht, verkauft und verscherbelt wird für die Profite des uns regierenden grün, schwarz, rot, blau, gelb, … lackierten Kapitals.

Autor: UK Bahner (Juli 2021)

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